Neue Katalysatoren lassen sich in alte Dieselautos nach Überzeugung des Umweltbundesamts (UBA) sehr viel günstiger einbauen als vom Bundesverkehrsministerium angenommen. Behördenchefin Maria Krautzberger erklärte, solche Nachrüstungen an der Abgas-Hardware schmutziger Fahrzeuge könnten im Schnitt schon für jeweils 2.000 bis 3.000 Euro möglich sein.
Dies sagte sie dem "Spiegel" mit Blick auf eigene Untersuchungen ihres Hauses. Eine Analyse von fünf Professoren im Auftrag des Verkehrsministeriums hatte dagegen jüngst eine Größenordnung von mehr als 5.000 Euro pro Auto ergeben.
Krautzberger betonte, Umrüstungen auf moderne Katalysatoren (SCR), die mit Harnstoff und AdBlue-Zusätzen arbeiten, würden deutlich weniger Geld erfordern. "Wir gehen außerdem davon aus, dass nur Diesel-Pkw in Städten mit besonders schlechter Luft nachgerüstet werden müssen."
In solchen Kommunen drohen Besitzern älterer Wagen Fahrverbote. Ein Grund der stark abweichenden Kostenschätzungen im Vergleich zu dem Wissenschaftler-Gutachten für das Verkehrsressort erkläre sich wohl "dadurch, dass Händlerpreise statt Einkaufspreise für die Kalkulation der Einzelkomponenten zugrunde gelegt wurden".
Scheuer gegen Hardware-Nachrüstung
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer lehnt Eingriffe an der Hardware alter Dieselfahrzeuge ab. Er setzt stattdessen - wie die Autobranche - auf Software-Updates. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bekräftigte der CSU-Politiker: "Meiner Einschätzung zufolge ist der Effekt von Hardware-Nachrüstungen unzufriedenstellend. Es gibt technische, rechtliche und finanzielle Bedenken. In die alte Diesel-Flotte zu investieren, ist nicht nur eine Investition in die Vergangenheit, sondern braucht auch unglaublich lange Zeit, nämlich eineinhalb bis drei Jahre."
In dem Forschergutachten waren auch Warnungen vor möglichen "Qualitätseinbußen und Kraftstoffmehrverbrauch" enthalten. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) forderte hingegen Eingriffe an der Abgas-Hardware auf Kosten der Hersteller. Umstritten bleibt, welche Summen für Umbauten an Motorsteuerung oder Abgasanlage nötig sind, welche Folgen dies für die Zulassung hätte und für welche Modelle es technisch überhaupt umsetzbar wäre.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte eine Kostenbeteiligung des Staates an möglichen technischen Nachrüstungen vor kurzem abgelehnt. Er könne sich nicht vorstellen, Steuergelder hierfür zu mobilisieren. Dies sei eine privatwirtschaftliche Angelegenheit.
Die Autoren der Studie für das Ministerium hatten argumentiert, schon Software-Updates brächten "eine signifikante Verbesserung". Diese könnten zudem "deutlich schneller und überdies flächendeckend im Realverkehr wirksam werden". In einem anderen Gutachten schrieb Georg Wachtmeister von der Technischen Universität München indes, Umbauten an Motoren von Euro-5-Fahrzeugen seien "mit verträglichem Aufwand möglich". Genannt wurden hier Kosten von rund 3.000 Euro pro Auto.
Die große Koalition setzt auf das Programm "Saubere Luft". Damit sollen die Schadstoff-Grenzwerte in den Städten gesenkt werden. Vorgesehen sind etwa Umrüstungen von Bussen oder eine bessere Taktung des Nahverkehrs. Das Programm sieht Mittel von einer Milliarde Euro vor, davon kommen 250 Millionen Euro von den deutschen Autobauern.
VW's Herausforderungen: Winterkorn, Lieferengpässe & Co
Bei Volkswagen, das den Abgasskandal 2015 durch Manipulationen in den USA ausgelöst hatte, geht derweil die Aufarbeitung weiter. Ex-Chef Martin Winterkorn wurde in den USA angeklagt, inzwischen gibt es dort auch einen Haftbefehl wegen Verdachts auf Betrug und Verschwörung.
Die US-Klage hat laut Konzernkreisen die Rechtslage für das Unternehmen nicht verändert. Dennoch sei es auch für die zivilrechtlichen Verfahren vergleichsweise wichtig, was Winterkorn in der Abgasaffäre gewusst habe und was nicht, sagte eine informierte Person der Deutschen Presse-Agentur.
Denn auch im Fall der Kundenklagen werde vorgetragen, dass Winterkorn erst im September 2015 zweifelsfrei von den Diesel-Manipulationen erfahren habe. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen ehemalige und aktuelle VW-Mitarbeiter, etwa wegen Betrugs und Marktmanipulation.
Die Umstellung auf den neuen Abgas-Teststandard WLTP könnte bei VW zu Lieferengpässen führen. Wenn der Prüfzyklus zur Bestimmung von Verbrauch sowie Schadstoff- und CO2-Emissionen eingeführt wird, seien in der zweiten Jahreshälfte bei der Kernmarke "Anpassungen in der Produktion" möglich, teilte das Unternehmen mit. Man könnte gezwungen sein, einen Teil der normalen Abläufe wegen zusätzlichen Aufwands umzuplanen. Laut einem Bericht denkt die VW-Führung über kürzere Werksferien nach. Nach dpa-Informationen geht es allerdings vor allem um mögliche Lieferengpässe. (dpa)
Alois Heissenberger