Den Status quo darzulegen und die Herausforderungen im Kfz-Gewerbe aufzuzeigen – keiner kann das wohl besser als er: Prof. Stefan Reindl, Direktor des IfA Institut für Automobilwirtschaft, zeigte als Eingangsreferent mit Charts zur Dekarbonisierung und Digitalisierung, wie die Änderungen im Fertigungs- und Reparaturbereich aussehen und wie die Datenzusammenführung grundsätzlich die Mobilität umkrempelt. Dafür sollten alle gewappnet sein, und hier kommt sie bereits ins Spiel – die Zukunftswerkstatt 4.0. Prof. Reindl hat sie zwar nicht erfunden, aber mit auf den Weg gebracht, am Dienstag erklärte er die Konzeption des ab Herbst an den Start gehenden Innovationsfensters, dem, wie er sagte, "place to be".
Die Rolle des realen Ortes, der praxistauglich auf 450 Quadratmetern in Esslingen gleichzeitig als offene Plattform alle Wertschöpfungsstufen einbezieht, ist vielschichtig: Zusammenbringen soll die Zukunftswerkstatt tatsächlich alle – die Unternehmen des Kfz-Gewerbes, OEM und Teilehersteller, Technologiedienstleister, Verbände, Fachmedien, aber auch Bildungseinrichtungen. Mit 130 Unternehmen sei man im Gespräch, mit nunmehr 76 seien die Kooperationen schon fix, so Prof. Reindl. Das ist auch gut so, denn der Gesamtinvest beläuft sich nach seinen Angaben auf 2,4 Millionen Euro, 700.000 Euro gibt es vom Land Baden-Württemberg.
Vor einem Jahr wurde die Betreibergesellschaft gegründet – beteiligt sind die DAT zu 31 Prozent, die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) mit 20 Prozent. Geplant ist die Zukunftswerkstatt 4.0 als Kompetenzkonsortium – mit vielschichtigen Benefits und vier Leistungsfeldern, die die Branche zielführend auf die Zukunft vorbereiten soll. Eine räumliche Umsetzung entlang der Customer Journey ist geplant, sie ist in Lernstationen um die Themenkreise Sales und After Sales gegliedert.
Bessere Werkstattauslastung
Seit einem Jahr hat Burger Schloz am Standort Göppingen-Uhingen jetzt einen digitalen Annahmeprozess, den Ludger Wendeler vorstellt. Die "Digitalannahme 2.0" beinhaltet einen papierlosen Werkstattprozess, hat als zentrales Element einen Fahrzeugsscanner, der den Beratungsprozess in eine ungezwungene Atmosphäre verlegt. "Man muss sich nicht mehr unter dem triefenden Auto unterhalten", erklärt der Geschäftsführer. Die Kommunikation funktioniere per Video, Kostenvoranschläge und Reparaturfreigaben würden direkt im Videoclip per SMS erfolgen. Die Schnittstellen müssen funktionieren, was nicht immer topp funktioniert. Wendeler: "Man muss manchmal noch Krücken bauen." Aber Effizienzsteigerung und die bessere Transparenz der Arbeiten gegenüber dem Kunden lassen ihn zum Schluss kommen: lieber 80-prozentige Lösungen als ein 100-prozentiger Verzicht.
Wann kommt sie, die virtuelle Werkstatt? Peter Wagner, Managing Director Continental Aftermarket & Services GmbH, meinte im Rahmen seiner Präsentation: Sie existiert, aber die verfügbaren Daten fließen noch nicht ins Dealer Management System (DMS) ein. Mit der Caruso-Plattform gab er den Teilnehmern einen Ausblick auf Remote-Diagnosesysteme und deren Mehrwert.
Tipps für Räder und Reifen
Arno Bach holte weit aus, konnte aber anhand seiner fundierten Recherchen belegen: Die Marktanteile der Autohäuser sind im Räder- und Reifengeschäft sehr stabil geblieben – bei 23 Prozent, obwohl die Prognosen der letzten Jahre eher düster waren. "Das Autohaus ist in der Pole Position", erklärte Bach. Er formulierte dafür seine Ansatzpunkte: Kompetenz zeigen wie auch Verantwortung definieren, denn wo erfolgreich Reifen- und Rädergeschäft gemacht wird, gibt es einen Kümmerer. Dazu, so Bach, gehöre auch, dass alle Infos zum Thema Reifen und Räder allen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden und alles aktuell gehalten wird. Mindestens ebenso wichtig sei die Präsenz der Ware, um Kompetenz auszustrahlen. Zu den definierten Prozessen seien Radwechseltage unerlässlich – ebenso als Routine die Reifenprüfung bei jedem Werkstatttermin. Als schlagkräftigstes Argumente zum Thema Ganzjahresreifen befand Bach noch immer Sicherheit und der kürzere Bremsweg, auch gerade hinsichtlich der rollwiderstandsoptimierten Reifen der neuen E-Auto-Generation.
Erfolge durch Nachhaltigkeit
Davon berichteten gleich mehrere Referenten des AUTOHAUS Servicekongresses. Wie Meenakshi Fischer. Die Leiterin des Schmierstoffgeschäftes von Shell Deutschland erläuterte die Schlüsselfaktoren und die daraus resultierten höheren Anforderungen moderner Motoren an die Schmierstoffe. Moderne OW-Öle bergen nach Ansicht von Fischer einen dreifachen Gewinn – durch Nutzen für den Kunden, Handel (höhere Marge) und letztendlich auch für die Umwelt (weniger Emissionsbelastung).
Als Paradebeispiel in puncto Nachhaltigkeit stellte auch René Stange seine erfolgreiche Marktintegration des nun gerade ein Jahr alten Karosserie- und Lackierzentrums Heilbad Heiligenstadt der Autohaus Peter Gruppe dar. Ins umfangreiche Leitungsspektrum wurden auch Felgenaufbereitung und Caravan-Reparatur integriert. Durch Kooperationen mit Versicherungen und zehn Autohäusern wurde der Kundenradius laut Stange auf 100 Kilometer ausgedehnt. Eine multivalente Energiezentrale in Form eines Blockheizkraftwerkes (50 kW el./100 kW thermisch) verhelfen dem neuen Standort zu einer bedarfsgerechten Strom- und Wärmeerzeugung.
Neue Wege im Aftersales
Der hinkt hinterher. Dabei ist manches einfacher als man denkt – die mobile Dialogannahme per App etwa. Mike Sauermann von Loco-Soft bot eine beeindruckende Präsentation. Und auch die Charts und Ideen von Andreas Serra und Uwe Hausdorff (beide Promotor XD) zeigen, wie Autohäuser mit Fairgarage-Anbindung sich im Internet finden lassen und Kunden gewinnen. Wie sich mit einer smarten Service-Station einfach Zusatzgeschäfte dank Digitalsierung generieren lassen, erklärte Christian Rassfeld vom Gütersloher Autohaus Mense – die Geräte von aubex und die Idee dahinter erläuterte Sven Fillinger. Digitale Touchpoints sind für Autohäuser ein wichtiger Schlüssel für die Zukunft – das unterstrich Kristina Neff von NTT Data anhand einiger Beispiele kompetent und ausführlich.
Der Servicekongress der asp-Schwesterzeitschrift AUTOHAUS fand in diesem Jahr coronabedingt als reines Online-Event statt. Durch die neunte Ausgabe führte AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel. Sponsorenpartner waren TÜV SÜD, Shell und Enterprise Rent-a-Car.