Die Autoindustrie hat bei der Eröffnung der Automesse IAA Mobility am Dienstag in München deutlich ihre Erwartungen an die neue Bundesregierung formuliert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, auf dem Weg zur Klimaneutralität sei die Autoindustrie "vor allen Dingen auch ein zentraler Teil der Lösung". Die Präsidentin des Branchenverbandes VDA, Hildegard Müller, forderte die Politik auf, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen.
Der Verkehrssektor könne und müsse viel zur Klimaneutralität beitragen, "und wir können viel davon hier in München sehen", sagte die Kanzlerin. Inzwischen sei eine Million E-Autos auf den deutschen Straßen unterwegs, der Trend gehe unübersehbar zur Elektromobilität: "Nun haben alle Hersteller alltagstaugliche Elektrofahrzeuge in ihrem Programm." Das sei bei der letzten IAA in Frankfurt vor zwei Jahren noch anders gewesen.
VDA-Präsidentin Müller betonte, die Autobranche stehe "ohne Wenn und Aber" für das Ziel klimaneutraler Mobilität. Aber "schnelles Laden mit Ökostrom ist das A und O für den Wechsel. Ökostrom, von dem immer noch viel zu wenig zur Verfügung steht, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen", kritisierte sie. Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos sei viel zu schleppend: "Hier brauchen wir mehr, viel mehr Tempo – in Deutschland, aber noch mehr in Europa." In Deutschland gibt es bislang nur rund 46.000 öffentliche Ladepunkte. Gut die Hälfte des Stroms wird mit Kohle, Gas und Atomkraft erzeugt.
Auch VW-Konzernchef Herbert Diess forderte mehr Tempo beim Ausbau von Wind- und Sonnenenergie: "Es kann sehr viel mehr gegen den Klimawandel getan werden." Daimler-Chef Ola Kälennius sagte, Elektrifizierung sei der Hauptweg, aber der Aufbau von Ladesäulen müsse mithalten. Von der nächsten Regierung erwarte er hohe Ziele in der Klimapolitik, aber gepaart mit "ähnlich hohen Ambitionen in der Wirtschaftspolitik". Merkel räumte ein, bei den Ladesäulen "müssen wir noch besser werden". Das gelte europaweit. Zum fehlenden Ökostrom äußerte sie sich nicht.
IAA Mobility 2021 - Impressionen
BildergalerieBranche nicht überfordern
VDA-Präsidentin Müller warnte auch davor, die Unternehmen mit ihren 800.000 Beschäftigten beim Wandel zu überfordern: "Noch höhere Steuern, noch höhere Abgaben, noch höhere Energiekosten sind der falsche Weg, um die Kräfte der Wirtschaft freizusetzen."
Merkel sagte, die Arbeitsplätze ließen sich nicht in Deutschland halten, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmten. "Das wird auch eine Diskussion sein auf der europäischen Ebene. Und deshalb ist es für unsere Zukunft ganz entscheidend, dass wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft erhalten", betonte die Kanzlerin.
In Begleitung der Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg, Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne), machte Merkel anschließend einen Rundgang über die Messe. Dabei schaute sie sich nicht nur Autos, sondern auch Lastenfahrräder an. Auf der neuen IAA in München sind erstmals auch über 70 Fahrradhersteller vertreten. Besucher können autonom fahrende Busse, Wasserstoffautos und Bikes auch selbst ausprobieren.
Merkel lobte das neue Messekonzept, Mobilität vernetzt zu denken. "Wenn ich mich hier umsehe, bin ich fest überzeugt, dass die Transformation zur Klimaneutralität für unser Land und für unsere Automobilindustrie ein Erfolg wird."
Rund um München protestierten Umweltaktivisten am Dienstag auf Autobahnen, seilten sich von Brücken ab und überklebten Schilder. Die Fahrbahnen wurden zeitweise gesperrt. Greenpeace und andere Umweltgruppen kritisieren die IAA Mobility als eine Autoschau mit grünem Anstrich. Für Freitag sind weitere Blockaden angekündigt. Zu Demonstrationen zum IAA-Abschluss am Samstag werden Zehntausende Teilnehmer erwartet.
Die Corona-Pandemie hat das Interesse an der IAA gebremst – die Veranstalter sehen es schon als Erfolg, dass sie überhaupt stattfinden kann. Alle Besucher und Aussteller müssen genesen, geimpft oder getestet sein.