Um den am Seeufer geparkten Kastenwagen rollt, schwimmt und fliegt eine kleine Flotte Roboter und Drohnen scheinbar ziellos am Wasser entlang. Worum es sich bei dieser sonderbaren Truppe handeln könnte, wird auch nach einem Blick in den Innenraum eines umgebauten Hyundai Staria nicht sofort klar. Der schwarze Kleinbus ist vollgepackt mit technischer Ausrüstung, Kabel hängen von einer auffälligen weißen Röhre auf dem Dach.
Eine junge Frau sitzt an einem kleinen Schreibtisch im Fahrzeug und verfolgt das Geschehen über einen großen Monitor. Auf einmal steuert der gelbe Landroboter auf eine im Kies liegende Flasche. Mit dem weißen Greifarm packt er sie und lässt diese im kleinen Eimer auf der Ladefläche verschwinden. Die Frau an Bord des Hyundai lächelt zufrieden: Demonstration gelungen.
Anna Adamczyk ist Wissenschaftlerin und arbeitet an der TU München am sogenannten SVan-Projekt, bei dem es sich um Umweltrobotik und deren konkreten Einsatz dreht. SVan steht für "Synchroner Team-Roboter-Van" und ist der Name für den Prototyp, der vor uns steht. Der Hyundai transportiert nicht nur die Geräte zum Einsatzort. An Bord untergebracht sind moderne Hochleistungsrechner und Steuerungstechnik, eine Art mobile Kommandozentrale für die eingesetzten Roboter. Die Mission: Abfälle oder Schadstoffe in der Natur aufspüren und beseitigen.
Forschungsprojekt SVan
BildergalerieAusgedacht und entwickelt wurde der SVan von einem Team unter der Leitung des Robotik-Experten Prof. Dr. Sami Haddadin. Der Niedersachse mit jordanisch-finnischen Wurzeln widmet sich mit seiner Forschung schwerpunktmäßig Robotersystemen und künstlicher Intelligenz. Unterstützt wurden die Forscher von der Hyundai Motor Company. Der koreanische Konzern interessiert sich seit geraumer Zeit nicht mehr nur um Automobile, sondern investiert gezielt in Organisation und Start-Ups aus Bereichen wie künstliche Intelligenz, Robotik oder Energielösungen. Aufsehen erregte Hyundai 2021 mit der Übernahme von Boston Dynamics, die für ihre spektakulären Roboter in Menschen- oder Hundegestalt bekannt sind. Die Erhaltung und Wiederherstellung von Naturräumen durch Müllbeseitigung – wir haben hier gewaltige Aufgaben vor uns, beschreibt Prof. Haddadin die Ausgangslage. "Doch der Globus ist zu groß, dass Menschen diese Aufgabe allein bewältigen. Wir brauchen maschinelle Unterstützung, eine Art künstliches Immunsystem für die Natur, um mit diesen Herausforderungen fertig zu werden."
Das künstliche Immunsystem des SVan besteht aus dem Staria als mobilen Hub sowie mehreren Guardians – so nennen die Wissenschaftler die Luft-, Boden- und Wasser-Roboter, die mit Kameras, Greifarmen und anderen Sensoren bestückt sind. Jeder Guardian bringt spezielle Fertigkeiten mit, die einzeln oder im Verbund gegen Verschmutzung vorgehen können. Eine Flugdrohne liefert Bilder des zu überwachenden Gebiets aus der Vogelperspektive und meldet potenzielle Objekte. Ein Landroboter mit Greifarm und Behälter kann sich diesen nähern und sie im Idealfall unschädlich machen. Und für Müll im und unter Wasser, kommt ein Mini-Uboot zum Einsatz.
Der Clou ist an Bord des Fahrzeugs
Der Clou des SVan-Projekts befindet sich an Bord des Fahrzeugs. Dort steht der Hochleistungsrechner, der die unterschiedlichen Guardians teils autonom, teils noch mit menschlicher Hilfe steuert und koordiniert und so zu einem intelligenten Gesamtsystem verbindet. Leistungsfähige Roboter für speziellen Einsatz gibt es viele. Dass sie jetzt auch im Verbund gemeinsam eine Aufgabe erledigen können, ist erst durch den Einsatz der universellen Softwareplattform der Münchner Wissenschaftler möglich, dank mobilem 5G-Funk auch aus der Distanz von irgendeinem Standort in der Welt. So müssen Umweltschützer weder Robotik-Experten noch unmittelbar vor Ort sein, um die Guardians einzusetzen. Das reduziert den logistischen Aufwand erheblich.
Von der Idee bis zur Umsetzung sind bisher rund vier Jahre vergangen. "Jetzt arbeiten wir an einer skalierbaren Lösung, die für Industriepartner interessant ist", verweist Robotik-Experte Haddadin auf den anstehenden Projektabschnitt. "Der SVan bildet die Grundlage zur Entwicklung konkreter Anwendungen und neuer Dienstleistungen. Ich denke, dass wir in fünf bis sechs Jahren so weit sind und mit einem Start-Up in den Markt gehen können." Ob zur Minenräumung, Entfernung von Geisternetzen in Gewässern oder Reinigung kontaminierter Regionen: die Liste denkbarer Einsatzgebiete ist lang. Doch inwiefern hier der Keim für das nächste Milliarden-Unternehmen im Stil von Boston Dynamics steckt, wird erst die Zukunft bringen.