Beim "Zukunftstag", den die Teilehandelskooperation Carat zusammen mit der Entsorgungsinitiative Partslife in Darmstadt veranstaltete, stand das Thema Digitalisierung der Kfz-Servicebranche im Mittelpunkt. Carat-Geschäftsführer Thomas Vollmar gab einen ersten Einblick in die Funktionsweise der Plattform Mecanto, die noch in diesem Jahr an den Start gehen soll und das Werkstattgeschäft stärker in Richtung Digitalisierung treiben soll. Die Teilekooperation sieht Mecanto als Antwort des unabhängigen Reparaturmarktes auf neue Mobility-Angebote der Fahrzeughersteller wie "Mercedes Me" oder "BMW Drive Connect", die auf der Basis von ausgelesenen Fahrzugdaten dem Kunden den jeweils passenden Service bieten. Der freie Reparaturmarkt sieht in den datengetriebenen Aktivitäten der Fahrzeughersteller eine Bedrohung des eigenen Geschäftsmodells und fürchtet eine "digitale Aussperrung" sowie den Verlust der direkten Kundenbeziehung.
Das Geschäft wird mehr und mehr datengetrieben sein
"Wir müssen als Teilehandel eine Antwort geben auf die stattfindenden Verlagerungen und wir gehen davon aus, dass unser Geschäft künftig viel stärker als heute datengetrieben sein wird“, erklärte Carat-Geschäftsführer Thomas Vollmar und ergänzte: „Im Zentrum der Mecanto-Strategie steht die digitale Vernetzung aller Stufen der Wertschöpfungskette, mit dem Ziel, komfortable Problemlösungen und Zusatzservices auf Basis aktuellster Technologie bereitzustellen.“ Schätzungen gehen laut Carat davon aus, dass bereits in zwei Jahren 70 Prozent aller Fahrzeuge "connected" sein werden, also über eine Datenverbindung mit dem Internet verfügen – sei es über einen integrierte Datenverbindung oder über einen Dongle für die OBD-2-Schnittstelle.
Für den Betrieb der Plattform Mecanto hat Carat bereits 2017 eine eigene operative Gesellschaft gegründet - die Carat Digital GmbH. Für den eigenen Dongle hat man sich mittlerweile den Namen "DongleAutomotive" schützen lassen. "Wir sind aber nicht auf einen Dongle beschränkt, sondern offen“, erklärte Projektleiter Christian Gabler. Derzeit könne Mecanto Daten von vier verschiedenen Dongles verarbeiten. In seiner Präsentation erklärte Gabler die Funktionsbausteine von Mecanto im Detail und zeigte in einer Live-Vorführung mit Echtdaten sowohl die Sicht des Autofahrers als auch die Sicht der Werkstatt auf die Plattform. Unter der Plattform sind im Wesentlichen drei Funktionsbausteine integriert:
=> Teileshop für Endverbraucher
=> Werkstattvermittlungsportal mit Terminvereinbarung
=> Flottenverwaltung für gewerbliche Kunden
Bei allen Funktionen ist selbstredend der Teilegroßhandel direkt mit angeschlossen. Der Kunde kann sein Ersatzteil direkt bestellen und dann für den Einbau eine Werkstatt finden. Carat beugt sich hier ein Stück weit den Gegebenheiten des Marktes, denn immer öfter kämen Kunden mit eigenen Teilen in die Werkstatt. "In einigen Jahren kann sich keine Werkstatt diesem Trend entziehen. Die Alternative wäre der komplette Verlust des Kunden", argumentierte Gabler. Laut einer Erhebung nahm der Onlinekauf von Ersatzteilen 2017 um zehn Prozent zu und die Hälfte der online bestellten Teile wurden in einer Fachwerkstatt verbaut (ATOM, AutoteileOnlineMonitor, 2018).
