Von Holger Holzer/SP-X
Eigentlich müssten die USA ein Dieselland sein. Lange Distanzen, dünne Tankstellennetze, gleichmäßige Geschwindigkeiten – die Staaten wären prädestiniert für den Selbstzünder. Das dachte man Anfang der 70er-Jahre auch bei General Motors.
Im Zeichen der Ölkrise hatte der Konzern Probleme, seine großen und durstigen Limousinen zu verkaufen. Weil die Kundschaft trotz der Benzinkrise nicht von großvolumigen Motoren lassen wollte, musste halt der Kraftstoff geändert werden. Tochter Oldsmobile erhielt daher den Auftrag zur Entwicklung eines V8-Dieselmotors. Die Technik war für die Entwickler komplettes Neuland, hinzu kam großer Zeitdruck. Trotzdem konnte 1977 der fertige Serienmotor vorgestellt worden, bereit für den Einsatz in zahlreichen Konzernfabrikaten von Cadillac bis Buick.
Der 5,7 Liter große Achtzylinder war auch durchaus durchzugsstark und dabei sparsam. Allerdings technisch nicht ganz ausgereift: Für die Befestigung des Zylinderkopfes beispielsweise waren zu wenige Schrauben vorgesehen, so dass viele Motoren nach wenigen tausend Kilometern unter starkem Qualmen den Geist aufgaben. Zunächst fiel das nicht auf, innerhalb kürzester Zeit kletterte der Absatz von Diesel-Pkw 1981 auf mehr als eine halbe Million Pkw, was damals einem Marktanteil von fast fünf Prozent entsprach. Doch dann sanken die Benzinpreise wieder und die Tankstellen bekamen das Qualitätsproblem beim häufig verunreinigten Dieselkraftstoff nicht in den Griff.
Mittlerweile wurde zudem auch Oldsmobile von Klagen wegen Motorschäden überrollt. Diesel wurden innerhalb kürzester Zeit fast unverkäuflich, auch wenn die zwischenzeitlich aufgelegten V6-Modelle ihre Kinderkrankheiten abgelegt hatten. 1985 wurde die Selbstzünder-Produktion komplett eingestellt. Viele V8-Diesel wurden in den Folgejahren zu benzinbetriebenen Rennmotoren umgebaut, wo sie mit ihren massiven und stabilen Motorblöcken gute Arbeit leisteten. Die wenigen verbliebenen Exemplare sind heute begehrte Sammlerstücke.
Die Erinnerung an das Desaster hat dem Diesel den US-Markt lange verschlossen. Die heimische Industrie jedenfalls verzichtete fortan in der Regel auf Selbstzünder und konzentrierte sich auf Elektro- und Hybridautos. Das sahen die deutschen Marken als Chance – und begaben sich Anfang des Jahrtausends mit ihren „Clean Diesel“-Modellen verstärkt auf die Jagd nach Marktanteilen. Und das trotz weitgehend niedriger Benzinpreise auch nicht ganz erfolglos. Knapp knapp drei Prozent Marktanteil erreichte der Diesel zuletzt laut dem Branchenverband VDA in den USA. 94 Prozent der Autos kommen von deutschen Marken.
Im Vergleich mit Europa sind die USA aber weiterhin ein Diesel-Entwicklungsland. In Deutschland liegt der Diesel-Anteil bei 48 Prozent, in Westeuropa insgesamt bei 53 Prozent. Die wohl erneut anstehende Diesel-Krise auf dem US-Markt dürften die deutschen Hersteller wegstecken. Sollte auch in Europa der Absatz einbrechen, sieht das jedoch anders aus. Denn hier ist der Diesel nicht nur Absatzbringer, sondern muss in besonderem Maße auch zur CO2-Reduzierung beitragen. Allein mit Benzinern werden die deutschen Hersteller die Emissionsziele nicht erreichen.