Kurzfassung
Dirk Wittenberg hat als Geschäftsführer der Coparts Autoteile GmbH die Nachfolge von Ulrich Wohlgemuth angetreten. Für Werkstätten will er digitale Tools bereitstellen, damit sie auch Flottenkunden bedienen können.
asp: Musste Coparts im vergangenen Jahr coronabedingt Einbrüche verkraften?
D. Wittenberg: Nein, ganz im Gegenteil, wir sehen auf der Einkaufsseite unserer Gesellschafter, dass wir 2021 sicher vier bis fünf Prozent über unserer sehr anspruchsvollen Planung lagen. Die Geschäfte liefen gut. Das lag auch daran, dass die großen Wettbewerber ihre Vertriebsaktivitäten reduziert und ihre Werkstattpartner dadurch weniger eng betreut haben. Der Mittelstand war deutlich aktiver und enger am Kunden. Die Kunden haben das honoriert. Die Lieferfähigkeit in der Coparts-Gruppe war durchweg sehr gut.
asp: Was sind Ihre wichtigsten Projekte?
D. Wittenberg: Viele Projekte haben mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der IT zu tun. Wir schauen uns Prozesse genau an und digitalisieren, wo es Sinn macht, beispielsweise bei der Aktualisierung von Preislisten oder Neuteilelisten. Wir sind mit vielen Lieferanten und Partnern im Kontakt, um die Prozesse über den gesamten Weg zu uns und den Gesellschaftern zu optimieren. Wir möchten selbstverständlich auch die Bausteine unserer Konzepte weiterentwickeln, dabei geht es nicht nur um die Digitalisierung. Wir klopfen die Konzepte stets danach ab, wo wir effizienter werden können, und fragen uns, was ist eigentlich noch zeitgemäß, welche neuen Themen bewegen die Werkstätten? Das machen wir gemeinsam mit den Systemleitern der Gesellschafter. Unsere Kataloge sind auf dem neuesten Stand, wir haben daran sehr viel gearbeitet. Seit Ende des Jahres läuft der Rollout des neuen Systems Dolphin, die neue webbasierte Katalog-Applikation für die Werkstätten. Wir legen darin noch mehr als bisher Wert auf die Prozessoptimierung in der Werkstatt. Neue Funktionen und Module sind hinzugekommen, wir haben optimiert vom Annahmeprozess bis zur Rechnungsstellung, beispielsweise auch für die schnelle Kalkulation von Angeboten in der Werkstatt.
asp: Bieten Sie digitale Terminvereinbarung?
D. Wittenberg: Die Präsenz im Internet ist wichtig, auch die digitale Terminvereinbarung. Da ist allerdings noch viel Entwicklungspotenzial. Es gibt einfach noch zu viele Medienbrüche in den Werkstätten: Website, Katalog, DMS, Planungs-Tool - das sollte im Idealfall miteinander verzahnt sein. Das fängt bei der Terminvergabe an, manche schreiben das auf, andere haben schon einen elektronischen Terminkalender. Manche Werkstätten konzentrieren sich lieber erst mal auf einen Teilaspekt, beispielsweise während der Räderwechsel-Saison. Die Ansprüche der Werkstätten sind sehr unterschiedlich: Manche wollen alles voll integriert, also eine Verknüpfung der Online-Terminvereinbarung mit dem eigenen DMS. Andere scheuen diesen Durchgriff und haben Angst, Kontrolle aus der Hand zu geben. Für die optimale Termin- und Ressourcenplanung gibt es gute Beispiel im K&L-Bereich - auch was die Auskunftsfähigkeit über den Fortgang der Reparatur betrifft.
asp: Wie weit ist die Umstellung auf das webbasierte Katalogsystem umgesetzt?
M. Völling: Es sind derzeit noch viele Kunden auf der bewährten Plattform unterwegs. Eines unserer wichtigsten Ziele für dieses Jahr ist es, die Umstellung auf das neue webbasierte System hinzubekommen. Der große Vorteil: Mit dem neuen System können gesteuerte Aufträge im Flottenbereich gleich digital verarbeitet werden - das konnte das bisherige System noch gar nicht.
D. Wittenberg: Damit sind wir weit vorne! Es ist wichtig, dass man die Prozesse ganzheitlich sieht. Von wem kommen die Daten, die ich benötige, wie kann ich sie schnell bekommen und wie kann ich sie verarbeiten? Wenn Aufträge über eine Flottensteuerung kommen, sollten die Aufträge digital verarbeitet werden können.
asp: Stichwort Flotte: Wie wichtig werden Flottenkunden für die Werkstattpartner?
D. Wittenberg: Das ist ein ganz großes Thema. Die Vorteile, aber auch die Herausforderungen für die Werkstatt liegen darin, dass Fahrzeuge kommen, die man früher nicht in der freien Werkstatt hatte - also jüngere Fahrzeuge. Treiber sind die Veränderungen im Markt: Leasing-Gesellschaften und Flotten haben einen großen Preisdruck. Sie suchen auch nach Angeboten im Bereich "freie Werkstatt". Hier gibt es die Notwendigkeit, sich zu bewegen, zumal die OE-Servicenetze immer kleiner werden. Hier spüren wir ein großes Interesse.
