Seit nunmehr fast 100 Jahren werden so genannte Verbundbremssysteme im Motorradbau eingesetzt. Die Technik, die auch heute noch vor allem in Rollern und Motorrädern der unteren Leistungsklassen als Alternative zum ABS angeboten wird, wird inzwischen allgemein als Combined Braking System, kurz CBS, bezeichnet. Mit technisch relativ einfachen Mitteln macht diese Lösung Bremsanlagen deutlich leistungsfähiger und kann darüber hinaus viele kritische Fahrsituationen bei Notbremsungen entschärfen helfen.
Kern des Verbundbremssystems ist es, die Bremskraft auf die Bremsen beider Räder zu verteilen, auch wenn nur ein Bremshebel betätigt wird. In der Regel wird die Hinterradbremse automatisch aktiviert, wenn der Fahrer die Vorderradbremse betätigt und/oder umgekehrt. Dieses Prinzip sorgt für eine gleichmäßige Verzögerung und eine verbesserte Stabilität, was insbesondere für weniger geübte Fahrer oder in kritischen Fahrsituationen von Vorteil ist.
In der Regel wird die Bremskraft in einem bestimmten Verhältnis zwischen Vorder- und Hinterrad verteilt, um eine optimale Balance zu gewährleisten. Bei Verbundbremssystemen werden hydraulische Verbindungsleitungen, Ventile oder Proportionaldruckregler eingesetzt, um ein Blockieren der Räder durch ungleiche Bremskraft zu verhindern.
Erste Versuche mit Verbundbremsen gab es bereits in den 1920er Jahren. Der große Durchbruch ließ jedoch auf sich warten. Größere Verbreitung fand die Integralbremse, die Moto Guzzi ab Mitte der 1970er Jahre in mehreren Modellen einführte und die über Jahrzehnte hinweg ein Markenzeichen des italienischen Motorradherstellers blieb. Auch Benelli stattete seine legendäre 900 Sei mit Sechszylindermotor ab Ende der 1970er Jahre mit einer Integralbremse aus.
Seit den 80er Jahren: Honda setzt auf Verbundbremssystem
Ab den 80er Jahren setzte auch Honda, zum Beispiel bei der Gold Wing GL 1100, auf ein Verbundbremssystem. In den folgenden Jahren entwickelte Honda die Technik weiter. 1993 führten die Japaner zunächst in der CBR1000F das Dual-CBS ein. Dabei werden beim Betätigen des Handbremshebels nur vier der sechs Bremskolben der vorderen Bremsscheiben aktiviert. Gleichzeitig wird der Bremsdruck über einen zweiten Bremszylinder, der über den schwenkbar gelagerten linken vorderen Bremssattel betätigt wird, auf die beiden äußeren Kolben des hinteren Bremssattels übertragen. Umgekehrt wirkt der Fußbremshebel zunächst auf die Hinterradbremse und aktiviert über ein Ventil verzögert die mittleren Kolben der Vorderradbremse. 1999 folgte ein einfacheres Single-CBS, das Honda bei verschiedenen Rollermodellen einsetzte.
Parallel dazu setzte sich ab Ende der 80er Jahre im Motorradbau allmählich das ABS durch, das noch mehr Sicherheit bei Notbremsungen versprach. CBS sorgt zwar für eine gleichmäßige Bremskraftverteilung, kann aber ein Blockieren der Räder nicht aktiv verhindern.
ABS hingegen erkennt, wenn ein Rad zu blockieren droht und regelt gezielt den Bremsdruck, um ein Blockieren der Räder und damit einen möglichen Sturz zu verhindern. In puncto Sicherheit ist ABS dem CBS klar überlegen, weshalb Motorradhersteller schon seit vielen Jahren vor allem auf ABS setzen. In den letzten Jahren wurden beide Systeme sogar häufig kombiniert, um sowohl eine gleichmäßige Bremskraftverteilung als auch eine aktive Blockierverhinderung zu gewährleisten.
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CBS hat jedoch den Vorteil, dass es einfacher und kostengünstiger zu realisieren ist. Es verbessert das Bremsverhalten, ohne dass zusätzliche Sensoren oder komplexe Elektronik erforderlich sind. Gerade in preisgünstigen Fahrzeugsegmenten oder bei Leichtkrafträdern bleibt es daher eine sinnvolle Alternative zu ABS. In vielen Ländern sind ABS oder CBS inzwischen sogar gesetzlich vorgeschrieben. Die CBS-Pflicht betrifft meist Neufahrzeuge unterhalb einer bestimmten Hubraumgrenze.
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