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Trommelbremse: Klassiker neu aufgelegt

14.12.2021 11:00 Uhr | Lesezeit: 4 min
Trommelbremse
Durch das gekapselte System ist eine Trommelbremse in der Lage, Bremsstaub zurückzuhalten.
© Foto: Adobe Stock/pongmojic

In modernen Verbrennern ist die Trommelbremse fast ausgestorben, bei Elektroautos wie dem Volkswagen ID.3 feiert sie hingegen ihr Comeback. Wir haben die Hersteller der Bremssysteme gefragt, warum das so ist.

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Kurzfassung

Die Trommelbremse feiert im Elektroauto ID.3 von Volkswagen ihr Comeback. Aufgrund ihrer geringeren Anfälligkeit für Korrosion im Vergleich zur Scheibenbremse könnte sich die Technik in weiteren Modellen durchsetzen.

Moderne Verbrenner-Fahrzeuge sind im Regelfall mit Scheibenbremsen ausgestattet, die oftmals auch für die entsprechende Optik bei Leichtmetallfelgen sorgen. Doch bei Elektroautos tritt dieser Aspekt in den Hintergrund, denn hier verschieben sich die Prioritäten. Ein Großteil der Bremsvorgänge findet über die Rekuperation statt (siehe Interview S. 27), das Bremssystem muss also nicht so leistungsfähig sein. Dazu haben Scheibenbremsen bei Elektroautos mit Korrosion zu kämpfen, da sie weniger häufig zum Einsatz zu kommen.

Geringe thermische Belastung

Das hat Volkswagen schließlich dazu bewogen, bei den Elektroautos ID.3 und ID.4 an der Hinterachse auf Trommelbremsen zu setzen, die früher auch bei vielen Verbrennern Standard waren. Hat sich hier ein neuer Trend zugunsten der Trommelbremse entwickelt? Wir wollten wissen, ob dieses Konzept bei den Zulieferern ingesamt auf Zustimmung trifft oder ob es hier unterschiedliche Meinungen zu dem Thema gibt. Brembo, Driv und ZF gehören eher zur "Scheiben-Fraktion" und unterstützen dieses Konzept bislang nicht. ZF ließ uns mitteilen, dass die Kunden bislang keine Trommelbremse verlangen. Scheibenbremsen erfüllen laut ZF alle Anforderungen für E-Autos. Außerdem würden Scheibenbremsen stetig optimiert. Tommelbremsen hätten den Nachteil, thermisch nur gering belastbar zu sein und bei intensiver Beanspruchung an Bremsleistung einzubüßen. Obendrein sei der Belag- und Trommelwechsel deutlich (zeit)aufwendiger als bei Scheibenbremsen.

VW ID.3 TMD Friction
Beim ID.3 von Volkswagen kommt die Trommelbremse nur an der Hinterachse zum Einsatz.
© Foto: TMD Friction

Lange Lebensdauer

Auf der Seite der Befürworter der Trommelbremse stehen Unternehmen wie Continental (ATE), TMD Friction und Meyle. TMD Friction verweist darauf, dass sich Trommelbremsen in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Fahrzeuganwendungen bewährt haben. Man kann laut TMD Friction bei E-Autos von einer Art Trendwende weg von Scheiben- hin zur Trommelbremse sprechen. Als Vorteile der Trommelbremse werden die Kapselung und damit ein Schutz vor Umwelteinflüssen sowie Bremsstaub-Emissionen genannt. Eine Trommelbremse ist zudem günstiger als eine Scheibenbremse und bietet zudem eine Selbstverstärkung, kann also mit wenig Betätigungskraft viel Bremsmoment aufbringen. Auch Gewicht und Bauraum sind bei der Trommelbremse geringer, was sich positiv auf die Reichweite des Elektrofahrzeugs auswirkt. Es lässt sich beispielsweise auch eine elektrische Feststellbremse unterbringen.

Nicht zuletzt kann die Trommelbremse eine sehr hohe Lebensdauer erreichen, die sogar der Lebensdauer des Fahrzeugs entspricht. TMD Friction weist jedoch darauf hin, dass zukünftig nicht mehr der Verschleiß, sondern die Alterung der Bremsenkomponenten entscheidend bei Wartungsarbeiten sein könnte. Meyle warnt in diesem Zusammenhang, dass bei seltener Nutzung der Trommelbremse eine geringe Gefahr des "Verglasens" entstehe, was die Bremswirkung reduziert.