M. Völling: In den Ländern um uns herum kann durchaus eine andere Bedeutung des Themas beobachtet werden. Deutschland zieht hier in vielen Bereichen nach, und unsere Tochtergesellschaft Global Automotive Service GmbH (G.A.S) ist hier stark etabliert und löst die Kundenprobleme in vielerlei Hinsicht (Planung, Schulung, zentrale Abrechnung). Wenn ein neuer A6 kommt, dann muss sich die Werkstatt damit auskennen. Diese Autos kommen dann auch zur Inspektion und Wartung, und das ist ein planbares Geschäft.
asp: Inwieweit profitieren ihre Profi-Werkstattpartner von der G.A.S?
D. Wittenberg: Betriebe müssen vor allem die Motivation mitbringen, an dem gesteuerten Geschäft teilzuhaben. Voraussetzung sind eine Zertifizierung und die Teilnahme an unserem Schulungskonzept, unter anderem zu den Themen Reifenservice und E-Mobilität - hier sind die Partnerbetriebe der G.A.S seit Jahren Vorreiter im freien Markt. Heute ist der größte Teil der Profi- Service-Werkstätten Teil des G.A.S-Netzes, aber auch andere Betriebe profitieren von unseren Aktivitäten.
asp: Wie groß ist der Handlungsdruck im Bereich E-Fahrzeuge?
D. Wittenberg: Im Moment kommen vor allem Hybridfahrzeuge; diese sind vorwiegend im Bereich Firmenwagen anzutreffen. Viele Firmen haben Vorgaben zum Flottenverbrauch, deshalb sind Hybride dort beliebt. Je mehr Fahrzeuge über die Flottenschiene kommen, desto präsenter wird das Thema in den Werkstätten. E-Fahrzeuge sind aber auch im privaten Bereich immer häufiger anzutreffen, oft als Zweitfahrzeuge. Stammkunden bringen diese dann einfach ebenfalls in "ihre" Werkstatt mit.
asp: Was bedeutet das umsatzseitig?
M. Völling: Über die G.A.S.-Aktivitäten werden die neuen Fahrzeugtypen schneller zu unseren Kunden als bei den Wettbewerbern, was sicher positiv zu bewerten ist. Wir sind "dichter dran". Manche Komponenten entfallen, neue kommen hinzu. Wir verfolgen die Entwicklung sehr genau.
asp: Wie wichtig werden Daten aus dem Fahrzeug für Werkstätten?
D. Wittenberg: Hier muss zunächst die Legislative den Datenzugang klären. Der Gesetzgeber muss festlegen, welche Daten der Automobilhersteller für den IAM freigeben muss. Wir wünschen uns einen diskriminierungsfreien Zugang zu den relevanten Daten. Für Dongle-Lösungen sehen wir aktuell keinen Business-Case. Privatkunden installieren einen Fahrzeugstecker nur, wenn sie deutliche Vorteile sehen. Und eine Kernfrage lautet: Wer bezahlt das? Für die Werkstatt lohnt sich die Ausgabe für solch einen Stecker eher nicht, vor allem nicht bei älteren Autos.
M. Völling: Telematikdaten - direkt vom OE oder aus einem OBD-Stecker - sind heute eher im Flottenbereich interessant. Hier kann mit den Daten gearbeitet werden, Datenauswertungen machen hier ökonomisch durchaus Sinn. Langfristig und wenn die vorhandene Infrastruktur in den Fahrzeugen genutzt werden kann, wird das aber sicher auch im Privatbereich ein wichtiges Thema.
asp: Sind in diesem Jahr wieder Live-Veranstaltungen geplant?
D. Wittenberg: Im November sind endlich wieder die Profi-Servicetage in Frankfurt geplant. Die Vorbereitungen dafür laufen, hier müssen wir aber auch auf die aktuelle Corona-Situation reagieren. Grundsätzlich gehen wir aber davon aus, dass wir wieder vor Ort sein werden. Der Wunsch bei den Unternehmen, sich endlich wieder am Messestand zu treffen, ist auf jeden Fall vorhanden.
asp: Wo bleibt der Mittelstand im Teilegroßhandel?
D. Wittenberg: Die Kooperationen der mittelständischen Teilegroßhändler sind ein wichtiges Gegengewicht zu den großen Playern. Es ist notwendig, die Kräfte zu bündeln und mit einer Stimme mit der Industrie zu sprechen. Wir erwarten eine Gleichbehandlung seitens der Industrie, das ist ja auch in deren eigenem Interesse, denn sonst haben sie es irgendwann nur noch mit Großkonzernen zu tun. In gewisser Weise steuert die Industrie selbst, wie der Markt von morgen aussieht. Die Stärke des Mittelstands ist die Nähe zum Kunden, man kennt seinen persönlichen Ansprechpartner und sucht gemeinsam nach Lösungen. Und es hat sich vor allem in der Pandemie auch deutlich gezeigt, wie wichtig das den Kunden ist.
Interview: Dietmar Winkler
- Ausgabe 04/2022 S.52 (105.0 KB, PDF)