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Interview BorgWarner: "Viele Hersteller experimentieren"

05.10.2023 07:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Michael Boe
Michael Boe, Vicepresident & General Manager Global Aftermarket
© Foto: BorgWarner

Der Verbrennungsmotor sorgt im Aftermarket noch lange für Ersatzteilgeschäft, ist Michael Boe, Vicepresident & General Manager Global Aftermarket bei BorgWarner, zuversichtlich. Gleichzeitig stellt sich das Unternehmen auf die E-Mobilität ein.

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asp: Was sind die wichtigsten Produktsegmente für BorgWarner im Aftermarket?
Michael Boe: Eines unserer Kernprodukte ist traditionell der Turbolader. Wir verfolgen sowohl die Neuproduktion als auch die Wiederaufbereitung, um unseren Kunden jeweils das beste Produkt zu liefern. Ein wichtiger Part ist der Antriebsstrang im Fahrzeug, entsprechende Produkte führen wir aktuell in den europäischen Aftermarket ein. Hier sprechen wir von Doppelkupplungen und vielen anderen Ersatzteilen. Diese bringen wir unter der Marke BorgWarner in den Markt. Darüber hinaus möchte ich unsere Produkte rund um die Zündtechnik unter der Marke Beru nennen, wo wir in Europa besonders erfolgreich agieren. Und natürlich haben wir die AGR-Systeme, wo wir auf der OE-Seite ein globaler Produktführer sind und auch ein Produktportfolio im Aftermarket zur Verfügung stellen - sowohl mit kompletten Komponenten als auch als separate Einheiten, also Kühler und das Ventil. In diesem Segment bieten wir im Sinne der Nachhaltigkeit auch ein Portfolio mit wiederaufbereiteten Produkten an.

asp: Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit bei BorgWarner?
M. Boe: Ich bin selbst im Nachhaltigkeits-Gremium von BorgWarner. Nachhaltigkeit steht im Zentrum unserer Unternehmens-Entscheidungen. Wie wir Teile entwickeln, welche Teile wir entwickeln und welche Materialien wir verwenden, das sind Fragen, die vom Nachhaltigkeitsgedanken geprägt sind. Wir schauen aber nicht nur auf die Produktion, sondern auch auf die gesamte Kette, also auch auf der Beschaffungsseite und in der Logistik. Wir wollen bis 2035 ein CO2-neutrales Unternehmen sein, das messen wir mit wissenschaftlichen Methoden und weisen das in unseren Reports aus.

asp: Inwieweit profitieren Produkte für den Aftermarket von der OE-Erfahrung?
M. Boe: Wenn man ein OE-Produkt entwickelt und vermarktet, wird das nach einiger Zeit auch Nachfrage im Aftermarket nach sich ziehen. Als Entwickler und Lieferant der OE-Teile ist man dann auch im Aftermarket-Geschäft im Vorteil. Wir kennen die Produkte selbst am besten, wir wissen, wie man sie erklärt, und wir wissen, wie die Werkstätten die Teile einbauen müssen. Gleichzeitig kennen wir als Hersteller die verwendeten Materialien - das ist wichtig für die Wiederaufbereitung. Wir können die eigenen Teile aus dem Markt zurückholen, wiederaufbereiten und dann als Reman-Teile etwas günstiger wieder in den Markt bringen. Dadurch kreieren wir eine Art Kreislaufwirtschaft ganz im Sinne der Nachhaltigkeit.

asp:Welchen Anteil haben Reman-Teile?
M. Boe: Unsere Reman-Turbolader entsprechen etwa 15 bis 20 Prozent unserer verkauften Menge. Wir rechnen mit steigender Nachfrage, denn die Verbraucher entwickeln mehr und mehr Sensibilität für das Thema Nachhaltigkeit. Bezogen auf die CO2-Bilanz spart man 50 bis 60 Prozent, wenn man ein Reman-Teil kauft.

asp: Welchen Stellenwert haben Turbolader im Zeitalter der E-Mobilität?
M. Boe: Auf der OE-Seite wird es früher oder später einen Punkt geben, wo der Verbrenner weniger Aufmerksamkeit bekommt. Aber immer noch sind Ersatzteile für den Verbrenner ein wichtiger Posten in unserem Geschäft. Wir haben die Strategie "2027 Charging Forward" entwickelt. Das Ziel lautet, bis 2027 zehn Milliarden USD Umsatz mit E-Mobilität zu machen, was rund 49 Prozent des Gesamtumsatzes entsprechen würde. Der Rest entfällt dann immer noch auf das traditionelle Geschäft mit Verbrennerkomponenten. Man muss zudem bedenken, dass die E-Mobilität auch den Hybridantrieb umfasst.

