Persönliche Motivation
AUTOHAUS: Wer sich über 40 Jahre so wie sie ehrenamtlich engagiert, braucht dazu eine starke Triebfeder. Woraus resultiert dieser lange Atem im Ehrenamt?
Jürgen Karpinski: Zunächst war und ist da meine Begeisterung für das Automobil sowie die sich über Jahrzehnte rasant entwickelnde Technik. Hinzu kommt die Verantwortung für die Menschen im eigenen Unternehmen, die sich jeden Tag aufs Neue dem Dienst am Kunden verschreiben. Durch den Kontakt mit Kollegen der Innung und Händlern habe ich schnell gemerkt, was sich gemeinsam in den Organisationen des Handwerks und des Handels erreichen lässt. Wer die Chance geboten bekommt sich einzubringen, kann viel bewegen. Das bringt zwar viel zusätzliche Arbeit mit sich, aber auch besondere Freude und Zufriedenheit. Zudem verpflichten der eigene Erfolg und Wohlstand auch dazu, sich für andere einzusetzen, denen es nicht so gut geht. Die wirkliche Basis für meinen langen Atem begründet sich jedoch in der eigenen Familie, die das ehrenamtliche Engagement mitträgt und dem ausgleichenden Sport - sonst wird es schwierig.
AH: Sie haben als Obermeister ihre Kfz-Innung Frankfurt, Main-Taunus-Kreis in die erste Reihe der 236 Kfz-Innungen in Deutschland geführt. Was haben Sie in dieser Zeit von 1988 - 2014 entwickelt?
J. Karpinski: Zu den vielen Projekten gehört vor allem der 12 Millionen D-Mark-Neubau der Landesfachschule, deren Grundstein 1992 gelegt wurde. 1993 entstand dann ein modernes Berufsbildungs- und Technologiezentrum, welches nach wie vor führend in Deutschland ist. Sehr beeindruckend waren die Meisterfeiern im Frankfurter Römer und in der Paulskirche mit bis zu 1.000 Personen. Wir hatten immer viele bedeutende Politiker zu Gast, denn das Interesse an der erfolgreichen Arbeit der Frankfurter Innung ist sehr groß. Nach drei Jahrzehnten Jugendaustausch mit der Stadt Sedan in Frankreich, haben wir 2004 mit dem Israel Ausbildungs- und Fachschulprojekt begonnen. Die Idee dahinter ist die deutsche Kfz-Berufs-Ausbildung für besonders begabte israelische Jugendliche möglich zu machen und in Israel zu etablieren. 2006 und 2007 fand der Bundesleistungswettbewerb, also die Berufsolympiade des Kfz-Handwerks in der Landesfachschule, statt. Für die Innung ist das eine große Auszeichnung, da dieser Wettbewerb bekanntlich nur in ausgewählten Bildungseinrichtungen stattfindet. Zu einem besonderen Ereignis in der Geschichte der Frankfurter Innung gehört sicherlich auch der Besuch der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, die sich am 22. Januar 2007 einen persönlichen Eindruck von der Arbeit der Innung verschaffte. Neben der Rechtsberatung und einem Inkasso-Einzug wurde die Innung Ffm/MTK zu einem modernen Dienstleistungs-Zentrum umgestaltet. Zehn Jahre lang haben wir außerdem pro Jahr 100.000 Euro an unsere Betriebe in Form von Kurspreis-Minderungen zurückgezahlt. Die Mitglieds-Quote der Innung Ffm/MTK liegt bei 94 Prozent.
AH: Wo setzen sie die Schwerpunkte für eine erfolgreiche Innungsarbeit der Zukunft?
J. Karpinski: Innungsarbeit ist vor allem ständige Kommunikation mit den Betriebsinhabern und die Weiterentwicklung der eigenen Angebote zum Wohle der Mitgliedsbetriebe. Sie müssen die Vorteile der Mitgliedschaft in der großen und starken Verbandsorganisation kennen und sich deren Nutzen bewusst sein. Da gibt es kleine, mittlere und sehr große Unternehmen. Die haben oft unterschiedliche Anforderungen an die Innungsarbeit. Wie wichtig unsere Organisation ist, und dabei beziehe ich die Landes- und Fabrikatsverbände sowie den ZDK mit ein, hat sich erst wieder in der extrem herausfordernden Corona-Pandemie gezeigt. Da wurden ständig neue gesetzliche Vorgaben produziert, die dann kurzfristig für die Kfz-Betriebe aufbereitet und in praxisgerechte Handlungsanweisungen umgesetzt werden mussten. Ohne Verband wäre das für viele Betriebe eine kaum zu bewältigende Aufgabe gewesen.
AH: Weshalb gelingt es nicht größere Innungseinheiten zu schaffen? Manche Innungsversammlungen sind 20 Köpfe stark? Davon 15 über 60 Jahre alt. Wie sieht eine Verjüngungskur aus?
