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SCR-Katalysator: Euro 6 zum Nachrüsten?

19.09.2017 08:00 Uhr
SCR-Technologie
Mit dem BNOx-System lassen sich auch ältere Dieselfahrzeuge nachrüsten.
© Foto: Twintec

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Der Diesel hat es momentan schwer: In Stuttgart und Hamburg wurden Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge unterhalb der Euro-6-Norm beschlossen, viele weitere Städte wie München, Düsseldorf und Berlin könnten folgen. Rund 13 Millionen Diesel-Fahrzeuge in Deutschland wären von den Fahrverboten betroffen. Deren Restwerte dürften in den Keller fallen, wenn die Fahrverbote schließlich umgesetzt werden. Laut Online-Fahrzeughändler Mobile.de ist die Verkaufsentwicklung der Dieselfahrzeuge momentan noch unverändert. "Die Preise für Dieselautos bleiben trotz des gestiegenen Angebots stabil, das spricht für eine konstante Nachfrage", erklärt Mobile.de-Geschäftsführer Malte Krüger. Unterscheidet man zwischen privaten und gewerblichen Verkäufen, sieht die Lage jedoch anders aus: Der Anteil von Dieselantrieben an den Pkw-Neuzulassungen ist im April auf 41,3 Prozent gesunken - vor einem Jahr waren es noch 47 Prozent. Laut Center of Automotive Research (CAR) rutschte der Diesel-Anteil in diesem Marktsegment auf 23,8 Prozent ab. Das ist der niedrigste Wert seit dem Abwrackprämienjahr 2009. Am beliebtesten war der Selbstzünder im Dezember 2011 mit einem Marktanteil von 40 Prozent gewesen. Der Grund: Privatleute müssen das volle Risiko beim Wiederverkauf tragen und sind entsprechend zurückhaltend.

Die Automobilindustrie sendet ebenfalls zwiespältige Signale: Einerseits betonen Hersteller wie BMW und Mercedes, dass sie am Diesel festhalten und die Motoren weiterentwickeln wollen, auf der anderen Seite prescht Volvo mit der Aussage vor, die Entwicklung der Dieselmotoren einzustellen. Auch auf Seiten der Politik gibt es Verunsicherung: CSU- Ministerpräsident Horst Seehofer hat eine Kaufprämie für Euro-6-Fahrzeuge ins Spiel gebracht, damit sich die Komsumenten schneller von ihren Euro-5-Dieselfahrzeugen trennen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sucht hingegen mit den Autoherstellern noch an einer Nachrüstlösung für ältere Euro-5-Fahrzeuge.

SCR-Katalysator die beste Lösung

Über den Sinn einer Nachrüstlösung streiten sich die Experten. Fest steht, dass sich mit Optimierungen im Verbrennungsprozess und der Abgasnachbehandlung auch ein Diesel der Euro-5-Norm auf das Abgas-Niveau eines Euro-6-Diesels bringen lässt. Im Gespräch sind momentan zwei Alternativen: Eine Lösung per Software ( siehe Kasten zu Euro 5+) und die Nachrüstung eines zusätzlichen SCR-Katalysators (Selective Catalytic Reduction), der auch bereits in vielen Euro-6-Fahrzeugen zum Einsatz kommt. Die Software-Lösung wäre einfach und günstig umzusetzen, jedoch sind laut Expertenmeinung nur SCR-Katalysatoren in der Lage, Stickoxide wirksam unter allen Bedingungen zu reduzieren. Dabei wird eine Harnstofflösung (Vorstufe zu Ammoniak) dem Abgas beigemischt, die Stickoxide in Wasser und Stickstoff umwandelt. Das Verfahren setzt einen zusätzlichen Tank mit Harnstofflösung ("Adblue") voraus, der im Fahrzeug untergebracht wird und regelmäßig nachgetankt werden muss.

