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Dragster-Rennen: Motorsport auf Amerikanisch

05.11.2015 09:00 Uhr
Die Teams haben ihre komplette Werkstatt in Lkw dabei, eine Boxengasse gibt es nicht.
© Foto: Mopar

Die Rennstrecke ist nur gut 300 Meter lang, und nach wenigen Sekunden ist der Spaß vorbei. Was bleibt, sind ein Dröhnen in den Ohren, 60 Liter verbrannter Treibstoff und eine begeisterte Fangemeinde, die zu jedem Dragster-Rennen kommt.

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Ein Rallyelauf zieht sich über ein ganzes Wochenende, in der Formel 1 dauert ein Rennen gut anderthalb Stunden und die DTM-Fahrer sind immerhin rund sechzig Minuten unterwegs – was bei uns eine große Fangemeinde findet, dauert für den amerikanischen Geschmack viel zu lang. Jenseits des großen Teichs stehen die nach dem zweiten Weltkrieg aufgekommenen Dragster-Rennen hoch im Kurs, sie dauern nur wenige Sekunden. Schließlich geht es nur um eins: Beschleunigung.

Zwei Dutzend Mal pro Saison lässt die "National Hot Rod Association" über die ganze USA verteilt die Motoren aufheulen und lockt hunderttausende von Zuschauern an den nicht mal eine Meile langen Strip – an diesem Woche in der Wüstenglitzerstadt Las Vegas. Viel mehr als diese zweispurige, gerade Strecke braucht es für ein Drag Race nicht: Die Teams haben ihre komplette Werkstatt in Lkws dabei, eine Boxengasse gibt es nicht. Die Zuschauer sind mitten drin in diesem mobilen Pitwalk und können den Mechanikern über die Schulter schauen, wenn sie die PS-Monster auf Vordermann bringen. Und das ist an einem Renntag mehr als einmal nötig.

Drei Klassen gehen traditionell an den Start. Die Pro-Stock-Cars haben mit einem herkömmlichen Auto noch die meiste Ähnlichkeit und sind mit gut 1.500 PS die harmlosesten im Feld; sie fahren als einzige noch die Viertel-Meilen-Distanz. Für die beiden stärkeren Klassen wurde die Strecke nach einem tödlichen Unfall im Jahr 2008 auf 1000 Fuß (304,8 Meter) reduziert - für die sie knapp über drei 3,8 Sekunden brauchen und teilweise über 500 km/h erreichen. Möglich machen es das leichte Gewicht (knapp über 500 Kilogramm) und ein gut acht Liter großer, aufgeladener V8, der mehr als 10.000 PS (!) entwickelt; rund 700 davon braucht allein der Kompressor. Eine Drehmomentangabe ist offiziell gar nicht möglich, da es keine Messmethode gibt.

Acht Meter Radstand

Während die Autos der mittleren Klasse, die sogenannten Funny Cars, ebenfalls noch über eine serienähnliche Karosserie verfügen und den Motor vorne montiert haben, fährt die Top-Fuel-Klasse in unverkleideten Dragstern mit gut acht Metern Radstand, der für den nötigen Geradeauslauf sorgt. Aus Sicherheitsgründen ist der Motor hier hinter dem Fahrer montiert. "Der Motor allein kostet gut 100.000 US-Dollar", erklärt Dale Aldo, der Motorsport Marketing Manager von Mopar. Die hauseigenen Zubehör- und Tuningabteilung des Fiat-Chrysler-Konzerns ist das amerikanische Pendant zu Mercedes‘ AMG oder BMWs M und fährt mit ihren Teams in der Dragster-Serie ganz weit vorne mit.

Und genau dieser sündhaft teure Motor (er macht gut 40 Prozent der Gesamtkosten eins Dragsters aus) muss im Grunde nach jedem Lauf neu aufgebaut werden. Denn in den wenigen Sekunden des Rennes wirken schlagartig schier unvorstellbare Kräfte aufs Material - und auch auf den fest in seinem Sitz verzurrten Fahrer: Er und sein Körper müssen mit einer Beschleunigung von rund vier G zurechtkommen - beziehungsweise minus sechs G, wenn die Bremsfallschirme entfaltet werden. Anders wären die Boliden nicht zu stoppen.

Kupplung erst nach 300 Metern loslassen

Wie der Fahrer hat auch der Motor - falls beide das Duell gewinnen - nicht einmal eine Stunde Zeit, sich zu erholen. Dann geht es schon zum nächsten Lauf, bis am Ende der Champion fest und auf dem Podest steht, und zu den pathetischen Klängen der amerikanischen Nationalhymne den Sieger-Pokal entgegen nehmen kann. Doch damit das klappt, müssen an dem Höchstleistungsaggregat nicht nur Zylinder, Ventile, Lager und Zündkerzen jedes Mal komplett ersetzt werden. Auch das Öl ist unbrauchbar und die Kupplung erst recht – sie ist eine der Achillesfersen eines Dragsters, denn: Nur mit ihr reguliert der Fahrer, der sobald die Ampel auf grün schaltet Vollgas gibt, die Leistung. Würde die gesamte Kraft von Beginn an über die Hinterräder herfallen, wäre an ein Fortkommen nicht zu denken. Die Energie würde in einem Burnout verpuffen - wie er übrigens vor jedem Start nötig ist, um die Pneus einigermaßen auf Betriebstemperatur zu bringen. Erst nach knapp 300 Metern lässt der Fahrer die Kupplung des Eingang-Getriebes komplett los – und 20 Meter später ist das Rennen schon vorbei.

Fährt der Dragster über die Ziellinie, sind auch gut 16 Gallonen Sprit verbrannt worden, also mehr als 60 Liter. Allerdings fahren Top-Fuel-Dragster und Funny Cars nicht mit herkömmlichen Benzin, sondern mit Nitromethan, das ohne Sauerstoff verbrennen kann und direkt mit bis zu fünf bar Druck in die Brennkammern gepresst wird. Der bei der Verbrennung frei werdende Wasserstoff verbrennt in teils meterlangen Auspuffflammen - und ist neben dem ohrenbetäubenden Lärm, der ohne Schutz kaum auszuhalten ist, wohl einer der besten Showeffekte der Dragster-Rennen. Allerdings auch einer, den man noch einige Zeit in Nase und Augen spüren kann. Da soll noch jemand sagen, von einem Dragster-Rennen hätte man nicht länger was. (sp-x)


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