Das Bundesumweltministerium verzichtet vorerst auf die umstrittenen Pläne für eine Kennzeichnung umweltfreundlicher Dieselfahrzeuge. "Wir haben die blaue Plakette für niedrige Stickoxidemissionen jetzt erst einmal auf Eis gelegt", sagte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine Arbeitsgruppe der Verkehrsministerkonferenz werde bis zum Herbst Alternativvorschläge ausarbeiten. Diese warte man erst einmal ab. "Wir sind offen für Alternativen", betonte Flasbarth.
Die blaue Plakette sollten nach den bisherigen Vorstellungen von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) moderne Dieselfahrzeuge mit einem geringen Schadstoffausstoß bekommen. Auf diese Weise sollte es den Kommunen ermöglicht werden, in besonders belasteten Gebieten lokale Fahrverbote für Fahrzeuge ohne die Plakette zu erlassen.
Das Vorhaben stößt im CSU-geführten Bundesverkehrsministerium auf Widerstand. Ressortchef Alexander Dobrindt vertritt die Auffassung, es sei wirkungsvoller, bei Fahrzeugen anzusetzen, die sich ständig im Stadtverkehr befinden, etwa Taxen, Busse oder Behördenfahrzeuge.
Ungeachtet des Zugehens auf die Kritiker blieb Staatssekretär Flasbarth nun dabei, dass es notwendig sei, Abgase zu reduzieren. Es gehe "nicht um eine Marotte von Umweltschützern", sondern um die Gesundheit der Menschen in den Innenstädten. "Mindestens 400.000 Menschen in Deutschland sind davon direkt betroffen, weil sie an viel befahrenen Straßen wohnen." In etwa 80 deutschen Städten würden derzeit die Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten.
Kfz-Gewerbe begrüßt Stopp
Als Sieg der Vernunft wertet der Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) die Entscheidung des Bundesumweltministeriums. Eine Blaue Plakette hätte dazu geführt, die Mobilität von über 13 Millionen Fahrern mit Diesel-Pkw einzuschränken. Dazu zählten auch fast sechs Millionen Diesel, die nach Euro-5-Norm zugelassen worden seien, so ein ZDK-Sprecher.
Es sei noch nicht lange her, dass die Politik die Verbraucher zum Kauf von sparsamen Dieselfahrzeugen aufgerufen habe, um den CO2-Ausstoß insbesondere in den Städten wirksam zu bekämpfen. Wer etwa als Berufspendler auf die Sparsamkeit und Langlebigkeit des Dieselantriebs setze und die höheren Kosten durch eine entsprechend lange Nutzung amortisieren wolle, hätte mit Wertverlust beim Verkauf seines Fahrzeugs rechnen müssen. Diese Entwicklung würde auch das Kfz-Gewerbe treffen. Der ZDK fordere daher eine Politik mit Augenmaß, die neben berechtigten Umweltanliegen auch die Mobilitätsbedürfnisse sowie auf Treu und Glauben getroffene Investitionsentscheidungen der Steuerzahler berücksichtige.
Umweltschützer erbost
Umweltschützer haben verärgert auf das vorläufige Aus für die Blaue Plakette für schadstoffarme Diesel-Autos reagiert. "Es ist enttäuschend, dass das Umweltministerium dem Druck der Autolobby nachgeben will", sagte BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg am Mittwoch. Nur mit der Plakette, die die Umweltminister der Länder im April erbeten hatten, könnten Städte Fahrzeuge mit hohem Stickoxidausstoß aus stark belasteten Gebieten fern halten.
"Die Autokonzerne setzen sich in Sachen Luftreinhaltung einmal mehr durch", sagte der Präsident der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, der Deutschen Presse-Agentur. Diesel-Fahrzeuge aus den Innenstädten auszusperren, würde dazu führen, dass die Konzerne nachrüsten. "Der Abgasskandal wäre eine hervorragende Chance für die Bundesregierung gewesen, sich von der Industrie zu emanzipieren", sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Andree Böhling. Diese Möglichkeit werde aber verschlafen. (dpa/se)