Wir sind schon in der Nachspielzeit und die ist jetzt halb um. So könnte man die Situation vieler Werkstätten beschreiben, die noch keinen Scheinwerfereinstellplatz haben, der den Vorgaben der Scheinwerferprüfrichtlinie entspricht. Die Anforderungen an die Ebenheit des Prüfplatzes wurden strenger gefasst. Spätestens ab 1.1.2018 ist die Kalibrierung des Scheinwerfer- Prüfplatzes gefordert. Das heißt: Wer die HU an einem Prüfstützpunkt auch noch nächstes Jahr anbieten will, muss einen kalibrierten Scheinwerfer-Prüfplatz vorweisen.
TÜV SÜD verfügt als Überwachungsorganisation über ein Kalibrierverfahren, das von der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) bereits positiv begutachtet ist. Dazu war die DAkkS schon im Oktober letzten Jahres drei Tage vor Ort in Dresden und hat sich die Kalibrierverfahren für Bremsenprüfstand, SEP und Abgastester genau angesehen. Das war ein aufwändiges Prozedere, wie uns Thomas Sieber, Technischer Leiter der Überwachungsorganisation bei TÜV SÜD, bei unserem Besuch in Dresden erklärt. Zunächst mussten entsprechende Verfahrensanweisungen erarbeitet werden, denn die gab es bis dahin überhaupt nicht. Damit die DAkkS nicht in allen Prüfstellen in gleicher Weise vorstellig werden muss, erfolgt die Abnahme an Leuchtturm-Standorten, wo das Verfahren beispielhaft abgenommen wird. Die Idee dahinter: Wenn die Prüforganisation am Leuchtturmstandort zeigen kann, dass sie die Kalibrierung beherrscht, wird das Verfahren abgenickt.
Ab kommenden Jahr darf die Kalibrierung nur noch durch ein von der DAkkS nach ISO 17025 akkreditiertes "Kalibrierlabor" erbracht werden. "Wir sind gerade dabei ein solches Kalibrierlabor aufzubauen", erklärt Sieber. Nur ein akkreditiertes Kalibrierlabor darf dann auch ein entsprechendes Prüf-Dokument zur Verfügung stellen.
Mitarbeiter werden geschult
"Wir machen seit Jahresbeginn Vermessungen sowohl von SEP und Aufstellflächen und stellen etwaige Abweichungen fest. Festgestellte Mängel können die Betriebe bis Jahresende abarbeiten", betont Prüfmittel-Fachmann Thomas Sieber. TÜV SÜD schult derzeit weiteres Personal, weil der Bedarf im Markt groß ist. "Wir schulen derzeit zusätzlich 33 Personen, die sich nur mit dem Thema Kalibrierung Scheinwerfereinstellplatz beschäftigen", erklärt Thomas Sieber. Bis dato waren bereits 17 Mitarbeiter mit dem Thema befasst.
Hans-Ulrich Höhn, Technischer Leiter der Überwachungsorganisation in Sachsen sowie Leiter der Niederlassung Sachsen Nord, nennt Zahlen: "Wir haben 45.000 Prüfstützpunkte in Deutschland. Das muss jetzt irgendwie abgearbeitet werden. Denn nach Rechtslage muss jeder Betrieb bis 1.1.2018 die Kalibrierung einmal über sich ergehen lassen."
Hersteller sind in der Pflicht
Anders als bei Scheinwerfereinstellgeräten sind die Prüforganisationen bei der Kalibrierung von Bremsenprüfständen sehr stark vom Hersteller abhängig. Höhn: "Wir benötigen eine Kalibrieranweisung vom Hersteller und herstellerspezifische Schulungen sowie teilweise herstellerspezifisches Werkzeug." Hier ist die Industrie im vergangenen Jahr in Verzug geraten. "Wir haben aktuell das große Problem, dass unsere Prüfstützpunkte keine Kalibrierdienstleister finden, die ihnen die Prüfstände nach neuen Vorgaben kalibrieren. Das ist ein rein kapazitatives Problem, weil die Prüfer noch geschult werden müssen", berichtet Höhn.
In der Dresdner Prüfstelle waren die Fliesen so gut verlegt, dass ein Prüfplatz ohne großen Aufwand realisiert werden konnte. Das Scheinwerferprüfgerät läuft zudem auf Edelstahlschienen, die plan in den Boden eingelassen sind. Die Situation in vielen Servicebetrieben ist da ganz anders, wie uns Lutz Ott, Service Techniker von TÜV SÜD, bestätigt. Er ist in Sachsen unterwegs und schaut sich die Prüfplätze in den Werkstätten an. Wenn er zum Kunden kommt, wird er mit Fragen zur Kalibrierung überhäuft. Dann wird erst einmal nachgemessen, ob es überhaupt einen ausreichend ebenen Messplatz für die Scheinwerferprüfung gibt.
So läuft die Kalibrierung
Schritt 1: Messung der Aufstellfläche für das Fahrzeug:Bei der Erstvermessung wird zunächst der vorgesehene Platz abgeklebt. Für einen Pkw-Arbeitsplatz muss die Länge mindestens 4 Meter betragen. Gemessen wird ab der Nulllinie, die etwa 70-90 cm vor dem Scheinwerferprüfgerät liegt.Schritt 2: Vermessung der FahrzeugaufstellflächeDer Nullpunkt wird zunächst mit Kreide markiert und zur späteren Auffindung dokumentiert. Mittels Kalibriertafeln wird die Höhe des Laserstrahls gemessen. Zum Einsatz kommt ein DAkkS-konformes Stahllineal. Messpunkte bei PKW: 1,2,3 und 4 Meter von der Nulllinie.Schritt 3: DokumentationAlle Messwerte werden in das Computerprogramm übertragen. In der Prüfstelle sind alle Werte wie erwartet annähernd gleich. Die Software errechnet eine Grafik und würde Unebenheiten anzeigen. Erlaubt sind Neigungen bis 1,5 Prozent.Schritt 4: Messung Aufstellfläche SEPZunächst wird die Neigung der Lauffläche längs zur Stellfläche des Fahrzeugs gemessen. Hilfsmittel ist hier ein selbstjustierender hochpräziser Laser. Die Mitte wird mit Kreide markiert. Der Laser zeigt die Neigung der Lauffläche für das Gerät an. Die Messung erfolgt dann ausgehend vom angezeichneten Mittelpunkt in 25 cm-Schritten entlang der Schiene. Die Toleranz beträgt max. +/- 1 Millimeter auf 1 Meter.Schritt 5: Nullpunktjustierung Mast des SEPZunächst muss gemessen werden, ob das Messgerät selbst geneigt ist oder der Mast nicht ganz im Lot ist. Das wird für mehrere Einstellhöhen gemessen und fließt in die Berechnung mit ein.Schritt 6: Messung Neigungswinkel SEPDer Nickwinkel des Geräts wird mit 0, 1, 2 und 4 Prozent Neigung gemessen. Zunächst wird eine Nullpunktkalibrierung durchgeführt. Anschließend werden mit einem feststehenden Laser vier Neigungen (0, 1, 2, 4 Prozent) simuliert. Der Laserstrahl muss im SEP bei allen Neigungen entsprechend auf die Nullmarkierung treffen. Drei Messreihen sind vorgeschrieben, um Messunsicherheiten auszugleichen.
Dokumentation
Alle Messwerte werden in die Eingabemaske einer Software eingetragen, die am Ende einen Kalibrierschein erstellt. Das Programm ist eine Eigenentwicklung von TÜV SÜD und bereits von der DAkkS abgenommen. Nach dem Speichern der Messwerte kann das Dokument vom Prüfer nicht mehr verändert werden. Ab nächstes Jahr ist auf dem Prüfschein das Prüfsiegel der Akkreditierung. Es gilt dann das Vier-Augen-Prinzip, d.h. der Leiter des Kalibrierlabors muss das Dokument entsprechend gegenzeichnen. Der Vorgang wird digital abgebildet.
- Ausgabe 06/2017 Seite 18 (716.3 KB, PDF)