Von Benjamin Bessinger/SP-X
Die Autobahn ins österreichische Mühlviertel ist zwar nagelneu. Doch zwischen der Abfahrt und dem Ortseingang von Freistadt bremsen ein paar rußende Traktoren den Verkehr. Markus Kreisel hat dafür Verständnis. Schließlich kommt er selbst von einem Bauernhof und bestellt dort bis heute die Felder. Aber irgendwann geht ihm die Geduld aus, er senkt den rechten Fuß und sein Porsche Panamera sticht an den Landmaschinen vorbei. Denn der Österreicher ist auch Unternehmer und hat einen prallen Terminkalender, der mit diesem Gezuckel nicht einzuhalten ist.
Soweit mag das eine alltägliche Situation sein. Doch es gibt ein paar irritierende Details, die daraus etwas besonders machen: Kreisels Porsche ist nicht nur schneller und stärker als vom Werk, sondern auch sauberer – denn der Wagen fährt rein elektrisch. Der Unternehmen hat den 360 kW / 490 PS starken Stromer mit 450 Kilometern Reichweite nicht einfach gekauft, sondern den Antrieb gemeinsam mit seinen Brüdern Johann und Philipp selbst entwickelt. Und statt damit ins Silicon Valley zu streben wie jeder normale Nerd und an diesem Hightech-Hotspot Millionen zu scheffeln, zuckelt er lieber weiter hinter Traktoren durchs Mühlviertel und lässt Tesla-Chef Elon Musk einen guten Mann sein. Denn die drei Kreisels lieben diese ländliche Region und sind deshalb drauf und dran, sie womöglich nachhaltig zu verändern.
Schuld darin ist streng genommen ihr Vater, der sich nach dem Ausscheiden aus dem Bauernhof und dem familiären Elektrogeschäft einen Renault Fluence gekauft hat. Der hat die drei Söhne gleichermaßen infiziert für die Elektromobilität, wie enttäuscht. Eine langweilige Stufenhecklimousine mit mäßigen Fahrleistungen? Für einen Rentner mag das ein passendes Auto sein. Aber nicht für drei Buben in der Mitte ihres Lebens. Deshalb haben die Brüder lange mit einem Tesla geliebäugelt - und das Auto am Ende doch nicht gekauft. "Denn wir stecken unser Geld lieber in die Heimat, als es nach Amerika zu überweisen", sagt Markus.
Aus Hobby wurde Geschäft
Also haben sich er und seine zwei Brüder zusammengesetzt und so, wie sie früher Subwoofer gebaut haben, an einer neuen Batterie getüftelt. Zum Staats- oder gar zum Weltmeister wie damals als Teenager haben es die drei zwar noch nicht geschafft. Aber aus dem Hobby ist längst ein Geschäft geworden. Die drei Brüder haben schon mehr als ein Dutzend Autos umgebaut, auf dem Hof stehen ein Skoda Yeti mit einem 170 kW / 231 PS starken Allradantrieb und 350 Kilometern Reichweite oder ein Mercedes Sprinter, mit man über 300 Kilometer lang ökologisch korrekte Päckchen ausfahren kann. Sie stehlen mit ihrem elektrischen Panamera jedem Tesla die Schau und sind drauf und dran, Kreisel Electric zu einem der führenden Hersteller für Autoakkus zu machen.
Denn alle Experten sind sich einig, dass der Krieg ums Elektroauto mit der Batterie gewonnen wird. Wer die besten und die billigstem Akkus hat, der wird wahrscheinlich auch den größten Erfolg haben. Und in dieser Diskussion wollen die Kreisels ein gehöriges Wort mitreden: "Wir haben die leichteste, kompakteste und sicherste Batterietechnologie für mobile und stationäre Stromspeicher", sagt Kreisel und imponiert vor allem mit zwei Eckwerten: Das Gewicht für eine Kilowattstunde Akkuleistung liegt bei 4,1 Kilogramm und das Volumen bei knapp zwei Litern.
Ein Rechenbeispiel auf Basis des VW e-Golf zeigt, wie weit man damit kommen könnte: "Würde man unsere Batterien in das aktuelle Modell einbauen, hätte der Wagen mit 55,7 kWh mehr als die doppelte Kapazität, käme 430 statt 190 Kilometer weit, wäre nur sieben Kilo schwerer und würde nicht mehr kosten," prahlt Kreisel und erklärt relativ freimütig, wie dieser Fortschritt möglich ist: Zwar nutzen sie die Lithium-Ionen-Akkus genau wie Tesla als standardisierte Rundzellen, die fast so aussehen wie normale Batterien für Taschenlampe oder Spielzeugautos. Doch sie haben ein Verfahren entwickelt, bei dem die einzelnen Zellen wie Patronenhülsen im Gewehrmagazin in Kunststoffkapseln gesteckt werden, bevor sie die Zwischenräume mit einer nicht leitfähigen Kühlflüssigkeit fluten.
