In der großen Koalition verschärft sich der Streit über den Kurs in der Dieselkrise. Angesichts der EU-Klage gegen Deutschland wegen zu schmutziger Luft in Städten drängt die SPD Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), den Widerstand gegen technische Nachrüstungen älterer Diesel aufzugeben. "Den Menschen vorzumachen, das Problem durch Software-Nachrüstung lösen zu können, ist der falsche Weg", sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch der Deutschen Presse-Agentur. "Die Menschen erwarten von uns zu Recht, dass wir für saubere Luft sorgen und Fahrverbote verhindern." Dies werde durch die "Aussitztaktik" des Ministers aber nahezu unmöglich.
Die EU-Kommission hatte am Donnerstag angekündigt, Deutschland und fünf andere Länder wegen zu hoher Luftverschmutzung in Städten durch Diesel-Abgase vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Soweit hätten es Scheuer und sein Amtsvorgänger Alexander Dobrindt (CSU) niemals kommen lassen dürfen, kritisierte Miersch. Spätestens seit der Einleitung eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens im Jahr 2015 sei klar, dass Deutschland mehr tun müsse.
Die große Koalition streitet seit Monaten darüber, ob zum Vermeiden von Fahrverboten in Städten auch technische Umbauten an Motoren durchgesetzt werden sollten. