Servicebetriebe müssen sich zunehmend mit mindestens zwei Kältemitteln auseinandersetzen. Tim Vink, Director Regulatory Affairs bei Honeywell, erklärt im Interview, wie das Unternehmen der steigenden Nachfrage nach R1234yf nachkommen will. Jens Beneken von der Arthur Friedrich Kältemittel GmbH vertreibt das Kältemittel in Deutschland. Er erläutert, worauf es im Klimaservice mit R1234yf ankommt.
asp: Durch die Richtlinie 2006/40/EG wird die Anzahl der Pkw mit R1234yf steigen. Wie kommt Honeywell der wachsenden Anfrage nach?
T. Vink: Wir haben bereits jetzt drei Produktionsstätten, eine in China, eine in Japan und eine in den USA, in Geismar, Louisiana. Letztere wird die weltgrößte Produktionsstätte für R1234yf sein. Die Arbeiten dort sind beinahe abgeschlossen und die Belieferung der Kunden startet wie geplant im zweiten Quartal 2017. Zudem gibt es zwei Lizenznehmer, einen in Japan und einen in Indien. Denn die Nachfrage wird jetzt drastisch steigen, bis Ende 2017 gehen wir davon aus, dass es 80 Millionen Pkw mit dem neuen Kältemittel auf dem Markt geben wird. Die Lieferstrategie von Honeywell zielt darauf ab, den Kunden während der Umstellung auf Produkte der neuen Generation auch weiterhin die Zuverlässigkeit und Liefersicherheit zu bieten, die sie gewohnt sind.
asp: Nach einer jahrelangen Sicherheitsdebatte setzt die Automobilindustrie auf R1234yf ...
T. Vink: Dieses Thema ist für uns abgeschlossen - die Sicherheit von R1234yf ist unbestreitbar. Es gibt bereits mehr als 10 Millionen Pkw auf der Welt mit R1234yf und es hat noch keinen einzigen Vorfall gegeben, der R1234yf bezogen war. Tatsächlich ist R1234yf nicht wesentlich anders als R134a. Es ist als mild entzündlich klassifiziert worden. In einer spezifischen Mischung mit Luft und unter Laborbedingungen liegt die Selbstentzündungstemperatur bei 405 Grad Celsius. Grundsätzlich werden eine sehr hohe Entzündungsenergie und -temperatur benötigt, um R1234yf zu entzünden. Im realen Zustand, also auf der Autobahn, brennt es nicht.
J. Beneken: Auch im Aftermarket haben wir noch nicht von einem Fall gehört, bei dem es Probleme mit R1234yf gab. Ganz im Gegenteil. Ich denke, es ist eher sicherer im Handling, als wenn man mit Hochdrucktechnologie arbeitet. Die Kunden im freien Automotive Aftermarket sind seit Jahren vertraut mit der R134a-Technik. Und die Technik für R1234yf ist vergleichbar. Wir stellen fest, jeder Monteur, der mit einer R134a-Anlage sicher umgehen kann, bedient ein Servicegerät für R1234yf genauso. Da gibt es keine Unterschiede.
asp: Daimler setzt nach wie vor bei bestimmten Modellen auf CO2 als umweltfreundliche Alternative ...
T. Vink: Das ist mir bekannt. Daimler hat sehr viel investiert in CO2. Aber das ist gut, dadurch gibt es Konkurrenz. Dennoch haben viele Automobilhersteller unabhängig von uns die Klimaauswirkungen über den Lifecycle von R1234yf versus CO2 geprüft. Und man sieht ganz deutlich, der Klimaeinfluss von yf ist erheblich niedriger als der von CO2.
asp: Worauf müssen sich Werkstätten mittelfristig im Klimaservice einstellen?
J. Beneken: Ich glaube schon, dass jede Werkstatt sowohl ein R134- und ein R1234yf-Gerät braucht. Das Fahrzeugvolumen wird in wenigen Jahren einfach da sein, sowohl bei R134a für die älteren Fahrzeuge als auch die großen Volumen R1234yf. Das haben sehr viele mittlerweile auch erkannt. Sie bereiten sich jetzt schon darauf vor und haben eine 134a- und eine R1234yf-Klimaservicestation, um das Geschäftsfeld zu besetzen.
asp: Bei zwei Kältemitteln auf dem Markt kann es auch zu kontaminierten Kältemittel kommen - wer kümmert sich um die Entsorgung?
T. Vink: Es gibt eine europäische F-Gasverordnung, dass diese Gase zurückgenommen werden müssen. Aber Entsorgung ist nicht die beste Lösung, man kann sie recyceln. Nicht in der Werkstatt, aber wenn es genug Volumen gibt, dann wird es via Destillation gereinigt und kann wieder verkauft werden.
J. Beneken: Wir entsorgen das kontaminierte Kältemittel oder bereiten es auf. Wir haben eine entsprechende Einsammelgenehmigung nach dem Abfallrecht. Kunden bekommen von uns eine so genannte Recyclingflasche, in die das kontaminierte R1234yf oder R134a gegeben wird. Wir bekommen die Flasche zur Rückholung angemeldet und holen sie gemäß Abfallschlüssel beim Kunden ab. Dann wird gesammelt, analysiert und wenn möglich aufbereitet. Mit anderen Kältemitteln ist das schon seit Jahren ein üblicher Prozess.
asp: Besteht eine Verwechslungsgefahr der beiden Kältemittel im Service?
J. Beneken: Nein, eigentlich nicht, es gibt fahrzeugspezifische Anschlüsse. Man muss schon Aufwand betreiben, um ein R1234yf-Servicegerät an ein 134a-Anschluss anzuschließen. Die Adapter sind absichtlich verschieden.
Interview: Valeska Gehrke
Kurzfassung
Ab 1.1.2017 gilt die EU-Richtlinie 2006/40/ EG für alle Neufahrzeuge - zum Einsatz kommt R1234yf. Honeywell ist auf die Nachfrage eingestellt. Werkstätten benötigen hingegen ein neues Gerät, das aber in der Bedienung vergleichbar ist.
Hintergrund
Ab dem 1.1.2017 gilt die EU-Richtlinie 2006/40/EC, nach der in allen Neufahrzeugen nur noch Kältemittel eingesetzt werden dürfen, dessen Erderwärmungspotenzial (Global Warming Potential, GWP) unter 150 liegt. Die Automobilhersteller setzen auf R1234yf, auch wenn es mit CO² eine weitere Alternative gibt, die beispielsweise von Daimler in Oberklassemodellen zum Einsatz kommt. In den vergangenen Jahren stand R1234yf wegen Sicherheitsbedenken in der Kritik. Diese Bedenken scheinen weitgehend ausgeräumt. Auch Daimler setzt R1234yf inzwischen mit einer technischen Nachrüst-Lösung ein. Hergestellt wird R1234yf von Honeywell bzw. Chemours (ehemals Dupont). Als Joint Venture entwickelten die beiden Unternehmen das neue Kältemittel. Bei Honeywell hat man sich bereits auf die wachsende Nachfrage ab 2017 eingestellt (siehe Interview).
- Ausgabe 12/2016 Seite 36 (229.8 KB, PDF)