Kürze Ladezeiten, bessere Kapazitäten
Gegenüber dem zum Beispiel bei Tesla genutzten System hat das gleich mehrere Vorteile: Weil die Kühlung besser ist, verkürzen sich die Ladezeiten und es verlängert sich die Lebensdauer. Weil sie weniger Isolierung zwischen den einzelnen Zellenblocks benötigen, reduzieren sich Bauraum und Gewicht, während die Energiedichte wächst. Weil die nicht leitfähige Kühlflüssigkeit auch nicht brennbar ist, hat die Batterie quasi einen eingebauten Feuerlöscher und ist sicherer. Und schneller montieren lassen sich die Akkus auch. "In der Industrie rechnet man aktuell mit zwei Minuten Fertigungszeit pro Kilowattstunde", sagt Kreisel. "Wir kalkulieren mit weniger als 30 Sekunden."
Zwar gibt es in der Elektroszene viele Start-Up-Unternehmen, die den Stein der Weisen gefunden haben wollen. Und genauso viele sind schon auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Doch die Kreisels haben sich in der Szene bereits einen guten Namen gemacht, sie arbeiten an zahlreichen Projekten mit und übernehmen viele Entwicklungsaufträge. Aber bei allem Respekt vor der Leistung der drei Laien: Warum sollen ausgerechnet drei Bauern-Burschen aus dem Mühlviertel ein Problem gelöst haben, an dem sich Heerscharen von Entwicklern bei Autoherstellern und Zulieferern die Zähne ausbeißen? Nicht weil sie genial wären, sagt Markus Kreisel, obwohl er die Lösungen seines kleinen Bruders schon ziemlich genial und am Ende trotzdem so überraschend simpel findet. Sondern weil sie frei sind. "Wir sind nicht gefangen in tradierten Strukturen, folgen keinen schematisierten Abläufen, müssen nicht jede Entscheidung hundertfach hinterfragen und trauen uns auch mal was völlig Neues", singt er ein Loblied auf die Start-Up-Kultur, die im Mühlviertel genauso ertragreich sein kann wie im Silicon Valley.
Wenn man Markus Kreisel glauben darf, geben sich deshalb in Freistadt mittlerweile die Forscher aus Stuttgart, Wolfsburg, Detroit oder Tokio die Klinke in die Hand. Alle drei Brüder treffen sie dabei allerdings nur selten an. Denn im Gegenzug tingeln die durch die Autowelt und gehen bei Mercedes, VW, General Motors oder Tokio ein und aus, sagt Kreisel und schaut bang in seinen Kalender.
Zentrale im Bau
Vor ein paar Tagen allerdings waren sie doch mal wieder alle zusammen. Denn es gab etwas Wichtiges zu feiern. Einen Steinwurf von Freistadt entfernt haben die Kreisels den Grundstein für ihre neue, zehn Millionen Euro teure Zentrale gelegt, mit der sie im nächsten Jahr den nächsten Schritt machen wollen: Das Gebäude, das aus der Luft aussieht wie drei zusammen geschobenen "K" ihres Familiennamens, soll neben Büros und Lagern nicht nur eine Entwicklungsabteilung und eine Prototypenwerkstatt beherbergen, sondern vor allem eine hoch automatisierte Fabrik, in der bereits ab 2017 Batterien mit einer Gesamtkapazität von 800.000 kWh vom Band kaufen – genug, um damit zum Beispiel gut 13.000 BMW i3 oder knapp 9.000 Tesla Model X in der größten Ausbaustufe zu bestücken. Und allemal genug, um das Mühlviertel zu einem Nabel der Elektromobilität zu machen.
Mit den Kreisel-Brüdern wacht die verschlafene Gegend zwar ein bisschen auf und blinkt auf dem Radar der Autobosse vielleicht irgendwann mal ähnlich hell wie das Silicon Valley. Doch sind die Kreisels viel zu sehr mit der Region verwachsen, als dass sich hier sonst viel ändern sollte. Und vor allem die Landwirtschaft mögen sie nicht missen. Nicht umsonst setzt sich Markus bis heute noch gerne auf einen Traktor, wenn er mal abschalten und den Kopf frei bekommen möchte von all den Fragen über Reichweiten und Ladeströme. Nur die Rußfahnen sind mit ein bisschen Glück bald Geschichte. Denn seit ein paar Wochen kooperieren die Kreisels auch mit einem Landmaschinenhersteller – und tüfteln an einem elektrischen Traktor.