Ist er ein Sportler im Geiste seiner legendären Vorgänger, oder ist der neue Ford Capri nur ein vollelektrischer Crossover-SUV aus dem Copyshop, der im Profil an den Polestar 2 erinnert? Während die Diskussionen darüber andauern, lohnt ein Blick zurück ins Jahr 1974, damals als der Ford Capri II in frischer Form und mit praktischer Heckklappe vorfuhr und Ford aus dem Tal der Ölkrise katapultierte. Schon die erste Generation des Kölner Fastback-Coupés hatte ab 1969 mit unendlich lang und unendlich maskulin wirkender Motorhaube sowie knackig-kurzem Heck vor allem Familienväter begeistert, und als bezahlbarer, familientauglicher Mini-Mustang in nur fünf Jahren über eine Million Käufer gefunden.
Während andere europäische Großseriencoupés bis dahin überwiegend von braven Limousinen abgeleitet waren, präsentierte Ford den Capri als Familiensportler im amerikanischen Muscle-Car-Stil. Tatsächlich war es US-Designer Philip T. Clark, der Schöpfer des Mustang, der auch das Designkonzept des Capri vorgab und so ein europäisches Pony-Car initiierte, das in Verkaufscharts und auf Rennstrecken von Sieg zu Sieg stürmte. Die Coolness erhalten, aber mit mehr Komfort für den Familienalltag, unter dieser Vorgabe zeichnete Ford-Chefdesigner Uwe Bahnsen die nächste Generation, die als Capri II im Februar 1974 startete – mitten in krisenhaften Zeiten, als inflationär gestiegene Ölpreise sowie strikte Tempolimits den Automarkt lähmten.
Capri II: Vorbild für die Branche
Keine Zeit für Sportler, so schien es. Aber auch der Capri II avancierte zum Vorbild für die Branche, beschleunigte er Ford doch zeitweise auf den zweiten Platz der deutschen Zulassungsstatistik, direkt hinter VW. Geld verdienen mit großen Stückzahlen, diese Strategie ging für Ford vor 50 Jahren auf. Heute positioniert sich der inzwischen nur noch achtgrößte Autobauer auf dem deutschen Markt als "Adventuremarke mit amerikanischem Touch" ohne jegliche Ambitionen auf Stückzahlen-Rekorde. Gleichwohl soll der elektrische und entsprechend kostspielige, fünftürige Crossover-Capri den Spirit seines erschwinglichen Vorgängers revitalisieren, eines "sportlichen Alltagscoupés, das eine allererste Adresse für Verbraucher ist, die Vernunft, Sportlichkeit und Preiswürdigkeit unter einem Autohimmel vereint haben wollen", wie es 1974 in der entsprechenden Presseinformation hieß.
Mit weicheren Linien und großer Klappe folgte der nur 4,29 Meter lange Capri II damals der Idee des 1973 lancierten Mustang II und konterte so die vielen neu hinzugekommenen Konkurrenten wie Alfetta GT, Audi 100 Coupé S, Lancia Beta Coupé, Mazda 818/RX-3, Opel Manta, Renault 15/17, Toyota Celica oder bald auch VW Scirocco. Je nach Motorisierung – es gab eine einzigartig große Auswahl an Vier- und Sechszylindern mit 1,3 bis 3,0 Liter Hubraum und 40 kW/54 bis 101 kW/138 PS Leistung – spielte der Capri das beinahe peinlich-behäbige Familiencoupé oder den fast 200 km/h schnellen Sportwagen, der auch zur Jagd auf noble BMW 2800 CS oder Mercedes 280 SL blies.
50 Jahre: Ford Capri II
Bildergalerie9.855 Mark und damit nicht mehr als ein kleiner Daf 66 oder VW Käfer 1303, so wenig kostete der Capri II L mit 1,3-Liter-Motor, und zumindest im Stand sah er schnell aus. Kein vergleichbares Coupé war billiger, aber zu diesem Kurs gab es auch kaum Ausstattung: Ob Automatik-Gurte vorn (80 Mark), Gepäckabdeckung (95 Mark), beheizbare Heckscheibe (131 Mark), Verbundglas-Frontscheibe (145 Mark), H4-Halogenlicht (91 Mark) oder verstellbare Kopfstützen vorn (95 Mark), die Kreativität der Kölner im Aufpreiskatalog kannte keine Grenzen. Andererseits gab es auf Wunsch starke Sechszylinder zum unschlagbaren Preis: 13.650 Mark kostete der Capri II GT mit 3,0-Liter-V6, so viel verlangte VW bereits für einen 1,5-Liter-Vierzylinder Scirocco. Ein vergleichbar starkes BMW 2.5 CS Coupé war mit über 30.000 Mark eingepreist und selbst ein Opel Commodore GS Coupé mit fast 20.000 Mark. Kein Wunder, dass der Capri auch in zweiter Generation abhob, seinen eigenen Mythos als Powercar generierte.