Letztlich wird der Einsatz der Trommelbremse aber auch durch den Einsatzzweck entschieden: Ein E-Sportwagen wie der Porsche Taycan oder Tesla Model S wird auch in Zukunft mit Scheibenbremsen unterwegs sein.

Interview Continental - Sebastian Amrioui (Head of Advanced Products) und Mathias Haag (Project Manager Innovation)

Sebastian Amrioui und Mathias Haag
Sebastian Amrioui (l.) und Mathias Haag sind bei Conti für hydraulische Bremssysteme zuständig.
© Foto: Continental

asp: Warum setzt VW beim ID.3 auf eine Trommelbremse an der Hinterachse?

M. Haag: Man hat festgestellt, dass bei E-Autos rund 80 Prozent der normalen Bremsvorgänge durch die Rekuperation abgedeckt sind. Das kann zu korrodierten Bremsscheiben führen, wenn sie nur zu 20 Prozent eingesetzt werden. Hier ist die Trommelbremse im Vorteil, da sie ein gekapseltes System ist, das dadurch weniger korrosionsanfällig ist. Dadurch ist die Bremse dann bei einer Notbremsung schnell und zuverlässig verfügbar.

S. Amrioui: Wir stellen fest, dass mit der zunehmenden Elektromobilität das Interesse der OEM an der Trommelbremse als Lösung stark wächst. Wir führen hier viele Gespräche, gerade im Bereich der kleinen und mittleren Fahrzeuge, aber auch bezüglich schwerer, aber nicht so schneller Fahrzeuge. Da ist eindeutig ein Trend zu sehen.

asp: Was die Bremsperformance angeht, wäre die Scheibenbremse aber die bessere Wahl?

S. Amrioui: Aus Performancesicht hat die Scheibenbremse natürlich Vorteile gegenüber der Trommelbremse. Hier gibt es physikalische Grenzen, denn eine Trommel kühlt nie so gut ab wie eine Scheibe, da sie ein geschlossenes System ist. Die Performance der Bremse steht bei einem E-Auto aber nicht mehr so im Vordergrund wie bei einem Verbrenner. Denn die meisten E-Fahrzeuge sind oft gar nicht in der Lage, mehrmals hintereinander voll zu beschleunigen und dann die Bremse so stark zu belasten, dass sie überhitzt. Teilweise sind die Autos auch in der Höchstgeschwindigkeit auf 160 Kilometer pro Stunde begrenzt. Die Anforderungen an die Bremsperformance sind deshalb nicht mehr so hoch. Das macht die Trommelbremse so interessant für E-Autos.

asp: Ist der Einsatz der Trommelbremse auf bestimmte Fahrzeugtypen beschränkt?

M. Haag: Wir haben festgestellt, dass die Anforderungen unserer Kunden bei den Plattformen sehr unterschiedlich sind. Es gibt People Mover, Stadtfahrzeuge oder auch Sportfahrzeuge. Wir müssen dem Kunden auf die vielfältigen Plattformen auch unterschiedliche Antworten geben. Für ein Performance- E-Fahrzeug wie ein Tesla ist wahrscheinlich eher die Scheibenbremse geeignet, bei einem Stadtfahrzeug wird dagegen die Trommelbremse sehr interessant.

asp: Spielt auch der Umweltaspekt bei der Wahl der Trommelbremse eine Rolle?

M. Haag: Wie bei jeder Reibungsbremse entsteht auch bei der Trommelbremse Verschleiß an den Bremsbelägen. Dieser Abrieb wird durch die Kapselung der Trommelbremse gesammelt und verbleibt größtenteils in der Bremse, was natürlich gut für die Umweltbilanz ist. Im Rahmen des Belagwechsels oder der normalen Serviceintervalle kann der Abrieb dann entfernt werden. Wir sprechen bei der Trommelbremse aber noch von einem Low-Emission-System und noch nicht von einem No-Emission-System.

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