Nachrüstung für 1.500 Euro

Hersteller Twintec-Baumot als Experte für Abgas-Nachbehandlungen hat mit BNOx einen SCR-Katalysator als Prototypen vorgestellt, der sich in Euro-5-Fahrzeugen nachrüsten lässt. Ursprünglich war das System für den Einsatz in großen Motoren von Bussen, Lkw und Land- sowie Baumaschinen entwickelt worden, wurde dann jedoch auch für Pkw umgesetzt. Euro-5-Fahrzeuge könnten dadurch die Stickoxid-Grenzwerte eines Euro-6-Fahrzeuges erreichen und es ließen sich Fahrverbote in den Städten entgehen.

Die Kosten des Systems belaufen sich laut Twintec auf rund 1.500 Euro zuzüglich Einbau, was sich bei einem relativ neuen Euro-5-Dieselfahrzeug lohnt. Der Einbau würde laut Hersteller rund einen halben Tag in Anspruch nehmen und würde den ausführenden Werkstätten angesichts der Zahl von Euro-5-Fahrzeugen volle Auftragsbücher bescheren. Die Funktionsweise des BNOx-Systems ähnelt der von herkömmlichen SCR-Katalysatoren: Die wässrige Harnstofflösung wird dem Adblue-Tank entnommen und über ein Dosiersystem in den BNOx-Generator (Ammoniak-Generator) eingesprüht, in welchem die Aufbereitung zu Ammoniak stattfindet. Das erzeugte Ammoniak wird über den Mischer in das Abgasnachbehandlungssystem eingeleitet und sorgt dort für die selektive katalytische Reduktion.

Für die Aufbereitung steht dem Generator Energie aus dem Abgasteilmassenstrom zur Verfügung, welcher aus dem Abgaskrümmer vor dem Turbolader entnommen und passiv über eine Blende gesteuert wird. Zusätzlich ist der Generator mit einem Heizkatalysator ausgestattet, der bei tiefen Temperaturen auf elektrische Energie zurückgreift. Die erforderliche Heizleistung und die Ammoniak-Dosiermenge wird über das Abgassteuergerät (ACU) aus den Betriebsdaten und der Systemsensorik aus Temperatur- und NOx-Sensoren ermittelt. Da das Ammoniak beim BNOx-System im Gegensatz zu herkömmlichen SCR-Systemen direkt in den Abgasstrom eindosiert wird, ergeben sich laut Hersteller mehrere Vorteile: Das System funktioniert bereits ab einer Abgastemperatur von 150 Grad Celsius, was gerade beim Kaltstart wichtig ist, da die katalytische Reduktion dann noch nicht funktioniert und das System möglichst schnell auf Temperatur gebracht werden muss. Laut Twintec-Baumot ist es bereits in rund 100 Sekunden nach Kaltstart einsatzbereit. Eine NOx-Minderung soll zudem in fast allen Betriebspunkten funktionieren, insbesondere bei tiefen Abgastemperaturen. Durch die hohe Mischungseffizienz und gleichmäßige Verteilung des Ammoniaks im Abgassystem soll zudem eine bessere Performance geliefert werden. Darüber hinaus verhindert das BNOx-System Ablagerungen von Adblue im Abgassystem. Durch die geringe Größe des Systems sei es laut Hersteller zudem möglich, das System in einer Vielzahl von Fahrzeugen installieren zu können.

Zweifel an der Machbarkeit

Twintec-Baumot hat die Wirksamkeit von BNOx an einem VW Passat mit 1,6-Liter-TDI-Motor demonstriert: Das Unternehmen spricht von einer NOx-Reduzierung von durchschnittlich 93 Prozent unter Realbedingungen. Dabei soll der Euro-5-Motor sogar bessere Emissionswerte als der serienmäßige Euro-6-Motor liefern. Der ADAC hat das in einem Test im realen Betrieb auf der Straße (Real Driving Emissions) ebenfalls bestätigt: In allen Testzyklen konnte das BNOx-System die Stickoxid-Emissionen weit unter den Euro-6-Grenzwert von 0,08 Gramm NOx pro Kilometer reduzieren. Allerdings hatte der Einbau des Nachrüstsatzes auch unerwünschte Folgen: Strom und Kraftstoffverbrauch des Testfahrzeuges stiegen um rund fünf Prozent. Zudem wird der Adblue-Bedarf für das System von den Testern je nach Fahrweise mit 1,5 bis 3 Litern je 1.000 Kilometer angegeben, was einen entsprechend großen Zusatztank nötig macht. Aufgrund der fehlenden Serienreife des Systems können vom Automobilclub auch keine Aussagen zur Dauerhaltbarkeit, Systemeinbindung und Betriebssicherheit gemacht werden.

