Kurzfassung
Mahle möchte mit seinen Partnern Siemens und Witricity das kabellose Laden für Elektroautos salonfähig machen. Der Verband SAE Technology hat die Technologie zum globalen Standard definiert.
In vielen Geräten zu Hause ist kabelloses Laden schon Standard: Elektrische Zahnbürsten lassen sich kabellos laden, auch Smartphones und Bohrmaschinen kommen ohne Strippen aus. Bei E-Autos geht ohne Ladekabel jedoch nichts. Das ist oft ziemlich unhandlich und schwer, und gerade bei schlechten Wetterverhältnissen ein Garant dafür, den Kofferraum oder die Kleidung zu verschmutzen. Sollen beim sogenannten "Valet-Parking" Autos zukünftig selbst ihren Stellplatz im Parkhaus finden und laden, stellt die herkömmliche Lademethode per Kabel ebenfalls ein Problem dar und muss mit viel Aufwand gelöst werden. Warum also E-Autos nicht induktiv, also kabellos, laden? Das Thema ist nicht neu, wurde aber von einigen Autoherstellern wieder verworfen. Schon 2014 kündigte Mercedes-Benz ein induktives Ladesystem für die Plug-in-Version der S-Klasse an, BMW brachte 2017 sogar ein System für den 530e heraus. Von beiden Systemen hörte man nie wieder und sie verschwanden wieder in der Versenkung. Denn die Herausforderung beim kabellosen Laden von Elektrofahrzeugen sind die Komponenten, die sowohl auf Infrastruktur- als auch auf Fahrzeugseite standardisiert werden müssen. Erst dann können sowohl die Fahrzeughersteller als auch die Infrastrukturanbieter eine Lösung auf den Markt bringen, bei der eine herstellerunabhängige Kompatibilität sichergestellt ist.Standardisierte Komponenten
Automobilzulieferer Mahle könnte der Technologie nun zum Durchbruch verhelfen, denn der Stuttgarter Automobilzulieferer ist schon seit einiger Zeit an dem Thema dran und hat mit Siemens und Witricity zwei große Partner an seiner Seite. Doch nicht nur das: Der Verband SAE International war von dem Konzept offenbar überzeugt und hat das Mahle-Positionierungssystem DIPS (Differential-Inductive-Positioning-System) als globale Standardlösung für kabelloses Laden von E-Fahrzeugen auserkoren. Damit schließt der gemeinnützige international anerkannte Verband für den Fortschritt von Mobilitätstechnologien mit Sitz in den USA die seit zehn Jahren offene letzte Lücke in der Standardisierung von induktivem Laden. Mahle will seine Lösung der gesamten Branche über ein Lizenzmodell unter Frand-Bedingungen (fair, reasonable, and non-discriminatory) zugänglich machen. Das Mahle-Prinzip, das aus einer von Siemens beigesteuerten Bodenplatte und einem Empfänger zwischen Vorderachse und Batterie besteht, soll in allen E-Autos funktionieren. Bei Schnee und Eis genauso wie mit verschmutzter Platte. Vor allem aber soll der Strom kontinuierlich mit elf Kilowatt fließen. Den Wirkungsgrad gibt Mahle mit 92 Prozent an, kaum niedriger als beim Laden mit Kabel. DIPS basiert auf einem magnetischen Feld und baut während der Annäherung des E-Fahrzeugs automatisch eine Verbindung mit dem angesteuerten Ladepunkt auf. Eine spezielle Navigation im Fahrzeugdisplay unterstützt den Fahrer, um die ideale Position zu finden. Der Ladevorgang beginnt automatisch. Ob und, wenn ja, welche Autohersteller das System zukünftig nutzen, wollte Mahle jedoch noch nicht verraten.
Mahle - Induktives Laden
Bildergalerie- Ausgabe 1/2024 Seite 022 (683.3 KB, PDF)
Fragen an ...
Philip Grabherr: Wir gehen davon aus, dass wir in drei bis vier Jahren in Serie gehen werden. Grundsätzlich eignet sich die Technologie für jedes E- und Hybrid-Fahrzeug. Es gibt keine Einschränkung.
P. Grabherr: Wir arbeiten gemeinsam mit Siemens und Witricity am induktiven Ladesystem. Mahle fokussiert sein Systemwissen dabei auf die Fahrzeugseite, also den Onboard-Charger mit Induktionsspule sowie das Positioniersystem. Siemens deckt die Infrastrukturseite ab. Witricity ist als Technologiepartner Lizenzgeber für das Induktionsladen.
P. Grabherr: Nachrüstlösungen sind grundsätzlich denkbar, wir konzentrieren uns jedoch als Tier-1-Zulieferer auf die Erstausrüstung und sehen hier auch das deutlich stärkere Potenzial. Der fahrzeugseitige Aufwand bei der Nachrüstung wäre aber überschaubar, benötigt wird lediglich die Empfängereinheit mit Batterieladefunktion am Fahrzeugboden.
P. Grabherr: Unser wichtigstes Anliegen ist die Interoperabilität - also die herstellerunabhängige Funktionalität des Systems. Daher ist auch die Zertifizierung unseres Positioniersystems als SAE-Standard von großer Bedeutung. Unserer Auffassung nach ist das die Voraussetzung für eine flächendeckende Etablierung induktiver Ladesysteme.
P. Grabherr: Aktuell ist die induktive Ladeleistung für elf Kilowatt standardisiert. Daher wird diese Ladeleistung im Sinne der Interoperabilität zum Start verfügbar sein. Im nächsten Schritt werden höhere Ladeleistungen wie beispielsweise 22 Kilowatt standardisiert und dann im Markt ausgerollt.
P. Grabherr: Wir halten das induktive Laden für eine Komfortlösung, die sich in allen Bereichen etablieren wird - vom öffentlichen Parkraum über Taxistände bis hin zur heimischen Garage. In manchen Anwendungsfällen halten wir das sogar für unumgänglich, wie beispielsweise beim Valet-Parking. Wenn das Fahrzeug autonom auf seinen Stellplatz fährt, muss auch die Ladefunktion autonom abbildbar sein. Dafür ist induktives Laden ideal geeignet.