Von Heiko Lossie und Julian Stratenschulte, dpa
Die VW-Vertragswerkstätten rüsten sich in diesen Tagen für die erste große Rückrufwelle im Diesel-Skandal. Denn in den nächsten Wochen dürfen schrittweise erstmals Zehntausende betroffene Autos aus dem Konzern für die Software-Nachbesserungen in die Werkstatt. Die Halter bekommen dafür eine Info-Post nach Hause.
In der Vergangenheit hatte es Befürchtungen gegeben, dass die Aktion womöglich auch Logistikprobleme, Engpässe oder Kundenwut nach sich ziehen könnte. Zumindest in der VW-Heimat Niedersachsen gab es am Freitag Stimmen, die das Gegenteil nahelegten. Der Chef einer VW-Werkstatt aus der Region Hannover sagte: "Die Kunden sind prinzipiell sehr entspannt und wir sind es auch." Ähnlich äußerte sich ein Kollege im Großraum Wolfsburg.
Die beiden Fachleute stehen für Werkstätten, die sich vor allem auf private Autobesitzer spezialisiert haben. Sie geben zu bedenken, dass bei der Umrüstung ganzer VW-Flotten größere Herausforderungen anstehen dürften, vor allem dann, wenn sich diese Firmenwagen lokal häuften.
Monatelange Freigabe-Verzögerungen
VW hatte am Mittwoch erklärt, die behördliche Freigabe für die Nachbesserungslösungen bei weiteren 1,1 Millionen betroffenen Fahrzeugen europaweit lägen vor, darunter VW-Pkw, VW-Nutzfahrzeuge und Audi. Zuvor hatte es bei der größten Rückrufaktion in Europas Automobilgeschichte monatelange Freigabe-Verzögerungen gegeben.
Insgesamt hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) laut VW inzwischen gut 2,5 Millionen Konzern-Fahrzeuge europaweit zur Umrüstung freigegeben. In Summe sind auf dem Heimatkontinent 8,5 Millionen Diesel von den Manipulationen bei der Motorsoftware betroffen.
Als Faustformel gilt, dass etwa ein Drittel davon auf Deutschland entfällt. Bei den rund 2,5 Millionen Wagen hierzulande, die zur Umrüstung müssen, macht das also etwa 800.000 Fahrzeuge bundesweit. Sie können nun in die Werkstatt, die Halter werden angeschrieben.
Gigantische Arbeitswelle für Werkstätten
Auf das Netz der VW-Vertragswerkstätten rollt mit dem Massenrückruf in der Diesel-Affäre eine gigantische Arbeitswelle zu. Laut VW gibt es bundesweit 2.173 Volkswagen-Partner, deren Werkstätten für den Rückruf autorisiert sind. Damit ergeben sich mit den 2,5 Millionen zurückgerufenen Dieseln rein rechnerisch 1.150 Wagen pro Werkstatt.
Der VW-Werkstattchef aus der Region Hannover sagte, die Staffelung der KBA-Freigaben dürfte einen punktuellen Ansturm verhindern. Hinzu komme, dass nicht alle Kunden sofort zur Umrüstung wollten. Viele warteten, bis Routinen wie Reifenwechsel, die nächste Inspektion oder die Hauptuntersuchung anstünden und man ohnehin zur Werkstatt muss.
Seinen Angaben zufolge müssen Kunden etwa 45 Minuten für die Prozedur einplanen. Das Update selber, bei dem die Wagen am Computer stecken, dauere zwar nur gut 15 Minuten. "Mit den nötigen Vorbereitungen ergibt das eine gute halbe Stunde insgesamt." Hinzu komme die Annahme der Kundendaten und Aufwand für die Dokumentationspflichten. Denn VW muss dem KBA nachweisen, welche Wagen umgerüstet sind. Haltern, die sich beharrlich weigern, droht das Erlöschen der Betriebserlaubnis.
60 Euro für die Update-Aktion
Wie die beiden Werkstatt-Chefs berichteten, erhalten sie gut 60 Euro (ohne Mehrwertsteuer) für die Update-Aktion der illegalen Software, im Fachjargon auch "Flashen" genannt. "In dieser Summe steckt keine Marge", sagten die Experten. Sie sei aber intern kostendeckend.
Für die Werkstätten - viele von ihnen haben das VW-Autohaus gleich nebenan - stecken aber Geschäftschancen in den Kundenkontakten, die sie mit dem Rückruf bekommen. Denn viele Halter sind mit den Autos, die den oft schon mehrere Jahre alten Diesel-Skandalmotor EA189 eingebaut haben, nicht mehr bei den VW-Vertragspartnern, sondern bei freien Werkstätten. Sie kommen nun zu den VW-Partnern und - falls sie einwilligen - landen ihre Kundendaten dort auch in den Systemen. Das können Werkstätten nutzen für Werbung oder Aktionen wie Hinweise auf die nächste Hauptuntersuchung. "Auch unter dem schlechten Stern der Abgas-Krise steckt damit eine Chance für neues Geschäft", sagt einer der Werkstattchefs.
Sein Kollege berichtet von der Kehrseite: Die freien Werkstätten bleiben bei der Umrüstung außen vor, sie dürften nicht mitmachen. «Die haben einen Hals», sagte der Kfz-Meister. (dpa)