asp: 150 Jahre TÜV SÜD sind ein Grund zu feiern. Wofür steht die Marke?
K. Schmiederer: Die Unternehmensgeschichte begann vor 150 Jahren mit der Gründung des Dampfkessel-Revisions-Verein Baden in Mannheim. Damals hat sich die Industrie selbst auferlegt, Menschen und Umwelt vor negativen Auswirkungen der relativ neuen Dampfmaschinentechnik zu schützen. Es war damals eine gute Entscheidung, mit der Überwachung eine dritte unabhängige und neutrale Partei zu beauftragen. Das schafft Vertrauen in Technik und dafür stehen wir auch heute noch.
asp: Heute wird der Name TÜV vor allem mit der periodischen Fahrzeugprüfung in Verbindung gebracht...
K. Schmiederer: Was mit der Dampfmaschine begann, hat sich knapp 40 Jahre später beim Kraftfahrzeug wiederholt. Als sich die Mobilität langsam ausgebreitet hat, mussten zunächst normierte Regeln entwickelt werden, wie man die Fahrzeuge überhaupt prüfen kann. Dafür war das Ingenieurwissen der Überwachungsvereine gefragt.
asp: Was sind die großen technologischen Herausforderungen der Zukunft?
K. Schmiederer: Das nächste große Thema ist die Digitalisierung der Industrieprozesse und der Fahrzeuge. Die Stichworte Connected Car und automatisiertes Fahren umreißen die Themen, die uns als Prüfgesellschaft in den kommenden Jahren stark beschäftigen werden. Dort geht es in erster Linie um funktionale Sicherheit der Assistenzsysteme sowie Softwareund Datensicherheit.
asp: Wo hat TÜV SÜD hier Anknüpfungspunkte?
K. Schmiederer: Wir helfen der Industrie im Rahmen der Typprüfung schon in der Entwicklungsphase dabei, dass Software so erstellt wird, dass sie von außen nicht manipulierbar ist. Die Daten müssen außerdem vor Missbrauch geschützt werden. Alle Prozesse im automatisierten Fahrzeug müssen geschützt sein, von der Sensorik über die rechnerische Verarbeitung bis zum aktiven Eingreifen ins Fahrgeschehen. Die Regelwerke für diese Zukunft müssen jetzt erarbeitet werden und gemeinsam mit Industrie und Politik sind wir bereits in entsprechenden Forschungsprojekten tätig.
asp: Was wird sich künftig bei der Typprüfung verändern?
K. Schmiederer: Es zeichnet sich ab, dass die klassischen Prüfmethoden künftig nicht mehr ausreichen. Das Prinzip, dass anhand gefahrener Testkilometer auf den Realbetrieb hochprojiziert wird, funktioniert bei komplexen Softwaresystemen nicht mehr. Es ist nicht möglich, im Fahrtest alle denkbaren Situationen darzustellen. Deshalb werden Simulationsmethoden eine entscheidende Notwendigkeit. Wir haben bereits jahrelang Erfahrungen mit Assistenzsystemen im Automobilbereich. Neu ist die stärkere Gewichtung der Softwareprüfung.
asp: Ist auch der Schutz vor Hackern ein Thema für TÜV SÜD?
K. Schmiederer: Das ist ein klassisches Security-Thema. Zusammen mit den Herstellern entwickeln und bewerten wir Schutzmechanismen für die Softwarearchitektur. Bildlich gesprochen: Wir bauen nicht erst das Haus und schauen abschließend, wo Einbrecher reinkommen könnten, sondern achten bereits beim Fundament und dann in jedem Stockwerk auf die Sicherheit.
asp: Wann werden diese Technologien auf die Straße kommen?
K. Schmiederer: Das wird noch einige Jahre dauern. Zunächst wird es Anwendungen für teilautomatisiertes Fahren geben. Die Anwender müssen erst Vertrauen zu der Technik fassen und erkennen, dass die Systeme am Ende tatsächlich mehr Sicherheit bringen. Das automatisierte Fahren ist ein wichtiger Baustein, die Zahl der Verkehrstoten noch weiter zu reduzieren. Die Logik der Software schaltet die Schrecksekunde des Fahrers aus - dadurch gewinnt man wertvolle Zeit für die Reaktion in Gefahrensituationen.
asp: Durch Elektromobilität wird sich der Antriebsstrang der Fahrzeuge komplett ändern. Was bedeutet das für die Zulassung und das periodische Prüfgeschäft?
K. Schmiederer: Auch künftig muss es für Fahrzeuge eine Typgenehmigung geben, unabhängig davon, wie das Auto angetrieben wird. Es ändern sich nur die Komponenten. Beim Elektroauto spielt die Batterie eine bedeutende Rolle und muss entsprechend abgesichert und getestet werden. TÜV SÜD betreibt eines der größten weltweiten Labornetzwerke für Lithium-Ionen Batterien, wo wir die Energiespeicher auf Herz und Nieren prüfen.
asp: ... und bei der HU?
K. Schmiederer: Es werden sich auch künftig zahlreiche Bestandteile im Fahrzeug befinden, die periodisch geprüft werden müssen: Bremsen, Lenkung, Beleuchtung, all dies haben Sie auch im Elektro-Fahrzeug. Wir schulen schon jetzt unsere Prüfer, damit sie die Hochvolttechnologie sicher beherrschen. Die periodische Überprüfung unterliegt ansonsten den gleichen Regeln wie bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.
asp: TÜV SÜD wächst vor allem auch im Ausland. Anders als hierzulande ist "der TÜV" dort vermutlich als Marke nicht bekannt. Womit werben Sie im Ausland?
K. Schmiederer: Mit den gleichen Werten wie hier. Viele staatliche Stellen kommen auf uns zu, wir verfügen über einen hohen Bekanntheitsgrad auch im Ausland. Ob und wie wir in einem Land tätig werden können hängt immer sehr stark davon ab, wie das Prüfgeschäft dort politisch geregelt ist. In manchen Ländern werden Konzessionen an eine Prüfgesellschaft vergeben - dies ist beispielsweise in der Türkei der Fall. In anderen Ländern erfolgt die Prüfung durch unabhängige Dritte oder völlig liberalisiert.
asp: Wird das transatlantische Abkommen TTIP das Prüfgeschäft verändern?
K. Schmiederer: Die Auswirkungen eines Handelsabkommens mit den USA sind derzeit noch nicht umfassend klar. Welche Regeln für die Typgenehmigung diesseits und jenseits des Atlantiks gelten, wird man sehen.
asp: Woher kommt das Wachstum im Geschäftsfeld Mobility bei TÜV SÜD?
K. Schmiederer: Der Automobilmarkt in Deutschland ist kein großer Wachstumsmarkt, der Fahrzeugbestand als solcher nimmt nicht nennenswert zu. Wir sehen daher das größte Wachstum im Dienstleistungssektor, beispielsweise im Gebrauchtwagensektor. Im Handel gibt es große Konzentrationsprozesse, d.h. die Volumina der gebrauchten Fahrzeuge werden größer. Das intelligente Management dieser Flotten ist ein attraktives Feld für neue Dienstleistungen und Beratung aus unserem Hause und damit sind wir auch sehr erfolgreich.
Interview: Dietmar Winkler
- Ausgabe 01/2016 Seite 50 (259.1 KB, PDF)