Irgendwie musste es ja so kommen. Denn so ganz vom Auto lassen kann einer wie Friedhelm Wiesmann offenbar nicht. Zwar haben erst er und dann sein Bruder 2012 nach fast 25 Jahren und über 1.600 Autos den Bau ihrer eigenen Roadster und Coupés drangegeben und sind aus der Dülmener Firma mit dem charakteristischen Hauptsitz in Form eines Geckos ausgestiegen, bevor das Unternehmen 2014 Insolvenz angemeldet hat. Doch offenbar lag dem Endsechziger weder der Ruhestand noch das Leben des Marketings- und Vertriebsberaters, der junge Unternehmen aus allen Branchen an den Markt bringen wollte. Deshalb brauchte es nicht viel mehr als einen Anruf aus einer alten BMW-Connection, um das Virus wieder zu wecken, das aus dem Textilkaufmann einst einen der schillerndsten deutschen Autobauer gemacht hat. Denn lange, bevor es einen Audi R8 oder einen AMG GT gab, waren die mit BMW-Technik gebauten MF4 und MF5 die "It"-Cars von Stars und Sportlern. Mit geschicktem Guerilla-Marketing haben die beiden Brüder ihren Wagen allerorten in Szene gesetzt – egal ob beim Tennis-Turnier oder beim Formel 1-Grand-Prix.
Weil ihm das offenbar genauso gefehlt hat wie der Benzingeruch und die hohen Drehzahlen, ist Wiesmann bereitwillig dem Rat der BMW-Connection gefolgt und ins winzige Welden gefahren, wo ihm ein Besuch bei der Familie Käs angeraten wurde. Vater Harald und Sohn Michael haben in dem Dorf vor den Toren Augsburgs vor ein paar Jahren mit dem Everytimer Aufsehen erregt, der auf Basis eines Einser Cabrios den legendären BMW 2002 wieder aufleben ließ. Die Schlagzeilen waren groß, der Erfolg aber eher bescheiden. Und das Projekt war nicht ganz zu Ende gedacht, sagt Wiesmann in der Rückschau. Denn wie sollte man erfolgreich und langfristig wirtschaften, wenn die Basis für den Umbau zum Oldtimer selbst nur noch als Gebrauchtwagen zu kriegen ist?
"Kühne Männer" steht auf dem Roadster
Doch am konstruktiven Talent der beiden hatte er genauso wenig Zweifel wie an deren handwerklichem Geschick – und schon war er wieder mittendrin im Abenteuer Automobilbau und der ruhige Lebensabend muss erst einmal warten. Statt Golf zu Spielen oder um die Welt zu reisen, wie es andere Rentner gerne machen, saß er deshalb plötzlich wieder über Designentwürfen und über Konstruktionsskizzen. Und weil er ja nur einer von dreien ist und der Name Wiesmann obendrein jetzt den Nachfolgern in Dülmen gehört, musste zudem eine neue Marke kreiert werden: Boldmen – kühne Männer – steht deshalb jetzt auf dem Roadster, mit dem die Produktion in diesem Sommer für Preise ab etwa 185.000 Euro begonnen hat.
Und kühn sind die drei Herren und ihre Handvoll Mitarbeiter allemal, wenn sie ausgerechnet im teuren Deutschland eine Kleinserienproduktion von maximal 120 Fahrzeugen im Jahr auflegen wollen, sich dabei in einem für diese Verhältnisse vergleichsweise niedrigen Preissegment bewegen und obendrein auch noch den Trend zum Elektroauto ignorieren. Denn während allerorten Start-Ups mit neuen Stromern um die Reichen und Schönen buhlen, bedient der verhinderte PS-Pensionär mit seinen beiden Partnern ausschließlich die Petrolheads. "Solange es geht, halten wir dem Verbrenner die Treue und denken erst später mal über einen Stromer nach", sagt Wiesmann.
Boldmen CR4
BildergalerieAm ewigen Wettrüsten auf der Überholspur wollte sich Wiesmann nicht beteiligen und setzt stattdessen auf eine gehörige Portion Understatement. Und anders als bei MF4 und MF5 gibt es erstmal nur den Roadster. Zudem ist das neue Auto handlicher als früher und tritt in einem anderen Preissegment an. Doch im Grunde ist der Boldmen CR4 ein typischer Wiesmann. Denn auch dieser Zweisitzer basiert auf BMW-Technik. Nur dass es diesmal nicht M3 und M5 als Teilespender herhalten mussten, sondern der Z4.
Der BMW als Basis mag an der Erfahrung liegen, die sowohl Wiesmann als auch die Käsens mit den Modellen aus München haben, und an den Vorlieben des Trios. Aber es gibt auch technische Gründe, sagt Wiesmann: Weil der Z4 ja auch die Basis für den Toyota Supra liefert, ist das Auto umbaufreundlicher konstruiert als üblich: Alle Karosserieteile sind von der Struktur losgelöst und lassen sich ganz einfach austauschen. Und das kommt dem Boldmen-Trio entgegen. Schließlich wird der Z4 während der wochenlangen Handarbeit in der Weldener Werkstatt komplett gestrippt und neu eingekleidet.
Doppelt so teuer, deutlich mehr Auto
Natürlich ist der CR4 mit seinen 185.000 Euro mehr als zweimal so teuer wie der Z4 M40i, der den Boldmen als Basis dient. Aber dafür gibt es auch deutlich mehr Auto: Mehr Leistung, weil das Trio dem drei Liter großen Sechszylinder Motor jetzt mit einem neuen Chipsatz 408 statt 340 PS abtrotzt. Mehr Fahrspaß, weil der Spurt auf Tempo 100 mit 610 statt 500 Nm in 3,9 Sekunden und damit 6 Zehntel schneller gelingt. Und vor allem mehr Liebe zum Detail: Die eigenständige Karosserie mit dem typischen Hüftschwung am Heck ist aus Karbon gebacken und lässt dem Kunden bei der Farbwahl alle Möglichkeiten. Und wo man bei BMW im Cockpit noch immer reichlich Kunststoff sieht, wird beim Boldmen jedes, aber auch wirklich jedes Bauteil mit Leder überzogen. Außerdem gibt’s ein neues Setup für Fahrwerk und Lenkung, das den leidenschaftlichen Charakter des offenen Gran Turismo betonen will.
Wie damals in den 1990ern tingelt Wiesmann auch heute wieder durch die Luxusoasen der Reichen und Schönen und bittet auf Sylt oder am Starnberger See zu Testfahrten. Und ganz sicher erfüllt es ihn mit Freude und Genugtuung, dass er es mit dem Boldmen noch einmal allen gezeigt hat. Denn während es den neuen Wiesman bislang nur als Ankündigung und als Prototypen gibt, ist der Boldmen CR4 längst fertig.
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