Volkswagen kürzt angesichts des Abgas-Skandals massiv die Investitionen in die Kernmarke VW. Wegen der hohen Kosten für die Aufarbeitung des Diesel-Dramas werde bei VW pro Jahr eine Milliarde Euro weniger als bisher geplant ausgegeben. Das Sparprogramm werde beschleunigt, teilte VW am Dienstag in Wolfsburg mit. Außerdem solle die Diesel-Strategie neu ausgerichtet werden. Zur Entwicklung von Elektrofahrzeugen soll es einen neuen Standard-"Baukasten" für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge geben. Die neue Version des Luxuswagens Phaeton soll elektrisch werden.
"Die Marke Volkswagen stellt sich für die Zukunft neu auf", erklärte VW-Markenchef Herbert Diess. "Wir werden effizienter, richten die Produktpalette und Kerntechnologien neu aus und schaffen uns mit dem beschleunigten Effizienzprogramm den Spielraum für zukunftsweisende Technologien." Für Europa und Nordamerika wurde laut VW ein vollständiger Umstieg bei Diesel-Aggregaten auf eine fortschrittlichere und teurere Technologie für die Abgasreinigung "zum frühestmöglichen Zeitpunkt" beschlossen. "Nur noch die umwelttechnisch besten Abgassysteme werden in den Diesel-Fahrzeugen zum Einsatz kommen", versprach Diess.
Auch beim Zukunftsthema Digitalisierung will VW vorankommen. Für Vernetzung und Fahrerassistenzsysteme werde ein neuer Standard definiert, hieß es. Der neue VW-Konzernchef Matthias Müller hatte bereits angekündigt, dass ein noch von seinem Vorgänger Martin Winterkorn angestoßenes "Effizienzprogramm" noch verschärft werde. Damit wollte VW ursprünglich spätestens von 2018 an rund fünf Milliarden Euro jährlich sparen. Winterkorn war im Zuge des Abgas-Skandals zurückgetreten.
Volkswagen müsse schnell auf die drohenden Kosten reagieren, hatte Müller vor einer Woche gesagt. "Nicht zuletzt, um unser gutes Rating an den Kapitalmärkten zu sichern. Das hat höchste Priorität." Zudem hatte Müller bei einer Betriebsversammlung im VW-Stammwerk in Wolfsburg erklärt, geplante Investitionen auf den Prüfstand zu stellen. Volkswagen hatte in einem ersten Schritt im dritten Quartal bereits 6,5 Milliarden Euro für die Folgen des Abgas-Skandals zurückgestellt - darin sind die erwarteten Kosten für die Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge enthalten.
Ermittlungen im VW-Skandal dauern Monate
Die Ermittlungen der US-Anwaltskanzlei Jones Day zum VW-Abgas-Betrug werden nach Ansicht von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil einige Monate dauern. Die Untersuchungen würden auf Beschluss des Aufsichtsrates mit hoher Akribie betrieben, sagte der SPD-Politiker am Dienstag im Landtag in Hannover. "Unvermeidbar ist dabei, dass angesichts des Umfanges der Untersuchung deren Abschluss erst in einigen Monaten zu erwarten ist."
Nach Ansicht von Weil hatte VW die Manipulation viel früher eingestehen müssen. "Im Herbst vergangenen Jahres stellten Wissenschaftler erstmals Abweichungen in den Schadstoffkonzentrationen zwischen Labortests und Straßentests bei VW-Dieselfahrzeugen in den Vereinigten Staaten fest." Anschließend habe es mehr als ein Jahr lang Gespräche zwischen den US-Behörden und Volkswagen USA gegeben, bis VW die Manipulation eingeräumt habe. Weil: "Dieses Eingeständnis hätte klar und deutlich sehr viel früher erfolgen müssen - ein weiterer schwerer Fehler." Wann dieses Vorgehen entschieden worden sei und wer es entschieden habe, sei Teil der derzeit laufenden internen Ermittlung der Krise.
Britischer VW-Chef zerknirscht
Der Großbritannien-Chef hat im britischen Unterhaus unterdessen "ehrlich und uneingeschränkt" um Verzeihung gebeten. Der Autobauer habe seine Kunden und die breite Öffentlichkeit enttäuscht, sagte Paul Willis am Montagabend vor dem Verkehrsausschuss. "Wir werden alles Notwendige tun, um vertrauen zurückzugewinnen." In Großbritannien sind 1,2 Millionen Diesel-Fahrzeuge von den Abgastest-Manipulationen betroffen.
Nachdem er erfahren habe, welche Modelle betroffen seien, habe er deren Verkauf umgehend gestoppt, sagte Willis. Allerdings seien noch mehr als 1.000 Autos verkauft worden, nachdem bereits klar gewesen sei, dass auch Europa betroffen ist. Ohne Angaben zu den Modellen habe er zunächst nicht handeln können, verteidigte der Manager sich vor den Abgeordneten. Bei etwa 400.000 Fahrzeuge müsse die Dieseleinspritzung geändert werden, bei den anderen zwei Dritteln genüge ein Eingriff in die Software. Das Testverfahren für den Abgasausstoß bezeichnete Willis als "altmodisch und unzweckmäßig", jedoch bestehe kein Zweifel daran, dass Volkswagen mit der Situation falsch umgegangen sei. (dpa)