Fast 45 Jahre lang stand Hans-Georg Nußbaum an der Spitze der Nussbaum Gruppe und sorgte in dieser Zeit für neue Technologien und innovative Produkte. Vergangenes Jahr gab er die Firmenleitung an seinen Sohn Steffen Nußbaum ab.
Herr Nußbaum, was hat sich im Rahmen der Unternehmensnachfolge geändert?
Wir haben die einzelnen Geschäftsbereiche den Standorten zugeordnet. Hier in Kehl produzieren wir für den Bereich Werkstatteinrichtung. Das sind in erster Linie Hebetechnik und Prüfgeräte.
In Markranstädt ist alles angesiedelt, was mit Parken zu tun hat. Und in Seehausen befassen wir uns in erste Linie mit Hydraulikkomponenten für industrielle Anwendungen.
Die Hebebühnenfertigung, die vorher an diesen Standorten war, haben wir jetzt in unsere Kehler Werke integriert. Dadurch profitieren wir von Synergien und wesentlich kürzeren Wegen. Die Logistik innerhalb der Standorte entfällt. Auch die Qualität der Produkte hat sich dadurch verbessert. Mit einem zentralen IT-Standort können wir gesellschaftsunabhängig planen und vermeiden große Konsolidierungsaufwendungen. Wir sind einfach näher dran und können wesentlich besser agieren. Das hat viele Vorteile.
Wie ist die Nussbaum Gruppe jetzt aufgestellt?
In der Gesamtgruppe sind knapp 1.000 Mitarbeiter angestellt, rund 500 Mitarbeiter sind im Bereich Werkstattausrüstung tätig. Das ist eine Größe, die zu uns passt. Damit können wir uns gut bewegen und auch wachsen.
Unsere Belegschaft ist sehr international, 27 Nationalitäten arbeiten bei uns. Zudem haben wir unsere Ausbildungsprojekte. Vor drei Jahren haben wir außerdem den Produktionsstandort in den USA eröffnet. Das ist ein strategischer Markt für uns, den wir weiter entwickeln möchten. Ziel ist es, mittelfristig dort einen kleinen Marktanteil zu erzielen.
Wie sieht Ihre Produktstrategie aus?
Unser Fokus liegt zum einem auf der Weiterentwicklung der Hebetechnik, vor allem der hydraulischen Zweisäulen-Hebebühnen. Zum anderen entwickeln wir uns im Bereich Prüftechnik weiter. Der deutsche Markt wird sich in den nächsten Jahren positiv entwickeln. Viele Prüfstände werden getauscht. Dafür sind wir national, aber auch international, gut aufgestellt. Wir besitzen alle relevanten Zulassungen für unsere Produkte auf den großen europäischen Märkten, wie Frankreich, Italien oder Großbritannien. Zudem haben wir auch unser Entwicklungsteam verstärkt, um unsere Leistungsfähigkeit für die Zukunft sicherzustellen.
Ihr Vater ist ja bekannt für seine innovativen Ideen. Hat er sich komplett aus dem Unternehmen zurückgezogen?
Nein, er ist immer noch aktiv. Das ist auch gut so. Er hat nach wie vor viele innovative Ideen, gerade in der Entwicklung. Wir haben beispielsweise eine komplett neue Produktpalette um die Technologie HyperFlow herum entwickelt, mit sehr interessanten Patenten. Diese werden wir im Herbst vorstellen und damit auf Jahre führend sein. Wir versuchen, die Technologie in den Vordergrund zu rücken, und richten unsere Produkt-, Entwicklungs- und Investitionsstrategie danach aus.
Die Vermarktung der HyperFlow-Hebebühnen lief ja erst ab der Automechanika 2014 so richtig an.
Ja, aber jetzt ist es unglaublich. Bis vor einem halben Jahr war die Verteilung bei unseren Hebebühnen 80 Prozent elektromechanisch, 20 Prozent hydraulisch. Und heute bauen wir schon mehr hydraulische als elektromechanische.
So schnell?
Ja. Es ist wirklich rasant, wie schnell sich das entwickelt hat. Wir haben da richtig tolle Wachstumszahlen, obwohl wir etwas über den Marktpreisen liegen. Der Kunde ist also bereit, für überzeugende Technik made in Germany etwas zu bezahlen.
Das ist interessant. Auf Messen ging es im Bereich Hebetechnik ja lange vorrangig um den niedrigsten Anschaffungspreis.
Wir bringen unseren Kunden, unterstützt durch Marketingmaßnahmen und Online-Kampagnen mit Videos, auch weitere Themen näher, beispielsweise die Total Cost of Ownership (TCO). D. h. wie hoch sind über die Lebensdauer die echten Kosten des Produkts. Da gibt es viele Argumente, warum unser Produkt am Ende doch die günstigste Lösung ist.
Und auch unsere Vertriebspartner sind sehr wichtig. Die Installation unserer HyperFlow-Hebebühnen ist einfach und schnell, man benötigt nur die Hälfte der Zeit. Im Gegensatz zu hydraulischen Zweisäulen-Hebebühnen mit zwei Zylindern, Seilen, Umlenkrollen usw. Das brauchen wir alles nicht mehr. Und das ist auch eine Kosteneinsparung in der Wertschöpfungskette. Der Beschaffungspreis ist sicherlich weiterhin wichtig, aber er steht nicht mehr an erster Stelle. Und wenn der Kunde die HyperFlow-Hebebühne erst einmal hat, ist er überzeugt.
Herr Nußbaum, vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Bernd Reich, Valeska Gehrke
Hintergrund
Generationswechsel bei Nussbaum
1943 von Otto Nußbaum gegründet, übernahm Hans-Georg Nußbaum ab 1970 die Leitung der Otto Nußbaum GmbH & Co. KG. Vergangenes Jahr fand erneut ein Generationswechsel in dem Familienunternehmen statt. In dritter Generation verantwortet jetzt Steffen Nußbaum die Nussbaum Gruppe im Bereich Werkstattausrüstung. Sein Bruder Holger Nußbaum übernahm den Bereich Nussbaum Parking. Die Nussbaum Technologies wird weiter von Hans-Georg Nußbaum geleitet. Im Rahmen der Neuordnung trennte sich das Unternehmen von insgesamt 250 Mitarbeitern. Die Anzahl der Standorte wurde reduziert, die Produktion wird sich in Zukunft auf die Werke am Unternehmenssitz in Kehl konzentrieren.
- Ausgabe 08/2015 Seite 38 (395.9 KB, PDF)