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Interview: Mehr als Schadengutachten

15.11.2021 11:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Marco Schmickler und René Schulz
Marco Schmickler, Leiter der Service Line Schaden und Wert, und René Schulz, Key Account Manager TÜV SÜD Division Mobility (v. l.)
© Foto: TÜV SÜD

TÜV SÜD steht Werkstätten beim Thema Schadenmanagement als neutraler Partner zur Seite. Wir sprachen mit Marco Schmickler, Leiter der Service Line Schaden und Wert, und René Schulz, Key Account Manager TÜV SÜD Division Mobility.

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Kurzfassung

In einer neuen Serie zeigen wir die unterschiedlichen Facetten der Servicebausteine von TÜV SÜD im Bereich Schadenmanagement - speziell für freie Werkstätten. Viele Servicebetriebe verschenken hier Umsatzpotenzial.

asp: Wie positioniert sich TÜV SÜD als Partner im Schadenmanagement bei den freien Werkstätten?

Marco Schmickler: Viele freie Betriebe lassen das Thema Schadenmanagement immer noch außen vor und haben wenig damit zu tun. Man hat nicht selten Berührungsängste und überlässt das Geschäft komplett den K&L-Betrieben. Wir möchten erreichen, dass auch die klassische Mechanikwerkstatt das Geschäft für sich erschließt und ihren Kunden Services im Bereich Schadenmanagement anbieten kann - das betrifft auch die Werkstattketten und Systemgeber, die hier viel Potenzial liegen lassen. Dabei könnten die Werkstattketten und Systemgeber ihren Filialen bzw. Partnern ein lukratives Feld erschließen.

asp: Was kann TÜV SÜD hier anbieten?

René Schulz: Grundlage unserer Services im Bereich Schadenmanagement ist das Schadengutachten. Darüber hinaus unterstützen wir die Werkstätten bei der Kommunikation mit dem Versicherer und bei Bedarf auch mit Beistand von spezialisierten Rechtsanwälten. Die Schadenabwicklung über den gesamten Prozess auf Augenhöhe mit der Versicherung ist unsere Kernkompetenz als unabhängige Partei.

M. Schmickler: Markenbetriebe erhalten aus der Organisation des Automobilherstellers Vorgaben und beherrschbare Prozesse sowie ein breites Schulungsangebot zum Thema Schadenabwicklung. Diese organisatorische Einbettung fehlt im freien Markt weitgehend. Wir als TÜV SÜD können helfen, für Betriebe im freien Markt, aber auch für Werkstattketten und Systemgeber, klare Prozesse zu schaffen und das Thema Schadenmanagement sicher beherrschbar zu machen. Besonders für Werkstattketten und die Systemgeber ist das Monitoring in dem Bereich sehr wichtig. Wenn es vorkonfektionierte Module gibt, die über die Betriebe einer Werkstattkette ausgerollt werden können, senkt das gleichzeitig die Berührungsängste in den Betrieben.

asp: Wie sieht die Begleitung konkret aus?

R. Schulz: Unser Anspruch ist es, klare Prozesse zu etablieren und bei Bedarf auch zusätzliche Bausteine des Schadenmanagements anzubieten. Zentrales Tool ist die digitale Schadenakte, die allen Beteiligten am Schadenprozess Zugang zu den für die jeweilige Partei relevanten Informationen gewährt - geregelt über ein Zugriffsmanagement. Das schafft hohe Transparenz und erhöht die Geschwindigkeit in den Prozessen.

M. Schmickler: Im Haftpflichtbereich sollten sich Werkstätten nicht auf Schätzungen verlassen, die immer mit einem hohen Risiko verbunden sind. Wir empfehlen, grundsätzlich einen geeigneten Verkehrsjuristen einzubringen. Das verhindert Forderungsausfälle und entlastet den Betrieb. Das gilt unabhängig von der Größe des Werkstattbetriebs. Wir haben bundesweit knapp 1.000 Schadengutachter im Feld.

asp: Wie wichtig ist Neutralität?

M. Schmickler: Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, neutral und absolut fair das Regulativ zwischen Anspruchsteller, also der geschädigten Partei, und dem Versicherer zu sein. Hier gibt es keine Kompromisse. Es geht um Transparenz, Fairness und fachliche Kompetenz. Das oberste Credo von TÜV SÜD und unseren Schadengutachtern ist die maximale Neutralität. Das ist die Grundlage für die faire Regulierung für alle Beteiligten. Diesen Neutralitätsanspruch leben wir.

asp: Welche Dienstleistungen werden im Schadenbereich über das reine Gutachten nachgefragt?