J. Karpinski: Um zwei Beispiele zu nennen: Im Kfz-Gewerbe gibt es einen großen Kfz-Landesverband mit wenigen großen Innungen, es gibt einen anderen großen Kfz-Landesverband mit vielen kleineren Innungen. Und es gibt die Größenordnungen dazwischen. Das alles ist historisch gewachsen. Bei den kleineren Innungen liegt die Geschäftsführung oft bei den Kreis-Handwerkerschaften. Das Ehrenamt orientiert sich sehr an den lokalen Traditionen. Das ist so ähnlich wie bei Sportvereinen. Wenn die beispielsweise ihre Jugendarbeit ortsübergreifend zusammenlegen müssen, weil es sonst keine wettbewerbsfähigen Mannschaften mehr gibt, dauert es oft lange, bis die Verantwortlichen in den Vereinen bereit sind, auf Zuständigkeiten bzw. Ämter zu verzichten. Klar ist: Das gemeinsame Ziel, eine starke Vertretung der Interessen unserer Betriebe auf allen Ebenen, muss die Triebfeder des Handelns sein, auch über traditionelle Grenzen hinweg, wenn das sinnvoll ist.
ZDK-Präsident Jürgen Karpinski
BildergalerieAH: Sie sind seit 2004 Präsident und Landesinnungsmeister des Landesverbandes Hessen. Inzwischen mit Sitz in Wiesbaden. Ist es selbstredend, dass ein Landesverband seinen Sitz in der jeweiligen Landeshauptstadt haben sollte?
J. Karpinski: Das macht Sinn, weil auch die räumliche Nähe zu den politischen Entscheidungsträgern oft sehr hilfreich ist. Mit unserem Verbandshaus in zentraler städtischer Lage gegenüber dem hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium ist das Kfz-Gewerbe sichtbar und gibt uns natürlich eine besonders komfortable Ausgangslage. Maßgeblich ist darüber hinaus aber auch die persönliche Präsenz und der regelmäßige Kontakt der handelnden Personen des Verbandes zu den jeweiligen Vertretern der Landespolitik.
AH: Worin sehen sie die Bedeutung eines Landesverbandes und was haben sie in ihrer Zeit dort bewegt?
J. Karpinski: Die Aufgabe des Landesverbandes besteht auf der einen Seite in der politischen Interessenvertretung seiner angeschlossenen Innungen und deren Mitgliedsunternehmen auf Landesebene. In dem föderalen System in Deutschland kommt z. B. der Bildungspolitik und damit auch der beruflichen Bildung in den Ländern eine besondere Bedeutung zu. Gleichzeitig halten wir Kontakte zu hessischen Landtags- und Bundestags- und Europaabgeordneten, um mit diesem Netzwerk auch die Arbeit und Themen unseres Bundesverbandes unterstützend zu begleiten. Auf der anderen Seite bildet der Landesverband die Klammer um die Organisation auf Landesebene mit seinen 22 Innungen von der Bergstraße bis nach Kassel. Diese Gemeinschaft wird in Hessen durch zwei jährliche Versammlungen, zu denen immer auch ein geselliger Vorabend gehört, hochgehalten. Das schafft Vertrauen und fördert den Zusammenhalt. In Hessen funktioniert dieser Zusammenhalt zwischen den Innungen und seinem Landesverband ausgesprochen gut.
Zu den Meilensteinen meiner Tätigkeit beim Landesverband gehört sicher die Schaffung einer eigenen Verbandsimmobilie. Vom Beschluss der Mitgliederversammlung am 1. November 2013 bis zur Einweihung am 5. April 2019 waren viele Termine und Gespräche erforderlich. Mit einem eigenen hochmodernen Verbandshaus mitten in der Landeshauptstadt haben wir jetzt nicht nur eine effiziente sowie nachhaltige Investition der Verbandsmittel getätigt, sondern auch eine in der Öffentlichkeit gut sichtbare Repräsentanz für das Hessische Kraftfahrzeug Gewerbe geschaffen.
AH: Sie sind seit 2014 amtierender ZDK-Präsident. Welche Herausforderungen standen für sie dabei auf der Agenda?
J. Karpinski: Ziemlich weit vorn stand der Abgas-Skandal mit den Herausforderungen für Handel und Werkstatt und dem daraus resultierenden politischen Erfolg einer verpflichtenden Endrohrmessung sowie die SCR-Kat-Nachrüstung. Es ging weiter mit der Einführung des SP-Adapters und die Zusammenführung von ZKF und ZDK bis hin zu den Herausforderungen der Corona-Pandemie mit dem Protest vor dem Kanzleramt und dem fortdauernden Kampf um die Technologievielfalt bei den alternativen Antriebs- und Kraftstoffarten. Nicht zu vergessen seien die Großprojekte AÜK und SERMA als Meilensteine für die gute Zukunft aller Kfz-Betriebe, markengebunden und frei. Dazu die Kfz- und Vertikal-GVO und die für die Zukunft so bedeutsame digitale Kfz-Zulassung im Autohaus, die ab 1. September starten soll. Nicht zuletzt haben wir im Vorstand das ZDK-Leitbild 2030 entwickelt und arbeiten weiter daran, es mit Leben zu erfüllen. Auch die verstärkte ZDK-Präsenz in Berlin mit dem Ziel, eine eigene Immobilie zu erwerben, bleibt auf der Agenda.
