Von Wolfram Nickel/SP-X
"Packt die Kanten in die Kiste", forderten in den 1980er Jahren alle Designer, die im Windkanal nach rundgeschliffenen Formen suchten für eine neue hocheffiziente Fahrzeuggeneration. Aerodynamik-Weltmeister, das wollte damals auch Audi sein. Zuerst glänzte 1982 das Flaggschiff Audi 100 (C3) mit der strömungsgünstigsten Karosserie, dann setzte der kleinere Audi 80 (B3) vor genau 30 Jahren mit einem Luftwiderstandsbeiwert von cW 0,29 die Maßstäbe in der Mittelklasse. War der altbackene Vorgängertyp Audi 80 (B2) noch ein eckiger Charakter im Stil von BMW 3er und Mercedes 190, präsentierte sich der 1986 eingeführte Audi 80 rund wie das sprichwörtliche Ei des Kolumbus. Eine Sensation, die damals kaum jemand von dieser bodenständigen Marke erwartet hatte und mit der die Ingolstädter Mittelklasse Begeisterungsstürme des kaufkräftigen Publikums auslöste.
Der Audi 80 und die 1987 folgenden Fünfzylindertypen Audi 90 waren die Stars auf jedem Supermarktparkplatz und zählten zu den neuen Favoriten von Yuppies und Jungdynamikern. Ließ doch das windschnittige Design alle bürgerliche Biederkeit vergessen und darüber sahen die enthusiastischen Käufer den flotten Ringträgern sogar einen relativ kleinen und zerklüfteten Kofferraum nach. Schließlich boten die Bayern den viel beworbenen "Vorsprung durch Technik" in Form einer vollverzinkten Karosserie, optionalem quattro-Allradantrieb und sparsamen Turbodiesel-Triebwerken. Nicht zu vergessen das Topmodell Audi 90 20V mit neuem Vierventil-Fünfzylinder, der den 4,39 Meter kurzen Businessliner auf Tempo 220 beschleunigte und Sechszylindern wie dem Mercedes 190 E 2.6 seinen Heckflügel zeigte.
Wer noch mehr Wert auf Exklusivität legte, wartete auf das vom Audi 80 abgeleitete Coupé (B3), das bei der Birmingham Motorshow 1988 debütierte und in Sachen Attraktion nur noch vom Audi Cabrio übertroffen wurde. Dieser familientaugliche Open-Air-Star feierte seine Weltpremiere auf der IAA 1989. Bis das teuerste Derivat des Audi 80 gegen die bügelfreien Viersitzer von BMW, Chrysler und Saab antreten konnte, sollte es allerdings noch weitere zwei Jahre dauern. Dafür besaß das Audi Cabrio einen eingebauten Kultstatus und so zeitlos-elegante Linien, dass der bis ins Jahr 2000 angebotene Sonnenfreund alle Wettbewerber aus den 1980er Jahren überlebte. Was dem Audi 80 (B3) bis zum Ende vorenthalten blieb, war eine Kombiversion. Erst der nachfolgende Audi 80 (B4) konterte mit einem Avant 1992 den bis dahin dominierenden BMW 3er Touring.
Großer Käuferzuspruch
Besser als BMW und alle anderen? Fährt der Audi 80 den internationalen Gegnern davon? So fragte die deutsche Motorpresse im Herbst 1986 und lieferte die Vorlage für heftige Stammtischdiskussionen. Denn in Vergleichstests hatten die anderen, meist kantigen Neuzugänge in der Mittelklasse wie Fiat Croma, Honda Accord oder Renault 21 keine Chance gegenüber dem stromlinienglatten Audi, der nach Meinung der meisten Medien sogar den BMW 3er alt aussehen ließ. Auch im Interieur sei alles vom Feinsten in der Ingolstädter Limousine, die nun nach dem Urteil der Tester auf Augenhöhe mit Mercedes und BMW fuhr. Bis auf das damals noch unübliche und knausrig wirkende Notrad und den "Kofferraum im Kleinwagenformat" hatte die Presse fast nichts zu meckern und ehrte den Audi 80 denn auch durch Preise wie das "Goldene Lenkrad". Noch wichtiger als der Imagegewinn war für Audi natürlich Käuferzuspruch, aber auch dieser ließ kaum Wünsche offen. Denn in knapp fünf Jahren wurden rund 1,3 Millionen Exemplare der dritten Audi-80-Generation ausgeliefert.
