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Audi 100/200 (C3): Vom Wind geformte Weltmeister

08.09.2022 09:14 Uhr | Lesezeit: 4 min
Audi 100/200 (C3): Vom Wind geformte Weltmeister
Der Audi 200 quattro 20V war 220 PS stark.
© Foto: Audi

Das stromlinienförmige Duo Audi 100/200 (C3) legte das Bürgerliche ab, attackierte die S-Klasse und sammelte Weltrekorde in Serie.

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"Vorsprung durch Technik" lautete der legendäre Werbeslogan von Audi, der einst mit der futuristischen Wankel-Limousine NSU Ro 80 eingeführt worden war und fortan als Markencredo diente. Ganz im Sinne dieses Leitsatzes erschienen 1982/83 die Neuauflagen von Audi 100 und 200 (C3), die vollendeten, was dem Ro 80 nie wirklich gelang: die automobile Premiumklasse erfolgreich aufmischen als technologisch avantgardistischste Produkte ihrer Ära.

Tatsächlich teilten sich die großen Audi-Limousinen deshalb nicht nur die aerodynamische Linie und das Designmerkmal der drei Seitenfenster mit dem Ro 80, auch unter dem Blechkleid verblüffte das Doppel 100/200 durch ein beispielloses Feuerwerk an Innovationen. Aufgeladene Fünfzylinder-Motoren, sparsame, direkt einspritzende Diesel, Quattro-Allradantrieb, Hybrid-Technik, vollverzinkte Karosserien mit weltweit günstigstem cw-Wert (0,30), Motorsport-Meisterschaften sowie diverse Vmax- und Effizienz-Weltrekorde, so verankerten die Modelle 100 und 200 die Marke Audi im automobilen Oberhaus.

"Wer hat Vorfahrt in der S-Klasse?", fragten europäische Fachmedien und die Chinesen antworteten: "Hongqi"(Rote Fahne), denn so hießen ab 1988 die bei FAW in Changchun produzierten Audi 100, die als Repräsentationslimousinen reüssierten. Hierzulande war die Situation nicht ganz so klar, deshalb legte Audi 1988 den Luxusliner V8 nach. Ein weiterer Verwandter des Duos 100/200 (C3), das damals längst auf dem Weg zum Millionseller war.

"Audi 100. Das beste Auto der Welt. Das Auto des Jahres. Das goldene Lenkrad. Das Auto der Vernunft. Niemals zuvor waren sich Presse, Experten und Autofahrer über ein neues Auto so einig", tönte die Werbetrommel der Marke mit den vier Ringen, nachdem die dritte Generation des Ingolstädter Bürgermeisters so ziemlich jeden wichtigen Award gewonnen hatte. Gerechnet hatte damit vor 40 Jahren niemand.

Galten doch die vorhergehenden Audi 100 und 200 trotz Vorderradantrieb und Fünfzylinder als Inbegriff biederer Beamtenlimousinen, für die auf Vorstandsparkplätzen noch ein Vorfahrverbot galt. Die Verwandlung von Audi in Richtung Innovationstreiber begann 1974, als Ferdinand Piech die Führung der Entwicklungsabteilung übernahm und die Höherpositionierung der Marke vorantrieb. Der 1980 präsentierte Audi Quattro stellte den ersten Quantensprung dar, auf den 1981 ein kühnes, aber seriennahes stromlinienförmiges Forschungsauto folgte, das bereits die Formensprache des Audi 100 (C3) vorwegnahm.

Dieser dynamisch gezeichnete Viertürer brachte die Bastion aus steifen BMW, Mercedes und Volvo ins Wanken, bedrängte auf Bestsellerposition abonnierte Familien-Limousinen wie Opel Rekord und Ford Granada und zeigte sich noch zukunftsweisender als die exaltierten Citroen CX und Rover V8 Vitesse. Nicht nur die Verkaufscharts reflektierten den Erfolgskurs des Audi 100, auch fast alle Vergleichstests gewann der Ringträger dank größerem Platzangebot, überlegenen Fahrleistungen und niedrigerem Verbrauch. Ein Vorsprung, der auch auf das Konto der extrem aerodynamischen Konzeption ging.


