Kurzfassung
Eine Fahrwerksumrüstung bei Wohnmobilen kann den Komfort und die Sicherheit der Fahrzeuge beträchtlich steigern. Werkstätten können von dem Camper-Boom profitieren und sich als Spezialisten etablieren.
Wohnmobile in der Klasse bis 3,5 Tonnen basieren in der Regel auf den Transporter-Baureihen verschiedener Automobilhersteller. Der Fiat Ducato und der Mercedes Sprinter zählen zu den häufigsten Vertretern. Dabei greifen die Wohnmobilhersteller auf ein "nacktes" Chassis mit Leiterrahmen des jeweiligen Herstellers zurück. Deren Fahrwerksabstimmung orientiert sich aber immer an der ursprünglichen Aufgabe und ist deshalb eher in Richtung Nutzfahrzeug abgestimmt, muss also die Beladungszustände von leer bis voll abdecken. Da Wohnmobile durch den Aufbau aber schon teilbeladen sind, worauf die Fahrwerke in der Werksabstimmung nicht ausgelegt sind, leidet das Fahrverhalten.
Wird das Wohnmobil noch beladen, kommt das Fahrwerk schnell an seine Grenzen. Zu den gängigen Anbauten wie Markisen und Heckträger für Fahrräder addieren sich Gasflaschen, Wasservorrat, Urlaubsequipment und die Passagiere. Damit ist nicht nur schnell die Gewichtsgrenze von 3,5 Tonnen erreicht, sondern das Fahrverhalten wird schwammig und die Dauerbelastung führt zu erhöhtem Verschleiß an den Fahrwerksteilen.
Nachfrage vorhanden
Trotz bekanntermaßen hoher Preise für Wohnmobile rumpeln diese auf einfachsten Fahrwerken in den Urlaub. Mangelnder Reisekomfort, schlechte Stabilität in Kurven oder störende Fahrgeräusche sind die Folgen und fördern nicht gerade den Erholungswert. So verwundert es nicht, dass Wohnmobil-Besitzer großes Interesse an Umrüstmöglichkeiten zeigen. Matthias Becker aus der Entwicklungsabteilung von Bilstein und maßgeblich an der Entwicklung der Dämpfer Bilstein B6 Camper und B6 Camper Advanced beteiligt, weiß als Wohnmobil-Fahrer aus eigener Erfahrung: "Der Camperkunde ist proaktiv und technikaffin. Er fragt viel nach Zubehör, aber auch nach Umrüstmöglichkeiten. Die Nachfrage nach unserem technisch anspruchsvolleren und damit höherpreisigen Advanced-Dämpfer ist beispielsweise größer als nach dem normalen B6 Camper."
Bilstein brachte beide Dämpfer im letzten Jahr auf den Markt, zunächst für das Volumenmodell Fiat Ducato und seine Derivate von Peugeot und Citroen. "Die Dämpfer wurden in unzähligen Fahrversuchen auf die unterschiedlichen Beladungszustände abgestimmt und verbessern Fahrkomfort und Stabilität signifikant", so Becker. Dabei wurde auch die Besonderheit berücksichtigt, dass Fiat zwischen einem Light- und Heavy-Chassis unterscheidet. Während die Light-Version bis 3,3 Tonnen geht (mit Auflastung 3,5 Tonnen), sind mit der Heavy-Variante bis 3,5 Tonnen (mit Auflastung 4,2 Tonnen) Gesamtgewicht möglich. "Die beiden Chassis unterscheiden sich neben der Größe der Räder und Bremsen auch im Federweg, weshalb wir unsere Dämpfer speziell auf das jeweilige Fahrwerk abgestimmt haben", so Becker. Im Gegensatz zum "normalen" B6 Camper funktioniert die Advanced-Version nach dem "DampMatic"-Prinzip mit amplitudenselektiver Dämpfung und verfügt so über zwei Kennlinien, mit denen sich der Dämpfer situationsbedingt anpasst. Gibt er sich beim normalen Fahren noch weich und komfortabel, schließt sich bei größeren Schwingungsamplituden, etwa einem Ausweichmanöver, der Bypass und der Dämpfer wird straffer.
Eine Dämpferumrüstung ist kein Hexenwerk. "Jede Werkstatt, die einen Stoßdämpfer wechseln kann, kann auch ein Wohnmobil mit unseren Dämpfern umrüsten. Es braucht lediglich die geeignete Hebebühne und Hallenhöhe. Die Dämpfer werden mit den Serienfedern gefahren und haben keine Elektronik, der Einbau ist somit einfach", so Becker. Bilstein bietet rund um das Thema diverse Online-Schulungen, aber auch Vor-Ort-Schulungen in Werkstätten an, ebenso auch Marketingmaterial und spezielle Werkstatt-Pakete.
- Ausgabe 3/2023 Seite 14 (413.5 KB, PDF)
"Der Camperkunde ist proaktiv und technikaffin. Er fragt viel nach Zubehör und Umrüstung."
Matthias Becker, Bilstein
Federumrüstung komplex
Aufwendiger wird es hingegen, wenn die Federung unter der Dauerbelastung schwächelt, erkennbar an einem tiefhängenden Heck und schlechtem Fahrkomfort. Vor allem die Hinterachse wird häufig stark belastet, Stichwort Heckträger, sodass auch hier Nachrüstlösungen gefragt sind. Die Firma Goldschmitt bietet etwa den Einbau einer zusätzlichen Federlage bei Blattfedern an, aber auch Schraubenfedern in unterschiedlichen Längen für die Vorderachse sowie Luftfedersysteme. Zur Unterstützung der Federelemente greifen viele Kunden auf den Einbau einer Luftfederung zurück. Diese sind als reine Hinterachslösung oder auch als Vollfederung an allen vier Rädern erhältlich und haben, neben Komfort- und Sicherheitsaspekten, weitere Vorteile. Wie Anbieter AL-KO mitteilt, steigern Luftfederelemente nicht nur den Fahrkomfort und die Fahrsicherheit, sondern erlauben je nach Version auch das Anheben und Absenken des Fahrzeugs an Vorder- und Hinterachse sowie eine Niveauregulierung.
Dabei wird zwischen Ein-, Zwei- und Vierkreis-Systemen unterschieden. Sind im Einkreis-System beide Luftbälge mit gleichem Druck gefüllt, lässt sich im Zweikreis-System bei Bedarf zur Höhenanpassung einseitig Luft ablassen, um eine beladungsbedingte Schieflage auszugleichen. Eine Voll-Luftfederung an Vorder- und Hinterachse bringt durch den Einbau eines Vierkreis-Systems noch mehr Komfort und unterschiedliche Radlasten werden automatisch ausgeglichen.
Der Umbau eines Fahrzeugs mit einer AL-KO-Luftfedervariante ist aufgrund der großen Chassis- und Achsvielfalt aber ein komplexer Vorgang, welcher in der Regel nur von speziell geschulten Werkstätten durchgeführt werden kann. Der Einbau einer X2-(Zweikreis)- oder X4-(Vierkreis)-Luftfederung kann nur in den Kundencentern von AL-KO VT durchgeführt werden, die Air-Plus-Montage (Hinterachsluftfeder mechanisch geregelt) ist hingegen für eine Reisemobilwerkstatt mit entsprechender Befähigung machbar. AL-KO bietet hier auf Anfrage entsprechende Schulungen an.