asp: Gibt es im Turbolader-Bereich noch technische Entwicklungen?
M. Boe: Wir entwickeln das Produkt permanent weiter, schon allein deshalb, weil sich auch die Motoren noch weiterentwickeln. Im Detail sehen wir viele Veränderungen, auch hält der E-Turbo verstärkt Einzug. Spannend ist der sogenannte E-Booster: Wenn man den Motor startet, springt sofort eine elektrische Komponente an, die mit hoher Drehzahl den Motor ohne Verzögerung auflädt. Das ist rein elektrisch. Der klassische Turbo arbeitet mit Abgas, der nicht sofort zur Verfügung steht. Diese Lücke kann man mit einem E-Booster überbrücken - damit können Sie in Perfomance-Anwendungen sofort die ganze Kraft des Motors abrufen.

asp: Wie stellt sich BorgWarner als Zulieferer für die E-Mobilität auf?
M. Boe: Eine zentrale Herausforderung besteht darin, die richtigen Leute mit dem notwendigen Know-how zu bekommen. Als Supplier müssen wir selbst neue Produkte entwickeln und den Automobilherstellern anbieten. Viele Automobilhersteller experimentieren derzeit mit unterschiedlichen Ansätzen.

asp: ... was heißt das für den Aftermarket?
M. Boe: Wir wissen, dass der Fuhrpark in Europa durchschnittlich zwölf bis 15 Jahre alt ist. Technologie, die jetzt in die freie Werkstatt kommt, wurde vor zehn Jahren entwickelt. Das ist immer noch die Mehrheit des Fuhrparks. Nur ein kleiner Teil der Fahrzeuge in der EU sind Hybrid- oder reine Elektrofahrzeuge. 2040 wird der Fuhrpark voraussichtlich immer noch aus über 50 Prozent traditionellen Verbrennern bestehen. Elektrofahrzeuge haben oft längere Garantien und die meisten Endkunden werden ihre Elektrofahrzeuge so lange bei ihrem Vertragshändler (OES) lassen. Erst danach wird der IAM interessant.


Vita Michael Boe

Michael Boe (53) stammt aus Dänemark und war die letzten 27 Jahre in verschiedenen Positionen in der Automobilbranche beschäftigt, einen Großteil davon im Aftermarket-Bereich. Seine Karriere startete Boe bei Philips, danach wechselte er zu Mannesmann VDO, Siemens VDO und Delphi. Beim Automobil-Zulieferer Meritor in Zürich verantwortete er das Aftermarket-Geschäft für Achsen und Bremsen im Heavy-Duty-Bereich. Seit Januar 2015 ist Michael Boe bei BorgWarner Vice President und General Manager Global Aftermarket. In dieser Rolle ist er für das Aftermarket-Geschäft in Nord- und Südamerika, Asien und Europa zuständig.



Über BorgWarner

BorgWarner Inc. ist ein börsennotierter US-amerikanischer Automobil-Zulieferer mit Unternehmenssitz in Auburn Hills (Michigan) und gehört zu den größten Zulieferern der Welt. Im Geschäftsjahr 2022 lag der Umsatz des Unternehmens bei 15,8 Milliarden US-Dollar.
2020 hat BorgWarner Delphi Technologies übernommen, um sich in den Bereichen Elektronik und Leistungselektronik besser aufzustellen. Außerdem wurde durch den Zukauf BorgWarners das Verbrenner-, Nutzfahrzeug- und Aftermarket-Geschäft gestärkt.
Ende 2022 hatte Borg Warner angekündigt, seine beiden Bereiche Aftermarket und Kraftstoffsysteme in ein neues, börsendotiertes Unternehmen auszugliedern. Seit Mitte dieses Jahres sind das Geschäft mit Kraftstoffsystemen und Teile des Aftermarketgeschäftes in dem komplett eigenständigen Unternehmen Phinia gebündelt. Damit will BorgWarner die Transformation Richtung E-Mobilität vorantreiben. Das Unternehmen hat sich das Ziel gesetzt, bis 2025 einen Umsatz von 25 Prozent mit Elektrofahrzeugen zu erzielen.
Das BorgWarner-Markenportfolio mit BorgWarner Aftermarket, BERU und Wahler umfasst ein breites Sortiment an Kernprodukten, darunter Turbolader, Zündungs- und Abgasrückführungstechnologien (AGR), Temperaturmanagement-Lösungen und Getriebetechnologien. Auf der IAA Mobility hat BorgWarner in Halle A2 sein Produktportfolio für Automobilhersteller im Bereich Elek­trifizierung vorgestellt. Dazu zählen Produkte für die Hochvolttechnologie an Bord der Fahrzeuge, Lösungen für das Thermomanagement der Batterie, aber auch Lösungen für das Laden von Batterien. Auf der Messe hat BorgWarner zudem erstmals das neue Markenimage von BorgWarner einem breiteren Publikum präsentiert. Im Juni hatte das Unternehmen ein neues Logo vorgestellt.


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