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„Wir haben den Wind zum Flüstern gebracht“, erklärte das Audi-Marketing und die Fachwelt betätigte, dass Windgeräusche „Luft“ für den Audi 100 waren. Grund waren neuartige in die Karosserie integrierte Scheiben, die selbst bei hohem Tempo lästige Geräusche dämmten. Die Schattenseite: Die großzügige Verglasung verwandelte den Innenraum bei Sonnenschein in ein wahres Treibhaus, eine neuentwickelte Klimaanlage mit zwei Wärmefühlern war nur Option, die serienmäßige Belüftung komplett überfordert. Es war nicht leicht für Audi, diesen Kampf gegen den unerwünschten Superlativ „Heißestes Auto der Welt“ zu gewinnen. Allerdings betraf die Problematik bald auch andere Stromlinienmodelle, wie Opel Omega oder Mercedes W124.

Audi hatte sich aber noch höhere Ziele gesteckt: Die leistungsstärkeren Schwestermodelle Audi 200 (ab 1983) und V8 (ab 1988) sollten sich, so hofften die Marketing-Strategen, auf dem gleichen Niveau etablieren wie BMW 7er und Mercedes S-Klasse. Nicht zu vergessen der Avant (ab 1983) als konsequenter Lifestylekombi, der mit schrägem, großzügig verglastem Heck an extravagante Shootingbrakes wie den Volvo 1800 ES erinnerte und in Skandinavien, aber auch in Frankreich zur Design-Ikone avancierte.

Andererseits hatte der von Fachmedien als technologischer „Super-Kombi“ gelobte Avant genau deshalb im Kapitel Zuladungskapazität im Vergleich mit Mercedes T-Modell, Volvo 240 Kombi, Citroen CX oder Granada Turnier das Nachsehen. Voraus fuhr der Avant dafür in Sachen Elektrifizierung, so debütierte er 1989 als Kleinserie Audi Duo mit Hybridantrieb, bei dem ein Benziner die Vorderräder und ein 9,4 kW/13 PS-Elektromotor die Hinterräder antrieb.

Dagegen machte der erste deutsche Diesel-Direkteinspritzer den Audi 100 Avant TDI zum weltweit ersten 200-km/h-Kombi mit Selbstzünder, während eine TDI-Limousine bei einer knapp 5.000 Kilometer langen Spar-Rekordfahrt mit einem Durchschnittsverbrauch von 1,76 Liter Diesel überraschte. Noch mehr Schlagzeilen bewirkten Speed-Bestwerte. Sei es als Audi 200 Avant Quattro 20V mit 162 kW/220 PS leistendem Fünfzylinder, der als erster Großserienkombi die 240-km/h-Marke knackte, als 650-PS-Audi-200-Projektil, das im italienischen Nardò 345 km/h erreichte, oder als Audi 100 Quattro, der ganz langsam, aber unaufhaltsam eine schneebedeckte finnische Skisprungschanze hinauffuhr, weltweit kommuniziert durch preisgekrönte Werbespots.

Und dann gab es noch jenen 200 Quattro, der als erster Audi-Werksrenner seit der Silberpfeilära startete und auf Anhieb die amerikanische Trans-Am-Serie gewann, während der Audi V8 mit Achtzylinder-Power und Allradantrieb ab 1988 den Weg in die höchste Premiumklasse vorbereitete und zumindest durch Meistertitel in der DTM 1990 und 1991 den Erzrivalen Mercedes-Benz deutlich deklassierte. In den Zulassungsstatistiken spielte der V8 dennoch kaum eine Rolle, dies gelang erst seinem Nachfolger, dem Audi A8.

„Neuer Konkurrent in der S-Klasse: Audi 200 Turbo“, hatten schon 1983 Fachmagazine über den sensationell schnellen Fünfzylinder getextet und ihn mit Mercedes 280 SE, BMW 732i und Jaguar XJ6 verglichen. Am Prestige der vier Ringe und an der Noblesse des Turbomotors fehlte es vorläufig noch, ansonsten wurde der Limousine standesgemäßer Komfort bescheinigt. Davon erzählten auch Auftritte des Audi 200 in der TV-Kultserie „Schwarzwaldklinik“.

Dort nutzte Hauptdarsteller Klausjürgen Wussow alias Professor Brinkmann den Allradler, im James-Bond-Streifen „Der Hauch des Todes“ setzte „007“-Schauspieler Timothy Dalton auf das Verfolgungspotential der schnellen Limousine und auch im Hollywood-Blockbuster „E.T.“ übernahm der Audi die automobile Hauptrolle. Ein Promistatus, der dem bis 1991 in nur 93.000 Einheiten verkauften Audi 200 (C3) in Zulassungsrankings noch verwehrt wurde, aber die Tür ins Oberhaus hatte er weit geöffnet. Derweil hatte der Audi 100 alle Erwartungen übertroffen; er galt nun als Messlatte in der feinen Mittelklasse.

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