Automobile sind teuer. Der neue Cupra Tavascan ebenfalls. Oft ein Grund für den hohen Startpreis: Es sind Dinge an Bord, die nicht gebraucht oder gewollt werden – so auch beim Tavascan.
Der Wow-Effekt des Cupra Tavascan ist weg. War die IAA-Studie aus 2019 noch spektakulär, ähnelt anno 2024 jedes „E-SUV-Coupé“ dem Tavascan, der im September 2024 auf den Markt kommen wird und damit fast ein Jahr später als geplant. Zudem ist er das letztes Modell im Konglomerat von Audi Q4, Audi Q4 Sportback, VW ID.4, VW ID.5 und Skoda Enyaq sowie Skoda Enyaq Coupé. Puhh, die Liste technisch baugleicher Modelle ist also lang, die verwechselbarer Wettbewerber noch länger. Und wer zuletzt kommt, den …
Mal sehen, wie Cupra – die selbst ernannte „Challenger Brand“ – diese Herausforderung meistert. Der Cupra Tavascan hat von seinem Produktionsband bis zu den Euro-Kunden einen langen Weg. Anders als Q4 Sportback und ID.5, die in Zwickau produziert werden, kommt der Tavascan aus der Provinz Anhui in Chinas Osten. Richtig gelesen, der Tavascan ist nicht nur der erste Cupra aus China, sondern auch der erste Volkswagen-Konzern-Modell, das für Europa dort vom Band rollt.
Damit kommen wir zum relevanten Kritikpunkt des Tavascan. Seinem Preis. Der Basispreis des durchaus gut ausstaffierten Elektro-SUV liegt bei 56.210 Euro (brutto). Dafür gibt es sogar einen Audi Q4 e-Tron Sportback – klar, nicht in der Ausstattungsfülle, aber dafür auf den Punkt konfiguriert, mit dem, was man möchte oder benötigt. Der Cupra Tavascan hat zwar stets viel an Bord – manches aber nicht. Dafür gibt es Ausstattungslinien und Pakete, jedoch nicht viele. Das machen asiatische Hersteller seit jeher so und nun auch fast alle, die in China produzieren lassen (Volvo, Polestar, DS, Citroen). Löbliche Ausnahme: BMW mit dem iX3 – da konfiguriert sich der Kunde noch wund. So oder so: Der Weg übers Meer kostet Zeit und die versucht man mit vorproduzierten Modellen und den meisten „Kundenwünschen“ zu kompensieren. Beim Tavascan heißt das, dass der Kunde drei Zusatzpakete zur Option hat: Winter Pack, Adrenaline Pack und Extreme Pack, sowie drei Interieurs, ein paar Lackierungen und einige Felgen in 19, 20 und 21 Zoll.
Pflicht-Extra Beim Cupra Tavascan
Das Winterpaket wird beim Tavascan, zumindest für den deutschen Markt, immer bestellt werden. Denn nur so kommen Tavascan-Fahrer in den Genuss, der Wärmepumpe, die bei kalter Witterung ein paar Zusatz-Kilometer schenkt. Die Preise für die drei Pakete wurden bislang noch nicht bekannt gegeben. Wir vermuten, dass man rund 1.500 Euro fürs Winterpaket auf den Tisch legen muss. Das bedeutet im Umkehrschluss knapp 58.000 Euro für den Tavascan mit 286 PS, Heckantrieb und 77-kWh-Akku. Viel? Definitiv. Denn Matrixlicht, Adaptivfahrwerk (sehr gut, da kommen wir noch drauf), 21-Zoll-Räder und das neue Sennheiser-Soundsystem sind ans Adrenaline Pack gebunden, was vermutlich mit knapp 7.000 Euro bezahlt werden muss. Sportschalensitze und Schmiedefelgen gibt es im Extreme Pack. Diese selbstbewusste Einpreisung verwundert beim Tavascan um so mehr, denn der Preisvorteil, den ein in China produziertes Fahrzeug de facto noch immer aufweist, wird offensichtlich nicht an den Kunden weitergegeben. Aber Cupra wird konzernintern nicht umsonst ob der Margen beneidet.
