Steuerkettenproblem bei Volkswagen
Nach langem Zögern räumt man bei Volkswagen ein: Ja, wir haben ein Problem mit den Steuerketten von Vierzylinder-Ottomotoren. Zugleich wurden die diesbezüglichen Fragen von asp nur halbherzig beantwortet. Womöglich werden Markenbetriebe noch lange Zeit Steuerketten erneuern müssen.
Die Zahl der Rückrufe blieb in den letzten Jahren nahezu konstant. Für 2011 zählte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) 186 Aktionen, eine mehr als im Jahr zuvor. Das Niveau der Zahlen erklärt der Blick zurück: 2001 waren es noch 100 Aktionen weniger.
Nicht jeder Fehler mündet in eine Rückrufaktion. Wird der Hersteller oder Importeur dennoch aktiv, lautet der verharmlosende Begriff meist Service-aktion. Gern wartet man auch bis zum nächsten Servicetermin, um dann einen neuen Softwarestand aufzuspielen.
Die Wahrheit liegt wohl dazwischen
Manchmal wird auch eine der verdeckten Aktionen bekannt, so geschehen mit dem Steuerkettenproblem von Volkswagen. Lange stritt man in Wolfsburg alles ab, doch ein auflagenstarkes Automagazin für Endverbraucher blieb am Ball. Dessen Darstellung dürfte stark übertrieben sein, doch ob das Problem tatsächlich so klein wie von Volkswagen beschrieben ist, darf ebenfalls bezweifelt werden. Der Fehler erstreckt sich über mehrere Motoren und vor allem Modelljahre, so dass die be- schriebene Ursache – Nutzung von Werkzeugen zur Steuerkettenfertigung über deren Verschleißgrenze hinaus – mehrfach aufgetreten sein müsste. Das ist möglich, aber nicht sonderlich wahrscheinlich.
Am Rande des diesjährigen Wiener Motorensymposiums wurde eine andere mögliche Ursache diskutiert: abrasives Verhalten von im Motoröl enthalten Par-tikeln, jedoch ohne zu einem greifbaren Ergebnis zu kommen. Fest steht hingegen: Die Glieder der Steuerkette – eine so ge- nannte Zahnkette – erhalten im Verlauf der Nutzung ein zu großes Spiel, mit den Folgen Geräuschentwicklung und Überspringen. Betroffen sind neben den im Interview genannten VW-Baureihen auch deren Derivate der Schwestermarken.
Werkstätten und Autohäuser sitzen in sol-chen Fällen stets zwischen den Stühlen: Hersteller oder Importeur auf der einen, Kunden auf der anderen Seite. Sind die Fahrzeuge nicht mehr vollkommen neu, betrifft das nicht nur Betriebe der jeweiligen Marke, sondern auch viele andere, die sich mit Gebrauchtwagenhandel oder Service- und Reparaturarbeiten beschäftigen. Doch das wird in den Elfenbeintürmen der Hersteller und Importeure regelmäßig übersehen. Peter Diehl
Kurzinterview
„Verhältnismäßigkeit nicht gegeben“
Neun Fragen an Harthmuth Hoffmann, Konzernkommunikation Technologie, Volkswagen AG
Welches Problem ist bei den Störungen an den Steuerketten ursächlich?
Es gibt keine in Serie auftretende Mängel, sondern nur einzelne Fälle in unterschiedlichen Versionen eines Motors.
Welche Motorversionen sind von den auftretenden Mängeln betroffen?
Es können sowohl 1.2-l-TSI- als auch 1.4- l-TSI-Motoren betroffen sein, die Fallzahlen liegen im Promillebereich.
In welche Fahrzeugbaureihen werden die betroffenen 1.2-TSI- und 1.4-TSI-Motoren eingebaut?
Bei der Marke Volkswagen werden diese Motoren in den Baureihen Polo, Golf, Tiguan, Touran und Passat eingesetzt.
Nach welchen Fahrleistungen treten die Störungen gewöhnlich auf?
Da es keinen systematischen Fehler gibt, kann hierzu keine Aussage gemacht werden.
Was sind typische Symptome, an denen Fachleute die Störung erkennen können?
In einzelnen Fällen kann es zu einer Fehlstellung an der Steuerkette kommen, die sich in der Regel über einen längeren Zeitraum durch Geräuschbildung be- merkbar macht. Darüber hinaus leuchtet die Motorstörungs-LED im Kombiinstrument.
Wie lautet die Abhilfemaßnahme im Service, das heißt bei ausgelieferten Fahrzeugen?
Die Volkswagen-Werkstätten entscheiden im Rahmen der Inspektion/des Werkstattbesuchs, ob die Steuerkette und/oder der Kettenspanner ggf. ge- tauscht werden muss.
Was wurde konstruktiv, das heißt in der Fertigung geändert?
Toleranzen bei der Fertigung der Ketten wurden auf ein Mindestmaß reduziert.
Wann wurde die konstruktive Änderung umgesetzt?
Nach Erkenntnis in der Qualitätssicherung und Beanstandung beim Zulieferer im Jahr 2009.
Mündet die Problemlösung in eine Rückrufaktion?
Nein, da die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben ist (Verhältnis vorliegender Fallzahlen vs. Zahl der gebauten Motoren liegt im Promillebereich) und die Einzelfälle sich nicht auf einen Bauzeitpunkt eingrenzen lassen.
- Ausgabe 6/2012 Seite 22 (309.3 KB, PDF)