Nach monatelangem Streit über die Pkw-Maut bahnt sich ein überraschender Durchbruch zwischen Deutschland und der EU-Kommission an. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) setzt auf eine baldige Einigung, die allerdings Änderungen an dem bereits beschlossenen Modell erzwingen würde. Bei Gesprächen habe es "sehr weitreichende Fortschritte" gegeben, teilte die EU-Kommission am Donnerstagabend in Brüssel mit. Wegen der ursprünglichen Pläne hatte die EU-Kommission Ende September eine Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angekündigt.
Dobrindt sagte: "Wir bewegen uns aufeinander zu, und ich bin sehr zuversichtlich, dass die Einigung mit der EU-Kommission im November steht." Eine Kommissionssprecherin erklärte ebenfalls: "Wir sind sehr zuversichtlich, dass letzte noch offene Fragen im Laufe des November zur Zufriedenheit der Kommission und der Bundesregierung geklärt werden können." Zuerst hatte die "Bild"-Zeitung (Freitag) darüber berichtet.
Nach Angaben aus EU-Kreisen sehen die bislang getroffenen Absprachen vor, dass das deutsche Mautgesetz in einigen Punkten geändert wird. Dabei gehe es unter anderem darum, günstigere Kurzzeit-Tarife für Pendler und Touristen aus dem EU-Ausland einzuführen, hieß es. Zudem solle die 1:1-Kompensation für deutsche Autofahrer bei der Kfz-Steuer angepasst werden. Die neuen Pläne sehen demnach vor, die versprochene Steuerentlastung an den Schadstoffausstoß zu koppeln. Die Halter besonders umweltfreundlicher Fahrzeuge könnten demnach das 1,2-fache der von ihnen gezahlten Maut als Steuererleichterung erhalten.
Die EU-Kommission hat bisher moniert, dass die vorgesehene 1:1-Entlastung für deutsche Autofahrer gleichbedeutend mit der Diskriminierung von EU-Ausländern sei. Dobrindt wies die Vorwürfe damals zurück und betonte: "Unser Maut-Modell entspricht den EU-Regeln." Für die Zugeständnisse könnte die EU-Kommission auf das angekündigte EuGH-Verfahren verzichten. An den letzten Texten für die Einigung werde derzeit gearbeitet, hieß es in Brüssel.
Wie lange es dauern wird, um die notwendigen Gesetzesänderungen umzusetzen, blieb zunächst unklar. Das Maut-Paket ist eigentlich längst beschlossen. Das Modell sieht vor, dass inländische Autobesitzer auf Autobahnen und Bundesstraßen eine "Infrastrukturabgabe" zahlen sollen, Pkw-Fahrer aus dem Ausland auf Autobahnen. Nach Abzug der Systemkosten sollen jährlich 500 Millionen Euro hereinkommen.
ADAC fordert Garantien
Angesichts steigender Chancen auf eine Einführung der Pkw-Maut pocht der ADAC auf Einhaltung der Zusagen für deutsche Autofahrer. Sollte eine Maut tatsächlich Realität werden, müsse es verbindliche Garantien geben, forderte ein ADAC-Sprecher am Donnerstagabend: "Keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer, keine Ungerechtigkeiten zwischen den europäischen Autofahrern und jede Mehreinnahme muss zweckgebunden in die Zukunft der Mobilität investiert werden." Nach den Vorgaben des Koalitionsvertrags von Union und SPD sollen deutsche Autofahrer nicht draufzahlen müssen.
Auch die Grünen reagierten skeptisch. Entweder werde das Modell vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern oder deutsche Autofahrer würden draufzahlen, weil es keine 1:1-Kompensation für sie geben werde, sagte der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der "Berliner Zeitung" (Freitag). "Damit wäre das zentrale Versprechen von Union und SPD gebrochen", so Hofreiter. Er forderte Dobrindt auf, sich nicht schon wieder mit dem populistischen Thema Maut zu beschäftigen, sondern mit wichtigeren Dingen wie der Aufklärung des Diesel-Skandals.
Bislang hieß es, dass sowohl In- als auch Ausländer Maut zahlen müssen, doch nur Inländer würden im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entlastet - und zwar auf den Cent genau in Höhe der Maut. Der Vorwurf aus Brüssel lautete, das deutsche Maut-Modell benachteilige EU-Ausländer. Dobrindt sagte zu "Bild", er wolle das Verursacherprinzip stärken und versprach einen "echten Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung". Nun wird diskutiert, dass Besitzer besonders umweltfreundlicher Autos sogar etwas mehr Steuer-Entlastung bekommen könnten als sie Maut zahlen. Das könnte als Umweltförderung deklariert werden und damit ein Stück weiter von einer direkten Maut-Kompensation wegrücken. (dpa)