Kurzfassung
Lange Zeit war das Tönen von Scheiben eine Besonderheit der Custom-Szene. Heute bieten sogar die Fahrzeughersteller ab Werk verdunkelte Scheiben an. Beim Nachrüsten ist aber einiges zu beachten.
Ortstermin bei der Firma Gambs Fahrzeuglackierung und Karosseriebau GmbH in Unterschleißheim, nördlich von München. Mehmet Karadenitz, selbstständiger Autofolierer und Inhaber der MK Folientechnik, bereitet gerade im Auftrag von Gambs das Tönen der hinteren Verglasung eines Range Rover P400S vor. Am Heck besitzt das SUV sieben Scheiben, die getönt werden können. "In Deutschland dürfen nur die rückwärtigen Scheiben ab der B-Säule einschließlich Heckscheibe mit Tönungsfolie verklebt werden", erklärt Karadenitz. "Die Windschutzscheibe und die seitlichen Fahrer- und Beifahrerscheiben sind tabu. Zudem wird dann ein zweiter Außenrückspiegel benötigt."Doch damit ist es mit den Vorschriften noch nicht genug. "Für Folien, die im deutschen Straßenverkehr eingesetzt werden, schreibt der Gesetzgeber eine Zulassung vor, die durch eine sogenannte Allgemeine Bauartgenehmigung (ABG) bescheinigt wird", so Karadenitz. "Sie wird als Nachweis der Rechtmäßigkeit der Folio bei der HU oder bei Polizei-Fahrzeugkontrollen benötigt." Nicht immer liegt die ABG-Bescheinigung der Folie bei, dann kann man sie bei den entsprechenden Anbietern auch aus dem Internet herunterladen und ausdrucken. Damit man jedoch die richtige für die im eigenen Fahrzeug verbaute Folie hat, benötigt man ihre spezifische ABG-Zulassungsnummer. Man findet diese an möglichst allen Scheiben in die Folie eingeprägt.
Scheibenfolierung - Das ist beim Nachrüsten zu beachten
Bildergalerie- Ausgabe 4/2024 Seite 020 (805.5 KB, PDF)
Sorgfältige Vorbereitung
Viele Autobesitzer denken, dass das Aufbringen der Folio auf die Scheiben eine leichte Sache ist. "Dem ist aber nicht so", sagt Karadenitz. "Es braucht viel Übung und Fingerspitzengefühl. Zudem muss man in jeder Hinsicht sehr sauber arbeiten." Das Tönen der Scheiben beginnt immer mit dem gründlichen Säubern der Scheibenflächen. Die Scheiben werden hierzu sowohl von außen als auch von innen mit warmem, mildem Seifenwasser abgewaschen. "Auf Spezial-Scheibenreiniger mit Abperleffekt oder Nanoversiegelung sollte man aber verzichten, da diese die Haftfähigkeit der Folie stark beinträchtigen können", ergänzt Karadenitz. Ein Problem sind auch Fahrzeuge von Hundehaltern. Sie sind stark mit Hundehaaren versetzt. "Die Haare müssen gründlichst aus dem Fahrzeug aus jeder Ritze gesaugt werden, da sie sonst bei der Montage aufgewirbelt werden und sich dann deutlich sichtbar zwischen Folie und Scheibe absetzen können", weiß Karadenitz aus seiner Berufspraxis zu berichten. Auch müssen je nach Fahrzeugtyp Innenverkleidungen oder Fensterleisten beziehungsweise Gummilippen ausgebaut werden, damit die Folie hinter diese geschoben werden kann.
Viel Platz
Wichtig ist auch, eine große Arbeitsfläche zu haben, um die Folie schneiden zu können. "Es gibt Folierer, die heften die nasse Folie an eine große Fensterscheibe und bearbeiten sie dort, andere legen sie auf einen Tisch, um sie dort zu schneiden. Wieder andere schneiden sie direkt am Fahrzeug zurecht", so Karadenitz. Bei spiegelgleichen Scheiben kann zur Herstellung mehrerer spiegelgleicher Tönungsfolien von außen auf die saubere Scheibe eine spezielle Konturfolie gelegt werden. Damit sie haftet, wird die Fahrzeugscheibe mit tensidhaltigem Wasser eingesprüht, die Folie aufgelegt, ausgerichtet und mit einem sehr scharfen Cutter-Messer die Kontur der Scheibe ausgeschnitten. Anschließend kann die Konturfolie als Schnittmuster auf die Tönungsfolie gelegt werden, um aus dieser am Arbeitstisch spiegelgleiche Tönungsfolien-Zuschnitte auszuschneiden. "Ist die Tönungsfolie ausgeschnitten, wird sie mit ihrer Innenseite von außen auf die Fahrzeugscheibe gelegt, um sie jetzt gegebenenfalls an die Scheibenkontur anzupassen", erklärt Karadenitz. "Das geschieht mit einem Gummi-Rakel, mit dem das Wasser zwischen Folie und Scheibe herausgestrichen wird."
Zeigen sich jetzt Falten, weil die Scheibe gewölbt ist, kommt ein Industriefön zum Einsatz. Durch Rakeln und vorsichtiges Föhnen lassen sich so die Falten aus der Folie herausstreichen. Zu beachten ist hier jedoch, dass das Rakeln immer nur in eine Richtung erfolgen darf, da sonst die Folie Schaden nehmen kann. Kommt es zum Schaden, sprechen Folierer davon, dass die Folie "verbrannt" ist. Gelingt hingegen das Rakeln, hat die Folie jetzt dauerhaft bereits die Kontur der Fahrzeugscheibe angenommen und kann anschließend von innen aufgebracht werden. Bei absolut geraden Scheiben kann man übrigens auf das Rakeln von außen und den Industriefön verzichten. Zum endgültigen Aufbringen der Tönungsfolie wird die Scheibe von innen wieder mit tensidhaltigem Wasser eingesprüht. Vorher sollte man aber nochmals genau kontrolliert haben, ob die Scheibe auch wirklich völlig sauber ist. Dann kann von der Tönungsfolie die Schutzfolie abgezogen werden. Damit sich die Folie leichter an die Scheibe anpassen lässt, wird sie ebenfalls jetzt auf der offenliegenden Klebeseite mit tensidhaltigem Wasser eingesprüht und auf die Fahrzeugscheibe gelegt. Nach dem Ausrichten der Folie kommt die Gummi-Rakel zum Einsatz, um das Wasser zwischen Scheibe und Folie herauszudrücken. Dabei wird die Tönungsfolie auch unter Fenster-Gummilippen oder -leisten geschoben, sofern diese vorher nicht demontiert wurden. "Idealerweise wurden alle Einfassungen und Leisten abgebaut", sagt Karadenitz, "da sich unter ihnen immer Schmutz befinden kann, der dann zwischen Folie und Scheibe gerät."
Geduld beim Warten
Ist die Folie auf alle Scheiben aufgebracht und sind sämtliche Blasen und Falten beseitigt, heißt es warten, bevor Fensterheber oder eine elektrische Heckscheibenheizung betätigt werden dürfen. "Es dauert gut ein bis zwei Wochen, je nach Witterung, bis das Wasser zwischen Folie und Scheibe verdunstet ist", erklärt Karadenitz. "Würde man vor dem Abtrocknen die Heckscheibenheizung betätigen, kommt es zur Blasenbildung oder die Folie würde sich beim Öffnen oder Schließen der Fenster verschieben.