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Betrug: So arbeiten Tacho-Trickser

25.05.2021 11:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Betrug: So arbeiten Tacho-Trickser
Laut einer Studie des Diagnoseanbieters Carly sind rund zehn Prozent der Fahrzeugtachos manipuliert.
© Foto: Marcel Schoch/asp

Laut einer jüngst veröffentlichten Studie des Diagnoseanbieters Carly sind rund zehn Prozent der Fahrzeugtachos von Gebrauchtwagen in Deutschland manipuliert. Das Motiv: Weniger Kilometer bringen ein deutliches Plus beim Verkauf.

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Kurzfassung

In Deutschland soll jeder zehnte Kilometerstand bei Gebrauchtfahrzeugen manipuliert sein. Der Sachverständige Alexander Holz aus München hat es sich zur Aufgabe gemacht, solche Manipulationen aufzudecken.

Alexander Holz ist Spezialist für Fahrzeugsysteme mit eigener Fachwerkstatt in München- Neuaubing. Mit seiner Firma Kfz Messtechnik GmbH hat er bereits oft mit Tachomanipulationen zu tun gehabt und geht dann allen Spuren am Fahrzeug beinahe schon detektivisch nach, um den richtigen Tachostand herauszufinden. Aus seiner Berufspraxis weiß er, dass vor allem bei hochpreisigen Fahrzeugen die Kilometerstände gerne manipuliert sind. "Für Kriminelle oder für Verkäufer rechnet es sich schlicht nicht, bei einem Kleinwagen den Tacho zurückzustellen", so Holz. "So kostet eine gute Manipulation an einem Tacho schon mal 600 Euro und mehr. Einfache Manipulationen sind hingegen schon ab 100 Euro zu bekommen."

Unter einer guten Manipulation versteht Holz einen tiefen Eingriff in die Software des Fahrzeugs. So ist der Kilometerstand nicht nur in der Elektronik des Tachos, sondern auch in diversen anderen Steuergeräten des Fahrzeugs hinterlegt. "So kann man über verschiedene Fahrzeugsteuergeräte und deren Daten den wahren Kilometerstand ermitteln." Ein Beispiel ist der Gesamtverbrauch an Kraftstoff. Er muss im plausiblen Rahmen zu den gefahrenen Kilometern liegen. Ähnliches gilt auch für die Startvorgänge. Wie der Kraftstoffverbrauch müssen auch diese in einem plausiblen Verhältnis zur Fahrtstrecke stehen. Die Manipulation der Software setzt hier tiefgehende Kenntnisse voraus. Auch ist der Eingriff nicht in wenigen Minuten geschehen, was die hohen Kosten einer solchen Manipulation erklärt. "Für 100 Euro bekommt man hingegen einen rückgestellten Tacho und eine Kalibrierung der Software, ähnlich wenn ein defekter Tacho gegen einen neuen getauscht wird", erklärt Holz. "So was deckt ein Profi in wenigen Minuten auf." Das Risiko, erwischt zu werden, ist daher entsprechend hoch.

Spuren unter dem Mikroskop

Neben dem Auslesen der Software lassen sich Tacho-Manipulationen auch an der Hardware selbst nachweisen. Alexander Holz untersucht daher die Platinen der Steuergeräte unter dem Mikroskop auf Spuren von Pins. Das sind mikroskopisch feine Vertiefungen auf den Lötstellen, die von spitzen Kontaktstiften herrühren, mit deren Hilfe und einer speziellen Software die Chips umprogrammiert werden können. Weitere Indizien findet er oft auch an den Gehäusen der Steuergeräte. "Sie zeigen häufig Öffnungsspuren", so Holz. "Klebereste, aber auch zu saubere Verklebungen der Gehäuse lassen bei mir die Alarmglocken schrillen." Weitere Hinweise sind auch offensichtlich geöffnete Stecker von Kabelbäumen oder gleich komplett neue und zu saubere Kabelbäume.

