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Abkühlung

15.07.2011 12:02 Uhr

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Der Weg zum Kältemittel HFO-1234-yf

Über das neue Kältemittel HFO-1234-yf für Autoklimaanlagen wurde hitzig diskutiert, doch bis jetzt, kurz vor der Markteinführung, haben sich nach unzähligen Tests und Untersuchungen viele Aspekte relativiert.

Wer einmal ein Fahrzeug mit Klimaanlage hatte, möchte auf ein solches System nicht mehr verzichten. Hohe Wiederkaufsraten von Autoklimaanlagen sowie hohe Ausstattungsraten bei Neufahrzeugen quer durch alle Fahrzeugklassen belegen dies. Längst ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Autofahrer in Fahrzeugen mit Klimaanlage sicherer und gesünder fahren. Doch die kühlende Technik hat auch ihre Schattenseiten. So trägt frei in die Umwelt gelangendes Kältemittel R134a zur Erderwärmung bei, weil es sich in der Atmosphäre nur langsam abbaut. Um der Klimaerwärmung weltweit Einhalt zu gebieten, wurden international Verträge geschlossen, um den weltweiten Ausstoß von fluoriertem Kältemittel zu reduzieren. Die internationalen Verträge wurden in europäische und nationale Gesetze gegossen. Die Richtlinie 2006/40/EG über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen untersagt den Einsatz des fluorierten Treibhausgases Tetrafluorethan (R134a) in neu homologierten Pkw-Fahrzeugtypen ab dem 1. Januar dieses Jahres. Ab 1. Januar 2017 gilt das Verbot für die Autoklimaanlagen aller neu in den Verkehr gebrachten Fahrzeuge.

Kältemittel im harten Wettbewerb

Welches Kältemittel das Rennen machen würde, war vor fünf Jahren noch völlig offen. Schließlich gab es in Deutschland bereits CO2-Klimaanlagen im Nutzfahrzeugbereich, die sogar mit hohen Auszeichnungen für ihren Beitrag zum Umweltschutz bedacht wurden. Für die im VDA organisierten Automobilhersteller war die Sache deshalb schnell klar: CO2 wird das Kältemittel der Zukunft. Auch das Umweltbundesamt unterstützte CO2. Doch so einfach war es dann doch nicht, denn weltweit wurde ein völlig anderes Kältemittel favorisiert: HFO-1234-yf. Weil Deutschland keine Insel ist und stark vom Export abhängig ist, mussten auch die VDA-Mitglieder irgendwann auf HFO-1234-yf umschwenken. Das taten sie dann auch sichtlich zerknirscht. In der Zwischenzeit hatten tendenziöse Berichte in den Publikumsmedien bereits ein negatives Bild von HFO-1234-yf erzeugt. Videos von brennenden Autos mit HFO-1234-yf- Klimaanlagen an Bord und Beiträge über die Giftigkeit dieses Kältemittels machten die Runde.

Gutes Klima ohne Klimakiller

Doch was ist HFO-1234-yf nun eigentlich genau und warum wurde es entwickelt? Als klar wurde, das R134a nur noch eine begrenzte Zeit als Kältemittel für Autoklimaanlagen eingesetzt werden dürfte, machten sich die Chemie-Unternehmen DuPont und Honeywell gemeinsam auf die Suche nach einem umweltfreundlichen Ersatzstoff. Dabei kooperierten sie von Anfang an mit der Automobilindustrie. Die Autobauer waren an einem möglichst unkomplizierten Ersatz für R134a interessiert, also einem Stoff, welcher sich ohne große Änderungen an den Autoklimaanlagen verwenden ließ. Die Entwicklung eines neuen Kältemittels vollzieht sich etwas anders als im Maschinenbau. Es wird kein Stoff konstruiert, sondern man sucht nach den gewünschten Eigenschaften und nähert sich so Schritt für Schritt nach vielen Analysen einem Ergebnis.

Eines der primären Entwicklungsziele war das Erreichen eines niedrigen GWP. GWP steht für Global Warming Poten-cial und bedeutet übersetzt soviel wie Erderwärmungskoeffizient. Je niedriger der GWP ist, desto weniger trägt ein Stoff zur Erderwärmung bei. R134a hat mit seinem GWP 1.300 einen sehr hohen Wert. Das neue HFO-1234-yf hat nur einen GWP 4. Aus diesem Grund wurde in der Chemikalien-Klimaschutz-Verordnung festgelegt, dass kein Kältemittel R134a in defekte Klimaanlagen zum Zwecke der Lecksuche eingeführt werden darf. Und weil R134a einen so schlechten GWP-Wert aufweist, wurden die Anforderungen an die Präzision der Klima-servicegeräte deutlich erhöht. Waagen, Ventile und Prozesse müssen viel genauer arbeiten, damit möglichst kein R134a in die Umwelt gelangen kann.