Der Cupra Tavascan ist der auffälligste Geselle des ME-Baukastens im Volkswagen-Konzern – das passt zu Cupra. In der Seitenansicht verströmt er Bekanntes, ist jedoch in keinem Bereich mit den Brüdern identisch. Auffallend, die an der Oberkante eckigen Seitenfester bei Fahrer und Beifahrer. Die glatte Front mit ein paar Sicken ergibt einen CW-Wert von bestenfalls 0,26. Ein erstmals beleuchtetes Cupra-Tribal (Logo) auf der Motorhaube soll Wiedererkennung bei Tag und bei Nacht garantieren. Abschaltbar ist die „Illumination“ nicht. Das neue Scheinwerfer-Innenleben der Matrixlichter (nur im Adrenaline Pack) greift das neue Design auf: Drei Tagfahrlicht-Elemente, die bei aktiviertem Blinker orange leuchten, bewirken eine markante „Bildmarke“.
Cupra Tavascan Endurance | 77 kWh
Preis ab: 56.210 € (brutto) Elektro-Heckmotor| 210 kW/286 PS | 545 Nm 6,8 s | 180 km/h | Reichweite: 568 WLTP-Kilometer | Verbrauch: 15,6 kWh Batteriekapazität: 77 kWh (netto) Ladeleistung: AC 11 kW | DC 185 kW Maße: 4.644 x 1.861 x 1.597 mm Kofferraum: 540 Liter Versicherung: HK 17 | VK 23 | TK 21 Wartung: 2 Jahre Garantie: 5 Jahre/150.000 km | 8 Jahre/160.000 km (Akku)
Viel Platz im Tavascan
Den Innenraum entert man mittels unterschlüpfen der Finger in die Türgriffe, die bündig in die Karosserie integriert sind. Im Normalfall wird mit dem Mittelfinger getoucht, wer heftig am „Griff“ zieht, kann diesen auch hochklappen. Das dürfte der Notöffnung im Falle eines Unfalls geschuldet sein. Das Einsteigen gelingt elegant, da recht hoch. Die Sitze sind Cupra-mäßig. Also per se gut aber nach wie vor ohne AGR-Siegel und ohne ausziehbare Schenkelauflage, über die sich Langbeiner freuen. An der guten Sitzposition ändert das freilich nichts.
Ist die Mittelkonsole mit dem martialisch anmutenden Steg auf den ersten Blick noch immer etwas „Wow“, hat das Bogen-Element durchaus mindestens einen funktionalen Aspekt. Es eignet sich ideal zum Auflegen der Hand und damit einer definierteren Bedienung des 15-Zoll-Displays, das der neuesten Infotainment-Generation des Konzerns entspricht. Die Bedienung wurde daher bereits hinlänglich erwähnt und ist besser als in den ersten MEB- und MQB-Modellen (Verbrenner), gut aber nach wie vor nicht. Es erschließt sich zum Beispiel nicht, warum man aus manch einem Menüpunkt per Druck aufs Apple-Carplay-Symbol (oben rechts) direkt wieder in die zuvor genutzte Google-Maps-Ansicht der aktiven Routenführung kommt, und aus anderen Infotainment-Bereichen beim selben Symbol in einer Schwarzansicht landet und zusätzlich aufs Google-Maps-Symbol am linken Bildschirmrand drücken muss.
Die Materialien im Cupra Tavascan
Ist man von Cupra stets einwandfreie Materialqualität gewohnt, hapert es beim Tavascan an der Stelle. Ob das an den derzeit omnipräsenten „nachhaltigen“ Materialien liegt oder einfach dem Zeitgeist geschuldet ist, lassen wir mal im Raum stehen. Das „Cupra-Kupfer“, das sich als Spange über den Armaturenträger zieht, wirkt ebenso wenig hochwertig wie der erwähnte Handablage-Bogen. Beides ist und bleibt Plastik. In der Mittelablage (unter dem Bogen) kann das Handy induktiv geladen und via Kabel mit dem Fahrzeug verbunden werden. Nochmals darunter befindet sich eine Durchreiche, deren Funktion uns nicht ganz erschließt. Wäre dort eine Ablagefläche, wäre das durchaus eine sinnvolle Ergänzung, so ist es wohl eher Design ohne Funktion.