Die antiquierte Fahrwerkstechnik des Capri mit hinterer Starrachse störte die Käufer dabei ebenso wenig wie das von der Fachpresse gerügte Trampeln der Hinterachse; allein die gegenüber dem Capri I verloren gegangenen sportlich-scharfen Linien wurden bemängelt. Marketinggenie Bob Lutz, bei Ford Köln seit August 1974 am Ruder, wusste, was zu tun ist. Er verdoppelte die serienmäßige Werksgarantie auf damals sensationelle zwölf Monate, erweiterte die Basisausstattung um alle wichtigen Sicherheitsdetails – und spendierte dem Capri Chili in Form des Capri S mit Frontspoiler und strafferer Fahrwerksabstimmung. Fast 40 Prozent Fertigungsrückgang vermeldete Ford im Krisenjahr 1974, aber dann mischten frische Typen wie der Capri die Karten neu: Schon im Mai 1975 vermeldeten die Kölner traumhafte 17,5 Prozent Marktanteil (zum Vergleich: 3,6 Prozent sind es in den Monaten Januar bis August 2024) und damit die Position des zweitgrößten deutschen Herstellers vor Opel.
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Im August 1975 konterte Rüsselsheim mit einer Neuauflage des Manta, aber erst 1979 legte Opel den Manta CC mit Heckklappe auf, ein vergeblicher Versuch. Inzwischen hatte Ford das Geheimprojekt "Karla" finalisiert und als Capri ’78 (Capri III) ins Rennen um die Pole geschickt. Mit neuer Frontpartie, inklusive aggressiv blickender Doppelscheinwerfer, geriffelter Rückleuchten und mit mattschwarzen Dekorteilen statt altmodischer Chromornamente verwandelte sich der Ford zum coolen Kult-Coupé. Den phlegmatischen 1,3-Liter-Motor gab es nun nicht mehr, stattdessen hieß es: Muskeln an die Macht! Zum einen ersetzte der 118 kW/160 PS starke Capri 2.8 Injection 1981 den 3,0-Liter-Capri, zum anderen folgte wenig später der Capri Turbo mit 138 kW/188 PS aus 2,8 Litern Hubraum und dem Potential, einem Porsche 944 im Sprintderby davonzufahren.
Über solche Powerwerte konnte Klaus Ludwig nur schmunzeln, die Rennfahrerlegende gewann 1981 mit einem 510 PS leistenden Turbo-Capri das Championat der Deutschen Rennsport-Meisterschaft. Plötzlich mutierte der Capri vom Familiencoupé zum ernstzunehmenden Sportler, gefördert durch automobile Hauptrollen in TV-Kultserien wie "Die Profis". In dieser britischen Produktion brachten die CI-5-Agenten Bodie und Doyle jeden Gauner und Terroristen mit silber- oder goldmetallic glänzenden Capri zur Strecke. Bis ins Modelljahr 1987 blieb der Capri III – letztlich ein Capri-II-Facelift – in Produktion, seine Anziehungskraft spiegelte sich in Großbritannien sogar durch den zweifelhaften Ruhm des am meisten gestohlenen Automobils.
Ob sich der Ford Capri II in der Oldtimerszene Beliebtheit erfreut, erklärt Nicolas Ziegler von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: „Unter Capri-Fans ist die zweite Generation nicht unbedingt die erste Wahl. Viele finden sie aufgedunsener als das kompakte Urmodell und weniger knackig als den gestrafften Capri III. Liebhaber hat sie trotzdem und wie fast immer bei Ford greifen sie am liebsten zu den sportlichen S-Modellen, das Topmodell 3.0S kostet im guten Zustand etwa 18.000 Euro.“