AH: Was hat ihnen besondere Freude bereitet? Welche Belastungen waren damit verbunden?
J. Karpinski: Wer Spitzenämter ausfüllt, geht das mit dem Willen an, die An- und Herausforderungen zu meistern, ganz gleich, um was es geht – vom Betriebs- oder Innungsjubiläum über die Treffen mit zahlreichen Politikern und Ministern über viele Gremiensitzungen bis hin zu Interviews mit Funk-, TV- und Printjournalisten sowie Terminen im Ausland. Alle Termine waren mir wichtig, und ich habe mein Amt mit Kraft und Freude ausgefüllt, ohne dabei unsere Verbandsthemen aus den Augen zu verlieren. Dazu ein Beispiel: In meiner Amtszeit hatte ich unter anderem mit den drei Bundesverkehrsministern Dobrindt, Scheuer und Dr. Wissing zu tun, habe zu allen einen guten persönlichen Draht gefunden und politisch einiges erreicht: die verpflichtende Endrohrmessung mit Herrn Alexander Dobrindt, die SCR-Kat-Nachrüstung mit Herrn Andreas Scheuer und jetzt aktuell das Thema E-Fuels mit Herrn Dr. Volker Wissing. Hier waren und sind die persönlichen Gespräche das A und O. Der hiermit verbundene Aufwand war durchaus sehr anstrengend, hat aber aufgrund des errungenen Erfolges auch stets besondere Freude bereitet.
AH: Wie viele Termine galt es da pro Jahr wahrzunehmen? Wie viele km mussten Sie da auf der Straße abspulen? Sie gelten als aktiver Autofahrer?
J. Karpinski: Gezählt habe ich sie nicht, aber das Jahr hat bekanntlich 365 Tage, und wenn ich die Urlaubszeiten mal abziehe, kommen da bestimmt 250 Termine pro Jahr zusammen, von den gefahrenen und geflogenen Kilometern oder Meilen ganz zu schweigen. Wenn es eben ging, bin ich Auto gefahren – mit vielen Fahrzeugen, die mich begeistert haben und immer wieder neu begeistern.
AH: Sie haben den einstimmigen ZDK-Vorstandsbeschluss zustande gebracht, die besonderen politischen Schwerpunkte nach Berlin, in die Hauptstadt zu legen. Wie lautet Ihr Anspruch dafür für die Zukunft?
J. Karpinski: Die einstimmigen Beschlüsse von Vorstand und Mitgliederversammlung bestehen verpflichtend, die Präsenz in Berlin zu verstärken und auch eine Immobilie in unserer Hauptstadt zu erwerben. Diesen sinnvollen und zukunftsträchtigen Weg für unseren Verband und unser Gewerbe wird mein Nachfolger mit dem Vorstand und dem Hauptgeschäftsführer Dr. Kurt-Christian Scheel weiter zielgerichtet verfolgen, denn die zukünftigen und wegweisenden Entscheidungen finden dort statt - am besten mit uns!
AH: Wie charakterisieren sie aktuell das Verhältnis zwischen Hersteller und Handel?
J. Karpinski: Viele Fabrikatshändlerverbände befinden sich gerade mit ihren Herstellern und Importeuren in Verhandlungen über neue Geschäftsmodelle. Hier geht es insbesondere um die Ausgestaltung der Rollen der Beteiligten, sprich Händler und Hersteller oder Importeur. Wichtig für uns ist es, dass die Fabrikatshändler weiterhin auf Augenhöhe mit den Importeuren und Herstellern arbeiten können und dass fabrikatsgebundener Handel und Service auch in neuen Geschäftsmodellen eine gute Zukunft haben. Der Handel muss eine auskömmliche Vergütung erhalten und in der Lage sein, sich zu refinanzieren sowie in die Zukunft und die damit verbundenen neuen Technologien zu investieren. Für die Verhandlungen mit den Herstellern und Importeuren unterstützt der ZDK die Fabrikatshändlerverbände mit seinem Know-how.
AH: Was wünschen Sie dem ZDK, dem Auto-Verbandswesen für die Zukunft? Was sollte, was muss sich strukturell verändern?
J. Karpinski: Die Verbandsorganisation wird sich positiv weiterentwickeln, weil eine starke Interessenvertretung für Handel und Werkstatt gerade in Zeiten ausgeprägter Transformation unabdingbar ist. Dieser Antrieb erwächst aus den Aufgaben, die sich uns stellen. Dazu werden mein Nachfolger, der Vorstand sowie das Haupt- und Ehrenamt auf allen Stufen der Verbandsorganisation gemeinsam sorgen. Ich wünsche allen Beteiligten entsprechende Weitsicht, viel Kraft und Erfolg.
AH: Herzlichen Dank für das Gespräch!