Mit gerade einmal 141.000 Einheiten vergleichsweise rar blieb dagegen der im Frühling 1987 nachgelegte Audi 90. Wie schon beim Vorgängermodell handelte es sich bei diesem Viertürer um den luxuriösen Leistungsträger des Audi 80, der sich an geänderter Frontpartie und einem Leuchtenband zwischen den Rücklichtern zu erkennen gab. Für Vortrieb im Audi 90 sorgten neben einem Vierzylinder-Turbodiesel ausschließlich Fünfzylinder-Benziner mit 85 kW/115 PS bis 125 kW/170 PS Leistung. Die kernig klingenden und mit Allradantrieb kombinierbaren Fünfzylinder präsentierten sich als Alternative zu den Sechszylindertypen der Wettbewerber, zumal sie den Aero-Audi auch schneller machten als die vergleichbaren BMW 3er und Mercedes 190. Vielleicht war es nur die ambitionierte Preispositionierung des Audi 90 – schon die Einstiegsversion war über 20 Prozent teurer als der entsprechende 3er BMW – jedenfalls verzichtete die Marke mit den Ringen ab dem Audi 80 (B4) von 1991 auf die Nummer 90 und das Prinzip "eine Modellreihe, zwei Modellbezeichnungen". Nur in den USA durfte der Audi 90 vorläufig weiterleben, denn dort startete er werksseitig als quattro IMSA GTO in der populären IMSA-Rennserie und errang immerhin die Vizemeisterschaft.
Auch den Audi 80 gab es ab Verkaufsstart als quattro Modell, zum Volumenmodell avancierte aber ein Vierzylinder mit Vorderradantrieb. Dieser Audi 80 1,8 S mit 66 kW / 90 PS starkem Benziner machte fast die Hälfte der Gesamtverkaufszahlen aus, dagegen brachten es die beiden Dieselversionen nur auf elf Prozent Anteil. Daran konnten nicht einmal rekordverdächtig niedrige Verbrauchswerte etwas ändern, so begnügte sich der 59 kW / 80 PS leistende Audi 80 turbo d mit 3,8 Liter Normverbrauch im Landstraßenzyklus. Sportlichster Audi 80 war der im Herbst 1989 vorgestellte Audi 80 16V mit dem Speedsymbol eines Heckflügels. Der von der Fachwelt ob seiner Laufkultur hochgelobte 101 kW / 137 PS leistende 16-Ventiler nahm dem gleichfalls neuen 16-Ventiler im BMW 318is beim Tempo-100-Sprint eine ganze Sekunde ab, und belegte mit Allradantrieb eine Alleinstellung in der damals angesagten 16-V-Mittelklasse.
Premiumimage inklusive
Allerdings setzten sich die Ingolstädter auch durch weitere Besonderheiten von der Masse ab, etwa die Sicherheitstechnik Procon-ten, die bei einem Unfall das Lenkrad aus dem Aufschlagbereich des Kopfes zog und die Sicherheitsgurte straffte. Und das Audi Coupé startete 1988 passend zu einem Revival sportlich-eleganter Zweitürer in der Mittelklasse. Unter neuen viersitzigen Sportcoupés wie Nissan 200 SX, VW Corrado oder Opel Calibra genoss der Audi damals als einziger Premiumimage, zumal es noch kein BMW 3er Coupé gab. In Serie ging dieser Audi anfangs ausschließlich mit Fünfzylindermotoren. Vier- und Sechszylinder sowie ein leistungsstarker 20-Ventil-Turbomotor ergänzten in den folgenden Jahren die Motorenpalette. Schon die erste Serie des Fünfzylinders im Audi S2 Coupé, erkennbar an polierten Felgensternen, hatte 162 kW / 220 PS Leistung und war fast 250 km/h schnell. Damit deklassierte der S2 sogar den Ur-quattro, der Anfang der 1990er Jahre mit dem gleichen Triebwerk ausgerüstet wurde. Auch der erste BMW M3 war chancenlos gegen so viel Power.
Als die Audi 80 (B3) Limousine das Feld bereits ihren Nachfolgern überlassen hatte, setzte das von ihr abgeleitete Cabriolet einen finalen technischen Glanzpunkt: Im Herbst 1995 überraschte der Luftikus die Cabrioszene durch einen lautstarken Turbodiesel – damals unerhört.