Ausführliche Tests

Als nach vielen Versuchen HFO-1234-yf, mit korrektem Namen nennt es sich 2,3,3,3‑Tetrafluorpropen, endlich gefunden war, folgte ein Marathon an unterschiedlichen Untersuchungen und Analysen. Mehrere Prüforganisationen testeten alle möglichen Eigenschaften des neuen Kältemittels. Wichtige Eigenschaften wurden auch mehrfach von unterschiedlichen Instituten geprüft. Vor allem wurde die Brennbarkeit untersucht. HFO-1234-yf ist entzündlich, aber nur unter sehr extremen Bedingungen. Wird es etwa auf eine 800 Grad Celsius heiße, rot glühende Metallplatte geleitet, entzündet es sich nicht. Doch die Vorschriften auf diesem Gebiet sind streng und so muss es als leicht entzündlich deklariert werden. In Vermischung mit Luft ist es auch explosiv. Dies ist der Grund, warum die neuen Klimaservicegeräte über eine aktive Innenbelüftung verfügen müssen. Auch die Toxizität und vieles andere wurde überprüft. Schließlich kann bei einem Brand des Kältemittels Flusssäure entstehen und freigesetzt werden, doch die Mengen sind minimal.

Nach vielen Untersuchungen und Gegenproben steht fest, das HFO-1234-yf sich in fast allen Punkten ähnlich unproblematisch verhält wie R134a. Selbst die Feuerwehren, welche verständlicherweise mit großer Skepsis an das neue Kältemittel herangegangen waren, sehen keine zusätzlichen Gefahren mehr auf sich zukommen, wenn die übliche Schutzkleidung bei Lösch- und Bergungsarbeiten getragen wird. Die anfängliche Aufregung um das Kältemittel HFO-1234-yf hat sich inzwischen gelegt, nachdem in einer Vielzahl von Tests nachgewiesen wurde, dass das Sicherheitsrisiko im Umgang mit dem neuen Kältemittel in Werkstätten nicht höher ist als bei R134a.

Persönliche Schutzausrüstung

Allerdings gilt das nur, wenn die persönliche Schutzausrüstung getragen wird und der Klimaservice so wie in den Sachkundenachweis-Schulungen vermittelt, durchgeführt wird. Wichtig wird vor allem die routinemäßige Kältemittelanalyse sein, denn es wird im Service nicht immer nur einwandfreie Befüllungen bei Kundenfahrzeugen geben. Schon um das Klimaservicegerät vor Verunreinigung zu schützen und um den Betrieb sicherzustellen, sollte die Kältemittelanalyse zukünftig selbstverständlich zum Klimaservice dazugehören.

Kein größeres Risiko als bisher

Als HFO-1234-yf erstmals erwähnt wurde, gab es noch so gut wie keine Informationen über dieses Kältemittel. Daraus und aus einer hierzulande gelebten Vorliebe für das Kältemittel CO2 entstanden einige Vorurteile. Diese Situation hat sich bis heute grundlegend geändert und versachlicht. Auf der IAA im September werden die ersten Autos mit HFO-1234-yf gefüllten Klimaanlagen stehen. Im Laufe der Folgemonate werden die Fahrzeuge dann auf den Markt kommen.

Das neue Kältemittel wird sicher teurer werden als R134a, denn Entwicklung und Erprobung bis zur Marktreife haben große Summen verschlungen. Die Produktion von DuPont und Honeywell in ihrem Gemeinschaftswerk in Asien wird in der zweiten Jahreshälfte 2011 anlaufen. Nach langen Diskussionen ist dann der Markteintritt geschafft. Es wird allgemein damit gerechnet, dass dies unproblematisch ablaufen wird. Übrigens sind die HFO-1234-yf-Moleküle größer als die von R134a, wodurch es möglicherweise zu einem geringeren Kältemittelverlust über die Laufzeit der Fahrzeuge kommt. Bernd Reich

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