Von Martin Fischer, dpa
Als erste Stadt Deutschlands hat Hamburg Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge in Kraft gesetzt, um die Belastung der Bürger durch gesundheitsschädliche Stickoxide zu reduzieren. Fahrzeuge, die nicht der Euro-Norm 6 entsprechen, dürfen seit Donnerstag auf Abschnitten zweier besonders belasteter Straßen im Bezirk Altona nicht mehr fahren. Anwohner und Anlieger sowie Linienbusse haben weiterhin freie Fahrt.
Eine Abnahme des Verkehrs auf den betroffenen Strecken war am Donnerstag zunächst nicht zu erkennen. Die Polizei errichtete auch keine Kontrollstellen. Zunächst wolle man nur stichprobenartig die Schadstoffnorm der Fahrzeuge überprüfen, sagte der stellvertretende Leiter der Verkehrsdirektion, Karsten Wegge. Auch würden erst einmal keine Verwarn- oder Bußgelder verhängt. Später werden 25 Euro für Pkw und 75 Euro für Lkw fällig.
Wie lange die bußgeldlose Phase andauert, sagte Wegge nicht, kündigte aber Großkontrollen an, die noch in Planung seien und sich aufwendig gestalten dürften. "Man muss in den Fahrzeugschein schauen." Betroffen sind Hunderttausende Diesel-Fahrzeuge von Hamburgern, Pendlern, Berufskraftfahrern und Reisenden. Ende vergangenen Jahres erfüllten laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) allein von den in Hamburg angemeldeten 264.406 Diesel-Pkw nur 96.356 die sauberste Euro-6-Norm.
Anwohner sind sauer
Bei den Anwohnern reichten die Reaktionen an Tag eins des Fahrverbots von Desinteresse bis blanke Wut. Fahrzeuge, die von den Verboten betroffen sind, werden über eine weitere Strecke umgeleitet und blasen mithin mehr Stickoxid in die Luft. Dass dies den Bürgern schwer zu vermitteln ist, räumte auch Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) ein. Der entscheidende Punkt sei der Grenzwert, ab dem das giftige Gas für Menschen – vor allem für ältere und solche mit Atemwegserkrankungen – gefährlich werde. "Deshalb ist nicht der Schadstoffausstoß insgesamt zu sehen, sondern die Konzentration dort, wo sie Menschen schädigt."
Die Durchfahrtsbeschränkungen seien nie Ziel des rot-grünen Senats gewesen. "Aber an diesen Straßen sind sie notwendig, weil alle anderen Maßnahmen nicht greifen", sagte er. Der Staat sei schließlich zum Schutz der Bürger verpflichtet und dürfe gar nicht anders handeln, nachdem das Bundesverwaltungsgericht Dieselfahrverbote im Februar im Grundsatz für zulässig erklärt hatte.
An Kritik mangelt es nicht. Während Umweltschützern die Fahrverbote noch nicht weit genug gehen, werfen CDU- und FDP-Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft dem Senat eine ideologisch geprägte und gegen den Autoverkehr ausgerichtete Politik vor.
"Lachnummer" in Deutschland
Der Handelsverband Deutschland warnte vor "großen Risiken für vitale Innenstädte und den Einzelhandel vor Ort" durch das Fahrverbot. Der Steuerzahlerbund nennt es einen "Schildbürgerstreich". "Zwar setzt der Senat mit den Dieselfahrverboten lediglich rechtliche Vorgaben um, dennoch wird Hamburg dadurch zur deutschlandweiten Lachnummer", meinte der Landesvorsitzende Lorenz Palte.
Umweltsenator Kerstan ist sich der Hamburger "Signalwirkung" durchaus bewusst, glaubt aber nicht, lange allein zu bleiben. "Ich bin mir sicher, dass bald weitere Städte folgen werden."