Von Sebastian Kunigkeit, dpa
Es sprach auf den ersten Blick nicht viel dafür, dass aus dieser eigenwillig geformten Wackelkiste aus Blech eine Auto-Legende werden würde. Das Modell wirkte schon bei seiner Vorstellung auf dem Pariser Automobilsalon 1948 aus der Zeit gefallen: Ein amerikanischer Journalist soll gespottet haben, ob der Hersteller denn auch einen Büchsenöffner mitliefern werde. Der französische Dichter Boris Vian nannte den Wagen später eine "fahrbare Geistesverwirrung". Und doch wurde der Citroën 2CV zum millionenfach verkauften Renner - und für Generationen zum Ausdruck eines Lebensgefühls.
Vor 25 Jahren lief die letzte Ente in Portugal vom Band, doch bei Liebhabern ist ihr Charme ungebrochen. Sie schwärmen von der jaulenden Melodie des Boxermotors, der einmaligen Kurvenlage, dem gefühlten Cabrio-Luxus des aufrollbaren Vinylverdecks. Dass Samuel Beckett, der Autor von "Warten auf Godot", 2CV fuhr, überrascht nicht: Kein anderes Auto verkörpert derart den Existenzialismus.
Dabei war das spartanische Design ursprünglich vor allem aus praktischen Gesichtspunkten gewählt worden. Citroën wollte in den 1930er Jahren ein Auto für den kleinen Mann vom Land, robust und billig. Der merkwürdige Auftrag von Firmenchef Pierre-Jules Boulanger an seine Leute: ein "günstiger fahrbarer Untersatz, der vier Personen und 50 Kilo Kartoffeln oder ein kleines Fass mit maximal Tempo 60 transportieren soll". Die Federung sollte es möglich machen, einen Korb Eier bruchfrei über ein beackertes Feld zu fahren.
Wie beim Volkswagen in Deutschland kam auch Citroëns Projekt TPV - für "Toute Petite Voiture", ganz kleines Auto - der Krieg dazwischen. Bei der deutschen Invasion ließ Boulanger die Prototypen zerlegen und verstecken, der Feind sollte sich das Konzept des Miniwagens nicht unter den Nagel reißen.
Siegeszug beginnt in den 50ern
Der Siegeszug des "Deux Chevaux" - der "Zwei Pferdestärken", die jedoch nicht für die Motorkraft stehen, sondern die (sehr günstige) Steuerklasse bezeichnen - begann in den 1950er Jahren. Die praktischen Vorteile und der Preis überzeugten, zum Teil gab es Wartezeiten von fünf bis sechs Jahren.
Im Ausland und ganz besonders in der Bundesrepublik verkörperte der 2CV aber auch ein Stück Frankreich, wie Rotwein und Gauloises. Promis fuhren den Wagen ebenso wie Studenten der Anti-AKW-Bewegung, Hippies gingen mit dem als politisch korrekt empfundenen Wagen auf große Fahrt in Ferne Länder - und sogar Roger Moore als James Bond setzte sich im Film "In Tödlicher Mission" in eine knallgelbe Ente.
Über die Jahre liefen mehr als fünf Millionen 2CV und seine Lieferwagenversion vom Band, dazu kamen noch Varianten. Das ist weit von den 21,5 Millionen verkauften Exemplaren des VW Käfer entfernt - im übrigen gibt es oft eine gewisse neckische Rivalität zwischen Enten- und Käferliebhabern. Die Ente war "das richtige Auto für Menschen, die eigentlich kein Auto wollten oder keins bezahlen konnten», wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" einmal schrieb.
Mehr Farben, mehr PS
Der 2CV war über die Jahre immer wieder an neue Farbtrends angepasst worden, aus den anfänglich neun PS wurden am Ende sogar bis zu 30 - was Geschwindigkeiten von über 110 Stundenkilometern möglich machte. Die Form blieb jedoch immer gleich. Den Garaus machten der Ente schließlich vor allem strengere Abgas- und Sicherheitsvorschriften.
Die Einstellung der Produktion in Frankreich läutete 1988 das Ende ein, zwei Jahre später rollte am 27. Juli 1990 im portugiesischen Mangualde der letzte 2CV aus der Fabrik.
Wo er noch fährt, da ist er weiterhin ein Blickfang, der "Regenschirm auf vier Rädern" - einer der charmanten Kosennamen der Franzosen für das Auto. Alle zwei Jahre treffen sich zum Beispiel Hunderte Fans des Kultautos bei einem Deutschlandtreffen, zuletzt im Juli des vergangenen Jahres im Taunus. Eine Organisatorin sagte es damals so: "Die Ente ist kein Auto, sondern eine Kunst zu leben."