Von Patrick Broich/SP-X
Der R8 war ein Testlauf für Audi. Der erste richtige Supersportwagen für Kunden, denen ein Porsche 911 zu gewöhnlich und Ferrari oder Lamborghini eine Nummer zu hoch erschien. Doch wohin die Reise gehen würde, wusste man in Ingolstadt nicht so richtig. Wonach würden die Kunden fragen, das war die große Frage. Drei Jahre dauerte es, bis nach dem Coupé auch eine offene Version verfügbar war. Bei der zweiten Generation geht es schneller: Bereits ein Jahr nach dem Coupé-Debüt schiebt Audi den im wahren Sinne des Wortes stürmischen Spyder nach zum Preis von 179.000 Euro. Ein stolzer Preis für ein stolzes Auto, das mit einem Materialmix aus Alu und CFK alles andere als gewöhnlich daherkommt.
Martin Leilich, verantwortlich für die Karosserie- und Interieur-Entwicklung, erläutert, dass man die Spyder-Ausgabe diesmal von vornherein eingeplant hatte, was die Linie harmonischer macht. Es gibt aber lediglich das Grundmodell mit 397 kW / 540 PS (11,7 l/100 km im gemittelten NEFZ) – auf eine Plus-Version muss vorerst verzichtet werden. In Sachen Chassis-Steifigkeit haben die Techniker ordentlich draufgesattelt und erreichen nun den Wert des früheren Coupés. Die elegante Stoffkapuze öffnet und schließt dank neu konstruiertem Verdeckmechanismus binnen 20 Sekunden und trotzt dem Fahrtwind bis 50 km/h. Immerhin prophezeien die Marketingstrategen dem offenen R8 einen Anteil von über 30 Prozent – da darf man den einen oder anderen Entwicklungs-Euro guten Gewissens in die Entstehung der edlen Frischluft-Version stecken.
Das Herzstück des Spyders kauert hinter dem Rücken der Insassen und sorgt in Mittelmotor-Auslegung für eine exzellente Gewichtsverteilung. Eine kleine Portion schlechtes Gewissen scheint die Ingenieure eingeholt zu haben, wenn sie schon freizügig 5,2 Liter Volumen einschenken. R8-Projektleiter Tim Houben versichert, dass der gegenüber dem Vorgänger-Aggregat nochmals verfeinerte Zehnzylinder ein Ausbund an Effizienz sei. Der ohne Schützenhilfe aus dem Abgasstrang auskommende Brocken ist ehrlich und trotzt tiefergehender Prüfstand-Kosmetik. Aber auf der Flucht vor der CO2-Keule tut Optimierung Not. Zylinderabschaltung und das Beste aus zwei Welten der Direkt- und Saugrohreinspritzung plus Start-Stopp sollen dem Kraftwerk das Trinken abgewöhnen.
Durchbricht mühelos die 300-km/h-Schwelle
Immerhin helfen die beiden Einspritzprinzipien dabei, beste Effizienz zu gewährleisten: Bei Teillast wird ins Saugrohr gespritzt, was den Wirkungsgrad steigert und die Drehmomentabgabe optimiert, während die verbesserte Innenkühlung bei Volllast zur thermischen Entlastung führt. Das nur am Rande – ein R8-Kunde wird ohnehin nicht nach dem Verbrauch fragen, und das ist auch gut so. Hier zählen andere Werte – zum Beispiel Beschleunigung und Höchsttempo. Klar, dass Audis Supersportler auch als Frischluft-Ausgabe nicht an der 250er-Leine hängt und die 300-km/h-Schwelle ziemlich unbeeindruckt durchbricht. Der Sprint auf Landstraßentempo ist in weniger als vier Sekunden abgehandelt.
Dank Permanent-Allrad kein Thema – wenn sich alle Viere in den Asphalt krallen, bleibt kein Auge trocken. Dann reicht eine kleine Bodensenke bereits aus, um den Passagieren selbst bei reiner Längsbeschleunigung einen Tritt in die Magengrube zu verpassen, während der virtuelle Drehzahlmesser über die Skala eilt. Doch der Oberbayer kann auch quer, und zwar so rasant, dass das Technik-Team dem Athleten vorsichtshalber mal Trockensumpf-Schmierung spendierte, um den Ölfilm auch dann sicherzustellen, wenn der Fahrgast mit Wucht gegen die Tür-Innenverkleidung gepresst wird.
Wer noch weitere 8.900 Euro im Säckel hat, greife getrost zur Keramikbremse – es ist einfach ein besseres Gefühl zu wissen, dass der Spyder auch nach der zwanzigsten Vollbremsung aus Topspeed noch nach Rekordzeit steht. Beim Schalten hat der Käufer keine Wahl und muss das siebenstufige Doppelkupplungsgetriebe akzeptieren. Das ist übrigens mehr auf Performance denn auf Komfort getrimmt bei den Übersetzungswechseln und sortiert die Gänge je nach Lastzustand nicht gerade zimperlich. Sei es drum. Wer den V10 noch etwas schärfer schnauben hören möchte, muss einfach nur die Auspufftaste (1.900 Euro) betätigen, und schon sprotzelt es bei jedem Gasstoß markerschütternd – Potenzial, um den Nachbarn zu ärgern, ist jedenfalls hinreichend vorhanden.
Langstreckentaugliche Sportsessel
Das sind die aufregendsten Sonderausstattungen, die man als R8-Interessent bestellen kann. Fast schon ein bisschen ärgerlich, dass es einen komfortspendenden aktiven Tempomat weder gegen Geld noch gute Worte gibt – man wollte eben so wenig Gewicht wie möglich in den Spyder bringen, erklärt Houben. Denn eigentlich ist der Sportler bei zurückhaltender Fahrweise ein recht braver Cruiser. So wild der schnelle Serienaudi auch sein mag – und das Fahrwerk spielt bei allen Schandtaten mit – unauffällig überrollt er Straßenpatzer und Autobahnverwerfungen, benimmt sich sanft gegenüber der menschlichen Fracht. Die konturierten Sportsessel sind keineswegs unbequem und durchaus langstreckentauglich. Selbst das Repertoire an Ablagen und Kofferraumvolumen ist mehr als akzeptabel für zwei Reisende. Blöd nur, dass der Beifahrer das schöne Infotainment nicht nutzen kann, denn ein separater TFT-Schirm fehlt schlichtweg. Sämtliche Anzeigen beschränken sich auf das Tachoelement, und so wird der Fahrer zum Alleinherrscher nicht nur über das rechte Pedal, sondern auch über die zentralen Fahrzeugfunktionen. Vielleicht ist es ja ein Trost, dass das Soundsystem über zig Boxen – sogar in den Sitzen – verfügt. Der Lautstärkeregler ist übrigens auch für den Beifahrer hervorragend erreichbar.