Kurzfassung
Mit der steigenden Anzahl an Elektrofahrzeugen steigt auch der Bedarf an Reparaturen der Antriebsbatterie. Der Teilehändler LKQ Europe möchte freie Werkstätten unterstützen, zukünftig diese Arbeiten durchführen zu können.
asp: Herr Franz, was lässt sich an der Traktionsbatterie eines Elektroautos alles reparieren?
Arnd Franz: Prinzipiell alles, was eine Reparatur erfordert. Wir erwarten vor allem Defekte an elektronischen Komponenten. Bei elektrochemischen Fehlern können einzelne Module oder - je nach Konzeption der Batterie - sogar Zellen getauscht werden. Hier sind die OEM gefragt, Batterien so zu konzipieren, dass die Batterie und ihre Komponenten einfach zu ersetzen und zu reparieren sind. Die Batterie wird außerdem über ein Batterie-Management-System (BMS) gesteuert und überwacht. Um dieses zu tauschen, braucht der Independent Aftermarket einen freien Zugang zu diesem System.
asp: Mit was für einem Reparaturbedarf rechnen Sie in den nächsten Jahren?
A. Franz: Es wird noch etwas dauern, bis ein signifikanter Reparaturbedarf in den freien Werkstätten entsteht. Eine Traktionsbatterie hält zehn bis 14 Jahre, bis sie ausgetauscht werden muss, und aktuell sind viele Elektrofahrzeuge noch in der Herstellergarantie. Deutlich steigende Rückläufe erwarten wir ab Ende des Jahrzehnts. Im Jahr 2030 gehen wir europaweit von rund 34 Millionen installierten Hochvoltbatterien in batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) aus. Aktuellen Schätzungen zufolge werden dann jährlich rund 1,3 Millionen Batterien wegen elektrischer, mechanischer und elektrochemischer Fehler in die Werkstätten kommen. Diese müssen geprüft, repariert oder ersetzt werden. Wir erwarten, dass diese Rückläufe danach um 30 Prozent pro Jahr steigen werden.
asp: Ist das Feld Batteriereparatur ein Geschäftsfeld für freie Werkstätten? Was müsste die Werkstatt an Equipment und Schulungen mitbringen, um solche Arbeiten durchführen zu können?
A. Franz: Ja, das ist unser Ziel. Wir wollen die Ersten sein bei der Elektrifizierung im Independent Aftermarket. Die Werkstätten benötigen zunächst einmal Hochvoltschulungen, um überhaupt an batterieelektrischen und Hybridfahrzeugen arbeiten zu dürfen. Hinzu kommen Schulungen für die Elektrofahrzeug- und Batteriediagnose. Auch entsprechende Batteriehandlingund Hochvoltausrüstung ist nötig. Entscheidender Teil unserer Strategie ist, Diagnose, Rücknahmelogistik sowie Reparatur und Verwertung für Traktionsbatterien anzubieten. Das alles zeigen wir bereits auf unseren Messen, wie etwa der PV Live! in Deutschland. Wir planen, die freien Werkstätten bei komplexeren, investitionsintensiven Arbeiten zu unterstützen, damit sie ein breites Angebot für ihre Kunden auch in Zukunft aufrechterhalten können.
asp: Werden Batteriereparaturen nach Ihrer Meinung für alle freien Betriebe interessant sein oder doch nur für Spezialisten oder Markenbetriebe?
A. Franz: Austausch und Reparatur von Hochvoltbatterien werden ganz klar auch für freie Werkstätten interessant sein. Wir sehen hier großes Potenzial im zukünftigen Geschäftsmodell. Langfristig sehen wir keine Exklusivität für Fahrzeughersteller oder Markenbetriebe. Mobilität muss erschwinglich bleiben. Der Kunde soll die freie Wahl haben, wo er sein Auto reparieren lässt. Dazu muss auch die Politik einen offenen und wettbewerbsorientierten Rahmen schaffen, der einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Batterieschnittstellen gewährleistet und so Wartung und Reparatur im Aftermarket ermöglicht. Dafür setzen wir uns bei LKQ ein. Wir gehen davon aus, dass sich einige freie Werkstätten auf bestimmte Arbeiten spezialisieren. Momentan arbeiten wir auch an Service- und Logistikkonzepten für die Batterieinstandsetzung.
asp: Bietet LKQ entsprechende Geräte, Werkzeuge oder Schutzausrüstung zur Batteriereparatur bereits an oder soll das künftig angeboten werden?
A. Franz: Wir bieten aktuell schon Hochvoltkomponenten wie Lade- und Hochspannungskabel sowie auch Werkstattausrüstung, etwa Hochvolt-Diagnosegeräte, an. Außerdem haben wir bereits ein umfangreiches Sortiment an Verschleißteilen für Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Dazu zählen mechanische Ersatzteile wie Bremsen, Radlager, Innenraumfilter, Scheibenwischer und Lenkungsteile. Und wir nehmen regelmäßig neue Komponenten ins Portfolio auf.
asp: LKQ ist laut eigenen Angaben sehr aktiv im Bereich Fahrzeugrecycling. Plant das Unternehmen auch Traktionsbatterien von Elektroautos zu recyceln?
A. Franz: Bei unserem Spezialisten Atracco in Schweden demontieren wir bereits seit einigen Jahren Batterien aus Hybrid- und Elektrofahrzeugen. Da die nordischen Länder beim Übergang zum Elektroauto führend sind, verfügen unsere Kollegen bereits über ausgezeichnete Kenntnisse im Umgang mit Batterien. Diese werden als Austauschbatterien wieder in Fahrzeugen eingesetzt oder können einer alternativen Nutzung, beispielsweise als stationäre Speicher, zugeführt werden.
asp: Wo würden Recycling-Standorte entstehen?
A. Franz: Wir bauen unser Angebot für den gesamten Lebenszyklus für Elektroautos im europäischen Raum je nach Bedarf kontinuierlich aus. Unser Ansatz ist, Fahrzeuge so lange wie möglich fahrbereit zu halten. Gebrauchte Teile bereiten wir auf, um sie wieder im Fahrzeug einzusetzen. Genauso verhält es sich mit Batterien. Ein vollständig geschlossener Kreislauf mittels Batteriereparatur und -aufbereitung erreicht die höchsten Einsparungen bei Kosten und CO2 -Emissionen. Dies haben wir in einer gemeinsamen Studie mit dem Lehrstuhl "Production Engineering of E-Mobility Components" der RWTH Aachen festgestellt. Das Recycling von Batterierohstoffen bleibt wichtig, sollte aber aus Kosten- und Emissionsgründen nur als letzte Möglichkeit betrachtet werden. Unser Ziel ist es, dass Elektrofahrzeuge ein ganzes Fahrzeugleben lang - dies kann 25 Jahre und länger sein - mit einer funktionierenden Antriebsbatterie ausgestattet sind.
Interview: Alexander Junk
- Ausgabe 06/2022 S.32 (118.4 KB, PDF)