Von Peter Weißenberg/SP-X
Autofahren kann unangenehm sein. Vor allem für Passagiere. Selbst bei niedrigen Geschwindigkeiten wird die Fahrt durch kurvenreiche Straßen durch die Kurvenkräfte anstrengend und stresst den Magen mancher Insassen. Toru Yoshioka will das ändern. Der Cheftechniker beim Autoherstellers Mazda hat dazu zusammen mit der Universität Kanagawa eine neue Technologie entwickelt: "G-Vectoring". "Unser System misst über die winzigsten Lenkbewegungen Quer- und Längs-Kräfte, die auf das Fahrzeug wirken - und optimiert per Motor-Drehmoment den Wagen."
Auf der Teststrecke im französischen Mortefontaine zeigt ein Kompaktwagen vom Typ Mazda3, was der Techniker meint - schon bei gemächlichen 20 Stundenkilometern. Die fahren sich nämlich auf seifigem Untergrund - und ohne G-Vectoring-System - nicht gerade kuschelig: Um bei einer Ausweichfahrt auf der Eis-Imitation nicht aus der Bahn getragen zu werden, muss der Fahrer ständig unbewusst leicht korrigieren. Der Wagen schwänzelt dabei wie ein verliebter Enterich mit dem Heck.
Mit eingeschaltetem G-Vectoring sieht das gleiche Szenario verblüffend anders aus. Bei leichter Ausbrech-Neigung gibt der Motor nur zwei Dutzend Newtonmeter weniger Drehmoment auf die angetriebene Vorderachse: Die Korrektur setzt früher ein, der Weg in die Ausweichroute geht leichter und weicher vonstatten.
Fahren wird weniger anstrengend
Genau das ist Yoshiokas Absicht beim G-Vectoring: "Der Fahrer bekommt mehr und schneller ein Gefühl für die Straße und sein Auto - und reagiert unbewusst früher und exakter." Das funktioniert auch bestens bei der reinen Geradeaus-Fahrt auf einer holprigen Landstraße. Bei 80 Stundenkilometern bringt das System schon bei winzigsten Lenkbewegungen etwa durch Unebenheiten in Millisekunden mehr Last auf die Antriebsräder. Die Folge: Korrekturbewegungen setzen früher ein, das Fahren wird runder, stabiler, weniger anstrengend.
Die neue Software soll bereits ab diesem Sommer mit dem Facelift in der Limousine 6 Einzug halten. Mazda will das G-Vectoring danach in allen Modellen serienmäßig einführen. Dabei hilft, dass es alleine eine Software-Lösung ist.
Wichtigster Assistent dabei ist das inzwischen bei allen Neuwagen obligatorische ESP. Es bremst einzelne Räder am Rand des Durchdrehens ab - ist damit aber auch eine Spaßbremse für Fahrer, die an der Grenze erträglicher G-Kräfte durch die Kurven räubern wollen.
Gerade sportlichere Fahrzeuge setzen daher mit der aktiven Drehmoment-Verteilung über das sogenannte Torque-Vectoring einen Kontrapunkt. Das System dahinter ist sozusagen ein Anti-ESP: Mittels Getrieben zwischen den einzelnen Rädern einer Achse kann das Drehmoment optimal auf diese verteilt werden. Und es geht zackiger an die Grenzen der Physik. Das aber ist nicht das Ziel von Yoshiokas Revolution gewesen. Sein G-Vectoring soll gerade Otto-Normalfahrer stets in die Lage versetzen, intuitiv entspannter und komfortabler unterwegs zu sein.