Alle notwendigen Daten kommen über die Plattform
Die Werkstatt bekommt – hat sie eine Terminanfrage bestätigt – alle notwendigen Daten digital über die Plattform. Die Plattform zapft hier nicht nur Daten des OBD-Steckers an, sondern nutzt pro Alert bis zu vier Datenquellen. So kann Mecanto auch Daten aus dem Datenmarktplatz Caruso verarbeiten (zum Bespiel Daten vom Fahrzeughersteller) oder Daten von kooperierenden Teileherstellern.
Die Werkstatt kann online alle notwendigen Teile über die Plattform beim Teilegroßhandel bestellen. Verschiedene Qualitätsstufen stehen dabei zur Verfügung. Die Teile stammen zumindest im ersten Schritt von Carat-Gesellschaftern, die für die Teilelieferung 70 Prozent des Teilebestellwertes erhalten. 15 Prozent des Teilewertes landen als Marge bei der Werkstatt, weitere 15 Prozent behält die Plattformbetreiber selbst ein.
Bei den verrechneten Arbeitswerten landen 15 Prozent bei Mecanto als "Vermittlungspauschale", den Rest erhält die Werkstatt. Der Zahlungsverkehr durch den Autofahrer erfolgt dabei über die Plattform und nicht direkt über die Werkstatt. Die zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze bewegen sich laut Carat-Geschäftsführer Vollmar dabei in einem wettbewerbsfähigen Bereich.
Ob das Konzept beim Kunden ankommt und ob die Werkstätten mit Mecanto dann tatsächlich arbeiten, entscheide sich ohnehin nicht in erster Linie über den Preis, ist Christian Gabler überzeugt: "Es kommt auf das Gesamtkonzept dahinter an und darauf, dass die Technik verlässlich funktioniert."
Energiemanagement für Werkstätten
In Darmstadt zeigte der Entsorgungsspezialist Partslife eine zukunftsweisende Lösung für das Energiemanagement in Werkstätten. Franco Jutrczenka, neuer Geschäftsführer von Partslife, stellte zudem seine Pläne für die Zukunft des eigenen Unternehmens vor. Noch digitaler und noch serviceorientierter wolle man werden – unter anderem wolle man eine digitale Plattform aufbauen auf der das Unternehmen neue Services im Bereich Entsorgungsmanagement bieten möchte.
Frederik Haas, Projektmanager Partslife, zeigte in seinem Vortrag, wie Partslife Werkstätten, Industrie und Handel dabei unterstützen kann, "Smart Metering" in ihren Betrieben umzusetzen. Smart Meter sind kleine Messgeräte, die sämtliche Verbraucher beobachten und die so erhobenen Energie-Daten sichtbar machen. Sofort lässt sich erkennen, wann und wo wie viel Strom verbraucht wird. Bei Bedarf können Betriebe gegensteuern.
"Smart Meter sind noch nicht flächendeckend Pflicht", erklärt Frederik Haas, Projektmanager bei Partslife. "Nur Betriebe mit einem Stromverbrauch von mehr als 10.000 Kilowattstunden jährlich müssen ihren Stromverbrauch mit den schlauen Zählern messen." Das betrifft derzeit etwa 30 Prozent der Werkstätten und 80 Prozent der Teilehandelsbetriebe in Deutschland. Sinnvoll ist es jedoch laut Haas, sich schon jetzt auf die neue Technik einzulassen. Ursprünglich war es geplant, dass auch Werkstätten mit einem Stromverbrauch über 6.000 Kilowattstunden pro Jahr ab 2020 Smart Meter einsetzen müssen. Aber bisher gibt es dazu noch keine gesetzlichen Bestimmungen.
Die Geräte spüren auch Spitzen in der Stromlast auf. Wer weiß, dass der Strompreis im gewerblichen Bereich nach dem Zeitpunkt der Spitzenlast berechnet wird, kann diese Spitzenverbräuche unter Umständen auf einen anderen Zeitpunkt legen. Strom ist um die Mittagszeit am teuersten, wenn alle am Herd stehen. (diwi)