R. Schulz: Bezogen auf die freien Betriebe verstehen wir uns beim Eintritt ins Schadenmanagement mit Blick auf die Mechanikwerkstatt als Sparring-Partner für technische Kompetenz. Wir ebnen durch begleitendes Coaching den fachlichen Eintritt in das Geschäftsfeld.

M. Schmickler: Für Mechanikbetriebe, die noch keine Erfahrung im Schadenmanagement haben, geht es auch zunächst um ganz grundsätzliche Fragen, beispielsweise worauf man achten muss, wenn man sich einen K&L-Partnerbetrieb sucht, der die Karosseriearbeiten dann durchführt. Wir wollen ja nicht aus einer Mechanikwerkstatt einen K&L-Betrieb machen, es geht darum, die richtigen Netzwerke zu knüpfen und mit Partnern zusammenzuarbeiten. Hier liefern wir geeignete Parameter und Bemessungsgrundlagen.

asp: Wie wichtig ist das Thema Digitalisierung im Schadenmanagement?

R. Schulz: Das zentrale Tool im Schadenmanagement ist bei TÜV SÜD die erwähnte digitale Schadenakte. Diese zentrale Plattform ist Dreh- und Angelpunkt, über den alle Beteiligten DSGVO-konform Informationen, Dokumente, Freigaben, Bestätigungen, Gutachten oder Reparatur- Anweisungen austauschen, sodass Informationen zu jeder Zeit und von jedem Ort aus abrufbar sind. Jeder Prozessbeteiligte verfügt dabei über definierte Zugriffsrechte.

M. Schmickler: Ein weiteres sehr gutes Beispiel wäre die App-basierte Anwendung "BlueNOW!". Dabei schaltet sich ein Sachverständiger von TÜV SÜD nach Terminvereinbarung über das Smartphone des Werkstattmitarbeiters zu und kann über die Videofunktion des Smartphones das Fahrzeug unter die Lupe nehmen. Das Tool BlueNOW! ersetzt kein Schadengutachten, aber es ist eine hervorragende Möglichkeit, sich bei Bedarf das Knowhow eines Sachverständigen aus dem Backoffice hinzuzuholen.

asp: Setzt TÜV SÜD auch auf KI-Anwendungen bei der Ermittlung von Schäden?

M. Schmickler: Wir sind sehr an modernen Technologien und deren Einsatz in der Praxis interessiert - immer dort, wo Technik den Menschen unterstützt und begleitet. Wir beobachten auch den Einsatz von KI in der Begutachtung. Aus unserer Sicht müssen wir aber derzeit feststellen, dass Stand heute ein Kfz-Schaden an der Karosserie nicht ausschließlich optisch erfassbar ist. Solange eine KI ausschließlich aufgrund des vorgelegten Fotomaterials die Einstufung eines Schadens vornimmt, wird das der Komplexität der Fragestellung, beispielsweise bei einem Haftpflichtschaden, nicht gerecht. Bei aktuellen Fahrzeugen werden bei der Betrachtung der Peripherie mögliche Schäden an den Sensoren oder die aufgrund eines Unfalls notwendige Kalibrierung der Sensoren oft gar nicht berücksichtigt.

asp: Die Bezeichnung Kfz-Sachverständiger ist nicht geschützt. Gibt es im Markt auch schwarze Schafe?

R. Schulz: Wir als TÜV SÜD haben einen hohen Anspruch an den Ausbildungsgrad der Kfz-Sachverständigen, die als Schadengutachter tätig sind. Es ist sehr viel Wissen notwendig, um den anspruchsvollen Beruf und den Belangen der Auftraggeber gerecht zu werden.

asp: Wer sind die Kunden der Werkstatt im Schadengeschäft - werden beispielsweise Flotten wichtiger?

M. Schmickler: Ja, durchaus. Betriebe, die hier Kompetenz zeigen, haben die Möglichkeit, auch regionale Flotten als Kunden zu gewinnen. Das können beispielsweise die Servicefahrzeuge eines Unternehmens sein. Diese Kunden wollen möglichst alles aus einer Hand haben, um den eigenen administrativen Aufwand zu reduzieren. Für den freien Markt liegen hier gute Chancen, zumal unabhängige Werkstätten mit attraktiven Preisen punkten können.

R. Schulz: Der Flottenkunde benötigt belastbare Daten und Transparenz. Im Schadenprozess will er auf einen Bick sehen, wie der Bearbeitungsstatus ist. Dazu benötigt er einen digitalen Zugang und ein übersichtliches Frontend. Wer das bieten kann, wird auch attraktiv für gewerbliche Flottenkunden. Auch dabei können wir als TÜV SÜD unterstützen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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