Platz gibt es im Cupra Tavascan ausreichend und mehr als wohl in den allermeisten Fällen benötigt wird. In den Kofferraum, der eine Ski-Durchreiche besitzt, passen 540 Liter. Wer umklappt, dürfte bei rund 1.500 Litern landen. Das Panoramadach (nur im Adrenaline Pack) bringt Licht ins Dunkel und erfreut einige, andere würden dafür gern keinen Cent bezahlen (müssen). Eine beleuchtete Ablage unter der Mittelarmlehne ist indes hilfreich und an Bord.
Sehr angenehmes Adaptiv-Fahrwerk im Tavascan
Extrageld ist vielleicht aber fürs DCC-Adaptivfahrwerk angebracht (nur im Adrenaline Pack). Aus Mangel an Fahrmöglichkeiten ist jedoch kein Vergleich zum Standard-Sport-Fahrwerk möglich. Die DCC-Spreizung zwischen Komfort und Sport ist im Cupra Tavascan bestens gelungen und so findet sicherlich jeder seine favorisierte Abstimmung. Und selbst im Sportmodus verteilt der Tavascan mit 21-Zoll-Rädern keine fiesen Schläge, zirkelt aber (auch dank Progressivlenkung) flink um die Kurven, wie es im Alltag niemand machen wird. Handlich ist der 2,2-Tonner also, dessen ESP in Stufen runtergeregelt werden kann. Ein komplettes Abschalten des Schleuderschutzes ist nicht möglich.
Gefahren sind wir ausschließlich den Doppelmotor-Antrieb. Leistet bereits die Basis ausreichende 286 PS, setzt der Allradantrieb nochmals 54 PS oben drauf. Damit beschleunigt der Tavascan VZ, wie das Schnellmodell korrekterweise heißt, in 5,6 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Ironischerweise wird dennoch bei Tempo 180 eingebremst und ein 95-PS-Ibiza zieht locker vorbei. Klar, Vmax ist kein Thema bei E-Mobilisten, die Frage darf jedoch gestellt werden? Wozu diese horrenden PS-Zahlen, die niemand benötigt, aber sich irgendwie aufs Preisschild auswirken?
Cupra Tavascan kann erstmal nur 135 kW DC laden
Beim Laden ist der Cupra Tavascan noch hinterher. 135 kW lautet die Aussage von Cupra zum Maximalwert und eine Ladezeit von knapp unter 30 Minuten fürs Laden 10–80 Prozent. In der Pressekonferenz wurde jedoch von maximal 185 kW gesprochen – ein Wert, der A dem Stand der Technik entspricht und B bei dem Fahrzeugpreis angemessener erscheint. Mal sehen, was sich bis zum Marktstart im Spätsommer noch tut. Mit 135 kW ist der Fahrzeugpreis abermals deutlich zu hoch kalkuliert.
An der AC-Säule gehen die üblichen 11 kW hinein. Da wäre eine 22-kW-Option wünschenswert. Denn mit dem 77-kWh-Akku (es gibt erst einmal nur diesen) steht man an öffentlichen Ladesäulen im längsten Fall gut sieben Stunden. Nach vier kostet es jedoch fast immer Blockiergebühr – egal, ob noch geladen wird oder nicht. Ein Unding, dass 2024 Ladesäulen das nicht unterscheiden und „Langlader“ die bereits hohe Preise zahlen, zusätzlich bestraft werden. 522 Kilometer soll der Allradler nach WLTP schaffen. Auf unserer (knapp) 200-Kilometer-Tour rund um Barcelona landeten wir bei etwa 19 kWh ohne Ladeverluste. Für unser dortiges Fahrprofil ein „Okay-Wert“. Laut Cupra reichen dem Tavascan VZ 16,6 kWh.
Benannt ist der Cupra Tavascan übrigens nach einem Dorf in den Pyrenäen (Grenzregion zu Frankreich). Dort wird er selten einen Besitzer finden. Die fahren wohl meistens noch bezahlbarere Verbrenner.
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