Ist der Tacho manipuliert, muss natürlich auch die Peripherie stimmen. So muss der Verschleißzustand der Bedienelemente, des Lenkrads und des Fahrersitzes dem Kilometerstand angeglichen werden. "Das rentiert sich meist nur bei hochpreisigen Sportwagen oder Oberklasse-Limousinen", sagt Holz, "denn hier können dann die Gewinnmargen bei 10.000 bis 15.000 Euro liegen." Das ist in der Tacho-Szene bekannt. Alexander Holz spricht daher gerne von einem Rennen zwischen Kriminellen und Sachverständigen. So gibt es Manipulationen, die nicht einfach aufgedeckt werden können. Holz: "Seit geraumer Zeit gibt es einen Dongle, der der gesamten Fahrzeugsoftware vorgaukelt, dass man nur immer die halbe Wegstrecke unterwegs ist. Wird dieser vom Neuwagenkauf an eingesetzt, stimmen alle hinterlegten Daten in der Software perfekt überein." Ein Manipulationsnachweis ist hier sehr schwierig und zurzeit nur bei neueren BMW möglich.

Auch für Werkstätten durchführbar

Liegt der Verdacht nahe, dass mit einem Dongle gearbeitet wurde, muss Holz, wie er es nennt, "indirekt an die Sache rangehen". Neben Lackschichtdicken-Messungen werden alle Verschleißzustände und auch der Kabelbaum näher untersucht. Hier finden sich, wie Holz bestätigt, immer irgendwelche Beweise, dass der Tachostand nicht stimmt. Wie er dabei genau vorgeht, will er aber nicht preisgeben. Auch das elektronische Servicebuch schützt, wie Holz weiß, nicht vor Tachomanipulation. "Wenn bei jedem Service ein paar Tausend Kilometer weniger eingegeben werden, kommt da unterm Strich eine gehörige Wegstrecke zusammen", erklärt Holz. "Dann braucht man nur noch den Tacho beim späteren Verkauf entsprechend manipulieren." Das setzt aber eine entsprechende kriminelle Infrastruktur voraus und kommt daher sehr selten vor. Doch auch solche Fälle konnte Holz schon aufdecken.

Kfz-Werkstätten können übrigens selbst überprüfen, ob ein Tacho manipuliert wurde. Bosch bietet hierzu den Diagnosetester KTS 250 an. Er ist in der Lage, alle Kilometerstände in den verschiedenen Steuergeräten im Fahrzeug auszulesen. Durch den Vergleich mit dem Kilometerstand auf dem Tacho lässt sich dann ermitteln, ob die dort hinterlegte Laufleistung plausibel ist oder von den anderen Werten abweicht. "Das Tool ist sehr nützlich", so Holz. "Es dringt bereits tief in die Softwarestruktur vor und hilft so, die meisten Manipulationen aufzudecken." Wer glaubt, dass die Kilometerleistung von Gebrauchtwagen aus Polen oder Tschechien noch häufiger manipuliert wird als in Deutschland, der irrt. Die Quote liegt hier etwa auf dem deutschen Niveau von rund zehn Prozent, wie eine Studie des Diagnoseanbieters Carly belegt. Aufpassen sollten dagegen Autokäufer in Bulgarien. Dort sind 42 Prozent der Tachos manipuliert. Nur noch in Malta liegt der Wert mit 44 Prozent aller Gebrauchtwagen nochmals um zwei Prozent höher.

Statement der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH

Die FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH in Dresden entwickelt als staatlich beliehene Stelle Vorgaben und Prüfverfahren für die Hauptuntersuchung. Wir haben das Unternehmen um ein Statement gebeten, wie verbreitet die Tachomanipulation ist und wie sich Werkstätten schützen können.

"Nach einer Erhebung aus dem Jahr 2016 im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums, bei der unplausible HU-Daten erhoben wurden, sind bei rund 2,5 Prozent der Fahrzeuge in Deutschland die Tachos manipuliert. Das entspricht rund 500.000 Fahrzeugen. Der FSD liegen die Daten der letzten und vorletzten HU vor. Unplausible Daten fallen hier sofort auf. Wer die vorhandenen HU-Daten mit uns abgleicht und auf dingliche Hinweise wie Verschleißzustand, Servicezettel, Rechnungen und Daten der Steuergeräte achtet, wird die allermeisten Tachomanipulationen erkennen."

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