Obwohl das Corona-Jahr 2020 auch für Mahle spürbare Einschitte mit sich brachte, kam das Aftermarket-Geschäft gut durch die Krise: 898 Millionen Euro Umsatz konnte der Zulieferer in diesem Segment verbuchen, 5,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Das teilte Mahle auf der heutigen Aftermarket-Pressekonferenz in Stuttgart mit. Laut Olaf Henning, Mitglied der Konzernleitung und Leiter des Bereichs Aftermarket, konnten gerade die Bereiche Service Solutions (Werkstattausrüstung) und Thermomanagement zulegen. Dank der positiven Entwicklung der Geschäftszahlen bis Juli rechnet Mahle zudem mit einem Wachstum im Jahr 2021.
Um das zu erreichen, sollen künftig vier Strategiefelder im Mittelpunkt stehen: die Digitalisierung von Leistungen, Informationsangeboten und Prozessen, die Erschließung neuer Geschäftsfelder für die Werkstätten und der Ausbau der Bereiche Thermomanagement sowie Werkstattausrüstung. "Unsere Kompetenz als Erstausrüster ermöglicht es uns, Markt- und Technologietrends frühzeitig zu antizipieren und ein wachsendes Portfolio aus dem Bereich der Strategiefelder des Konzerns für die freien Werkstätten zu erschließen", so Henning. Der Konzern setzt dabei auf einen Dreiklang aus E-Mobilität, brennstoffbetrieben Fahrzeugen und intelligenten, mit nicht-fossilen Kraftstoffen betriebenen Verbrennern.
Digitalisierung birgt großes Marktpotenzial
Das Thema Digitalisierung birgt für Mahle großes Marktpotenzial, hier sollen in den nächsten drei Jahren 16 Millionen Euro investiert werden. Diese sollen sowohl in Informationsangebote fließen, die die Werkstätten sicher durch die Transformation führen, als auch in Digitalisierung und Automatisierung von Logistikprozessen. Henning sieht hier auch die Fahrzeughersteller in der Pflicht, die einen diskriminierungsfreien Zugang zu Fahrzeugdaten für die Partner bereitstellen müssen. Mahle ist deshalb der Datenplattform Caruso beigetreten, um neue Geschäftsmodelle für die Werkstatt der Zukunft zu entwickeln. Ein konkretes Projekt sei es beispielsweise, dass der Autofahrer Werkstatttermine digital über das Auto buchen können. Hier stehe die Industrie erst am Anfang und befinde sich noch in der Lernphase.
Thermomanagement wird wichtig
Auch die Themen Diagnose, Kalibrierung von Fahrerassistenzsystemen und das Thermo- sowie Fluidmanagement nehmen einen immer höheren Stellenwert ein. Letzteres ist besonders bei alternativen Antrieben, allen voran mit Wasserstoff betriebenen und Elektrofahrzeugen, interessant, denn die Autos müssen immer in einem bestimmten Temperaturbereich ("Tempering") gehalten werden, damit ihre Funktion sichergestellt ist. Das betrifft zum Beispiel die Batterie oder Leistungselektronik eines Fahrzeugs, aber auch Brennstoffzellen müssen in einem gewissen Temperaturfenster gehalten werden. Durch die Komplexität der verschiedenen Kühlkreisläufe sieht Mahle hier ein großes Potenzial für die Zukunft. Es sind auch Servicegeräte für diese Fahrzeuge geplant. Schon jetzt hat der Hersteller mit dem Tech Tool eine Plattform entwickelt, auf der sich Informationen zum Klimaservice und Thermomanagement sowohl für Anfänger als auch Profis abrufen lassen. Tech Tool läuft auf Tablets und Smartphones, ist in 14 Sprachen erhältlich und lässt sich auch als Fortbildungsinstrument bei der Reparatur verwenden. Durch die Übernahme von Behr Hella Service (BHS) im Jahr 2018 bekommen Werkstätten zudem alle Thermomanagement-Produkte aus einer Hand.
Ein weiteres wichtiges Thema für Mahle ist die Filtration. Laut eigenen Angaben hat der Hersteller bereits 200 verschiedene Filter für den Innenraum von E-Fahrzeugen, 80 Öl- und Kraftstofffilter für Hybridfahrzeuge und 70 Filter für Brennstoffzellen- und Hybridfahrzeuge entwickelt. Aber auch im Bereich Luftführung, Leistungselektronik und bei Wärmetauschern sieht sich Mahle gut aufgestellt. Durch die zunehmende Durchdringung des Marktes mit E-Autos sind auch Onboard-Lader ein Thema: Die Bauteile wandeln Wechsel- in Gleichstrom um, was beim Tanken der Stromer an Wallboxen relevant ist. Die Onboard-Lader von Mahle sollen dabei eine hohe Leistungsdichte bei gleichzeitigem Schutz gegen Überhitzung und Überspannung bieten.
Weiterentwicklung des ADAS-Kalibriersystems
Im Bereich Werkstattausrüstung verwies Alexander Kutsch, Vice President Global Production System & Factory Digitalization, auf zahlreiche Neuerungen in den Bereichen Kalibrierung Fahrerassistenzsysteme, Getriebespülung und Klimaservice. Die neue Version der ADAS-Kalibrierung TechPro Digital ADAS 2.0 erlaubt eine vollautomatische Kalibrierung der Fahrassistenzsysteme in weniger als einer Minute. Mit dem Einzug des teilautonomen Fahrens und Funktionen wie Spurhalte- oder Bremsassistenten gewinne dieser Bereich zunehmend an Bedeutung.
Im Vergleich zum bereits verfügbaren ADAS-Kalibrierungs-Tool TechPro Digital ADAS, das bei der Vorstellung vor zwei Jahren aufgrund der projizierten Kalibriertafeln für Aufsehen sorgte, sind beim neuen System kaum mehr manuelle Handgriffe nötig - das Sytem automatisiert den Kalibrierprozess nahezu komplett. Der Mitarbeiter muss jetzt nur noch die Radklemmen anbringen, die digitale Kalibriertafel vor dem Fahrzeug platzieren und die Laserentfernungsmesser in Position bringen. Den Rest übernimmt das ADAS 2.0 auf Knopfdruck selbstständig. Dazu hat Mahle Lasermeter entwickelt, die selbst die Distanzen messen und per Bluetooth die Messdaten an das Diagnosegerät weitergeben. Die Kalibriertafel geht vor der Kamera oder dem Sensor vollautomatisch in die richtige Position. Das neue System soll auf der Automechanika im Rahmen der digitalen Messepräsenz von Mahle vorgestellt werden. Für Werkstätten, die bereits das Vorgängermodell TechPro ADAS nutzen, soll es ein Upgrade-Kit geben.