Die Autohersteller betonen gerne, dass eine Nachrüstung des Systems nicht nur mit hohen Kosten verbunden sei, sondern sich nur sehr schwierig umsetzen lasse. "Eine komplette Nachrüstung von Euro 5 auf Euro 6 wäre sehr komplex und würde umfangreiche und tiefe Eingriffe in die Motorsteuerung und Abgasanlage erfordern", sagt beispielsweise der Verband der Automobilindustrie (VDA). Gerade der Einbau in kleine Fahrzeuge sei aufgrund des geringen Bauraums kaum möglich. Daimler vertritt die Auffassung, dass eine Umrüstung in "technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nicht sinnvoll" sei. Auch für Audi ist die Nachrüstung aufgrund des technischen Aufwands "keine Option". Porsche sieht die Umrüstung vom baulichen Aufwand her nicht praktikabel. Einzig BMW schlägt vor, Nachrüstlösungen im Einzelfall zu prüfen. Wie es dann mit Garantieleistungen aussieht, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

Das steckt hinter Euro 5+

Softwarenachrüstung soll Diesel-Fahrverbote verhindern

Neben der Nachrüstung mit SCR-Katalysatoren steht auch die Möglichkeit im Raum, Euro-5- Dieselfahrzeuge mit einem simplen Software-Update sauberer zu machen. Die Hochschule Heilbronn spricht davon, den Stickoxid-Ausstoß nur durch Software-Modifikationen zu reduzieren. Die Emissionen der Euro-5-Diesel ließen sich so von durchschnittlich 900 Milligramm NOx auf unter 350 Milligramm drücken. Möglich wird dies durch eine häufige Abgasrückführung des Motors im Stadtverkehr. Dabei handelt es sich lediglich um einen Kompromiss, um die Fahrverbote zu umgehen, denn die Werte erreichen kein Euro-6-Niveau (deswegen Euro 5+). Laut Expertenmeinung sind diese Werte auch sehr optimistisch eingeschätzt. Ein Nachteil wäre auch das Temperaturfenster, denn bei Minusgraden würden bei der Methode Schäden an der Abgasrückführung drohen.

"Bedingte Emissionsminderung durch Nachrüstung"

