Bekommen künftig die Fahrzeughersteller den bevorzugten Zugriff auf fahrzeugrelevante Daten für Telematikanwendungen und damit eine Monopolstellung? Diese Frage beherrschte die Gespräche beim GVA-Kongress an diesem Mittwoch in Hannover, den der Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) ausrichtet. Am Vortag fand in Hannover die GVA-Jahresmitgliederversammlung statt.
Im Kern geht es um die wettbewerbsneutrale Ausgestaltung der Datenschnittstelle im vernetzten Fahrzeug. Denn wer Zugriff auf die Fahrzeugdaten hat, bekommt den direkten Zugang zum Kunden und kann darauf neue Geschäftsmodelle aufbauen, beispielsweise dem Fahrer proaktive Sicherheitshinweise oder anstehende Servicetermine aufs Display schicken. "Das
Tor zu diesem Markt sind die vernetzungsrelevanten Schnittstellen im Auto. Wer hierzu nicht den passenden Schlüssel hat, dem droht, dass er aus dem Geschäft gedrängt wird", warnte GVA-Präsident Hartmut Röhl vor den rund 250 Teilnehmern. Hintergrund dieser Befürchtung ist der Anspruch der Fahrzeughersteller, den exklusiven Zugriff auf die Daten zu erhalten oder zumindest in einer Art "Gatekeeper"-Funktion die Kontrolle über den Zugriff auszuüben. Davor fürchtet sich nicht nur der herstellerunabhängige Servicemarkt, sondern auch deren Teilelieferanten.
Der internationale Dachverband des Kfz-Teile-Großhandels FIGIEFA hat mit der "Open Telematic Platform" ein Modell vorgestellt, das den Datenzugriff diskriminierungsfrei ermöglichen soll. "Wir erwarten, dass alle Daten über den Betriebszustand des Fahrzeugs im Fahrzeug selbst abrufbar bleiben und an einen neutralen Server geschickt werden, auf die alle interessierten Parteien Zugriff haben, Hersteller, Versicherungen oder auch Werkstätten", betonte Röhl im Rahmen einer Pressekonferenz. Der Fahrzeughalter müsse entscheiden, wohin seine Daten jeweils gehen.
Rechtliche Regelung noch nicht geklärt
Wie der Zugriff auf die Telematikdaten rechtlich geregelt werden soll, darum wird derzeit in Brüssel heftig diskutiert. Der EU-Kommission fällt durch die sogenannte "ECall-Verordnung" EU 2015/758, die am 8. Juni 2015 in Kraft getreten ist, die Aufgabe zu, nach ausführlicher Diskussion mit allen Marktteilnehmern die Anforderungen für eine "interoperable, standardisierte, sichere und frei zugängliche Schnittstelle" im Fahrzeug zu schaffen – so steht es im Verordnungstext.
Wie wichtig das Thema für den freien Teilemarkt ist, zeigt die Tatsache, dass die Mitglieder des europäischen Dachverbandes FIGIEFA ein Sonderbudget "Telematik" locker gemacht haben, um die Lobbyarbeit in Brüssel zu finanzieren. Unter anderem wurde die Rechtsanwaltskanzlei Osborne Clarke beauftragt, die Interessen des freien Teilehandels zu vertreten.
Insbesondere sprach sich der GVA-Präsident gegen Regelungen aus, die auf Freiwilligkeit der Fahrzeughersteller beruhen. Der oftmals schwierige Zugriff auf Daten zur Teileidentifizierung und zu technischen Reparaturdaten, den die Hersteller dem Markt rein rechtlich eigentlich gewähren müssten, zeige, dass die Autoindustrie ihrer Verpflichtung nicht in ausreichendem Maße nachkomme. "Wir brauchen daher eine robuste Gesetzgebung für das Thema Daten" forderte Röhl.
Wirtschaftlich steht der freie Teilemarkt 2015 gut da. Beim Umsatz erwarten die meisten GVA-Mitglieder ein leichtes Wachstum für dieses Jahr. Die positive Einschätzung spiegelt eine Blitzumfrage unter den GVA-Mitgliedern wider: 67,4 Prozent der GVA-Handelsmitglieder rechnen demnach mit einem Umsatzplus für 2015. Noch positiver ist die Kfz-Teileindustrie gestimmt: hier erwarten fast 77 Prozent ein Umsatzplus für 2015. "Die Stimmung in der Branche ist sehr erfreulich", fasste Röhl die Ergebnisse zusammen. 2015 konnte sich sein Verband nach stagnierenden Mitgliederzahlen in den vergangenen Jahren auch wieder über einen Anstieg der Mitgliedszahlen freuen. (diwi)