Von Patrick Broich/SP-X
Für gusseiserne Porsche-Fans ist es ähnlich schlimm wie die Umstellung von Luft- auf Wasserkühlung: Die zivilen Basis-Elfer kommen künftig aufgeladen daher. Aus Sicht der Traditionalisten nützt es wenig, wenn die Techniker beteuern, dass man alles unternommen habe, um den Boxermotor auf drehfreudig zu trimmen - es ist dennoch kein Sauger. Der GTS zählt zu den letzten Modellen der 911-Riege ohne Turboaufladung. Was passiert, wenn er auf den historischen 911 Carrera 2,7 trifft?
Der 155 kW / 210 PS starke 70er-Jahre-Elfer war zu kaufen, als es überhaupt nur einen einzigen bekannten Turbo-Pkw in Deutschland gab, nämlich den BMW 2002. Porsche folgte bald mit dem 911 Turbo: als zweiter – im Jahr 1975. Der Carrera 2,7 ist ein ganz besonderer Leckerbissen im 911-Gourmettempel. Die Tatsache, dass nur rund zweitausend gebaut wurden (ein Viertel davon als Targa), macht ihn heute begehrenswert. Damals war er es ebenfalls, weil er das 911-Programm anführte. Die Zuffenhausener bedienten sich eines simplen Tricks: Als der 911 das erste Facelift erhielt, montierte man in der Spitzenausführung einfach den Motor aus dem ehemaligen Carrera 2,7 RS.
Statt ihm ordentlich Lametta zu verpassen, ließen die Ingenieure den Elfer schlicht. Wer keine entsprechende Order aus dem Zubehör wählte, bekam nicht einmal den prägnanten Heckspoiler. Nur das Reifenformat war seinerzeit quasi überdimensional – gegen 200 Mark Aufpreis montierte Porsche atemberaubende 215 / 60 VR15 auf die Hinterachse.
Komplett ohne Fahrhilfen
Zierlich sieht er aus, der rechte Außenspiegel fehlt, zusammen mit dem Orange wirkt der Elfer richtig zeitgenössisch. Man nähert sich ihm respektvoller als den neuen 911-Modellen. Und das Fahrvergnügen mit dem Oldie ist aus einigen Gründen risikoreicher. Erstens ist er rar, zweitens teuer und drittens kommt er komplett ohne Fahrhilfen aus.
Ein Gasstoß im falschen Moment, schon katapultiert die Hinterachse das Coupé womöglich in Richtung Straßengraben. Also schön vorsichtig. Schlüssel auf der traditionell linken Seite des Lenkrads herumdrehen, dann blubbert der Sechszylinder mit der mechanischen Einspritzpumpe los und läuft im stabilen Leerlauf. Der Schalthebel des optionalen Fünfganggetriebes (serienmäßig sind vier Gänge) lässt sich nur unwillig bewegen, aber mit etwas Feingefühl klappt es. Dann ist erst einmal warmfahren angesagt, alles andere wäre Frevel.
Einmal auf Temperatur gebracht, kann der Hochbetagte auch dynamisch. Wenn man den Kniff raushat und den alten Boxer ein bisschen dreht, marschiert er ordentlich vorwärts. Die Straße sollte aber staubtrocken sein, sonst wird Elfer mit dem energisch schnaubenden Sechsender anstrengend und verlangt seinem Fahrer akrobatische Lenkmanöver ab, die schnell ins Auge gehen können.
Rüber in den GTS. Mit 316 kW / 430 PS bewegt man sich in anderen Sphären. Und obwohl viel schneller und böser, ist der moderne Elfer unbeschwerter zu fahren. Vollgasorgien verzeiht der Bolide: Er tänzelt dann ein wenig mit dem Hinterteil und wird von einem Zusammenspiel aus Brems- und Motoreingriff geradegezogen. Ähnlich verhält es sich auf der kurvigen Landstraße, doch sollte man sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Die Manöver des Stabilitätsprogramms helfen natürlich nur im Rahmen der physikalischen Gesetze. Ist man viel zu schnell in der Kurve, drängt der Wagen gen Leitplanke.
Sound macht süchtig
Ob Oldies mehr Spaß machen als neue Autos ist eine alte Diskussion. Kein Sound mehr, kein Charakter oder zu weichgespült, so hört man immer wieder von Neuwagen-Kritikern. Dabei feilen ganze Mannschaften an der Akustik, um die Zuffenhausener Ikone zum Ohrenschmaus zu machen. Und zwar erfolgreich. Der moderne Boxer trompetet derartig ansprechend, dass reines Zuhören Suchtgefahr birgt.
Der GTS macht alles noch einmal ein bisschen schärfer als die Grundmodelle, er kauert zehn Millimeter tiefer, rollt zwingend mit Sportauspuff und dank 4,4 Zentimeter breiterer Spur auch irgendwie satter an den Start. Mit den modernen Porsche 911 kann man auch längere Strecken problemlos abspulen, wenn die Insassen die harten Fahrwerke nicht allzu sehr stören. Dank der sieben Gänge des Doppelkupplungsgetriebes bleibt die Drehzahl auf der Autobahn im Keller, so fährt es sich hinreichend leise und halbwegs sparsam.
Der Kult-Elfer aus der Faltenbalg-Ära ist dann doch eher das Wochenend-Auto. Wer unbedingt auf der Suche nach einem raren Carrera 2,7 ist, muss Geduld und einiges an Geld mitbringen. Mit rund 100.000 Euro taxieren die Bewertungsprofis den 911 auf schwindelerregende Höhen. Das erste Turbomodell (75.000 Euro bei Zustand 2) ist auch nicht viel besser. Aber man könnte sich eben auch für den 117.549 Euro teuren GTS entscheiden. Oder vielleicht doch für einen der neuen "Volks"-Turbos?