asp: Herr Körfer, auch moderne Euro-6-Dieselfahrzeuge stoßen laut Tests oftmals zu viele Stickoxide aus. Welche Fahrzustände sind für die optimale NOx-Reduktion schwierig und können zu mehr Emissionen führen?T. Körfer: Moderne Abgasnachbehandlungssysteme liefern ab einer bestimmten Temperatur die höchsten Wirkungsgrade. Abhängig von der Einbauposition der Abgasnachbehandlungskomponenten, dem thermischen Verhalten des Motors und der Abgasanlage wird diese Temperatur früher oder später erzielt. Bis zum Erreichen dieser Temperatur wird das Emissionsverhalten durch die Rohemissionen des Motors bestimmt. Mit Blick auf das Realemissionsverhalten stellen folgende Fahrzustände die größten Herausforderungen für das Abgasverhalten heutiger Dieselmotoren dar: Kaltstart und Niedriglastbetrieb, schnelle und heftige Laständerungen und bei bestimmten Applikationen der höherlastige oder volllastnahe Betrieb, beispielsweise auf der Autobahn.asp: Wie kann man die NOx-Reduktion, vor allem bei Stadtfahrten im Stopp-&-Go-Verkehr, effizient erhöhen?T. Körfer: Durch die zunehmenden Effizienzsteigerungen zur Erreichung von niedrigen CO2-Werten moderner Fahrzeuge sinkt leider das Abgastemperaturniveau kontinuierlich. Dadurch wird die Leistungsfähigkeit der NOx-Nachbehandlungssysteme erheblich beeinflusst. Folglich sind entsprechende konstruktive Maßnahmen zur Anhebung des Temperaturniveaus, beispielsweise durch verstärkte Isolierungen, innermotorische Heizbetriebsstrategien und Verbesserungen der Konvertierungsraten der Abgasnachbehandlungssysteme im Niedrigtemperaturbereich, erforderlich. Motornah angeordnete Abgasnachbehandlungskomponenten - beispielsweise Dieselpartikelfilter mit SCR-Beschichtung - ermöglichen hohe NOx-Konvertierungsraten bereits kurz nach Motorstart. In Kombination mit optimierten Heizmaßnahmen können auch im Unterboden angeordnete SCR-Systeme hohe Konvertierungsraten nach kurzer Zeit realisieren. Darüber hinaus decken kombinierte Systeme, bestehend aus motornahem NOx-Speicherkatalysator und nachgeschaltetem SCR-Katalysator, beispielsweise einen deutlich ausgedehnten Betriebstemperaturbereich ab.asp: Viele Euro-6-Fahrzeuge sind nur mit einem NOx-Speicherkatalysator ausgestattet. Lassen sich Stickoxidemissionen auch damit wirksam reduzieren?T. Körfer: Auf Grund der erheblich gesteigerten gesetzlichen Anforderungen an das Emissionsverhalten ist davon auszugehen, dass zukünftig alle Applikationen auf die SCR-Technologie zurückgreifen und der NOx-Speicherkatalysator als Bestandteil eines Kombisystems zur Abdeckung des Niedriglastbereichs verwendet wird. Eine erhebliche Absenkung des Motorrohemissionsniveaus beeinflusst auch hier das Regenerationsverhalten und damit den Mehrverbrauch maßgeblich.asp: Lassen sich Euro-5-Fahrzeuge mit einem SCR-Katalysator nachrüsten?T. Körfer: Diese Frage lässt sich leider nicht einheitlich beantworten. Im Allgemeinen umfasst ein modernes Emissionskonzept sowohl innermotorische Maßnahmen als auch Abgasnachbehandlungsmaßnahmen, von daher weisen Euro-5-Motoren bereits erheblich unterschiedliche Technologieeigenschaften auf. Die Umrüstung auf SCR-Systeme ist aufwändig. Die zu integrierenden Komponenten sind ein Adblue-Tank, eine Fördereinheit, ein Dosierventil, eine Mischstrecke inklusive Mischer, beheizte Dosierleitungen und eine Steuerung. Die Steuerung muss auf Temperatur- und NOx-Signale zurückgreifen, für die unter Umständen zusätzliche Sensoren eingebracht werden müssen. Die SCR-Steuerung muss des Weiteren mit dem Motorsteuergerät kommunizieren, um die korrekte Menge Adblue unter allen Randbedingungen zu dosieren. Die Machbarkeit ist daher von der Fahrzeugplattform und dem zur Verfügung stehenden Bauraum abhängig. Es ist leider davon auszugehen, dass realistisch umsetzbare Nachrüstlösungen nur eine bedingte Emissionsminderung im Realbetrieb von Euro-5-Fahrzeugen erzielen. Interview: Rocco Swantusch Thomas Körfer, Group Vice President Light-Duty Diesel bei der FEV Group

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KOMMENTARE


Joachim Mayer

04.03.2018 - 00:34 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe bereits einiges über diese Nachrüstmöglichkeit gelesen. Wir fahren einen fast neuen Range Rover Evoque 2,2 l Diesel mit 190 PS. Aktuell hat der Wagen erste 15000 km gelaufen. Haben sie in absehbarer Zeit ein Nachrüstsystem für Euro 6 für diesen PKW im Angebot?Mit freundlichen GrüßenJoachim Mayer


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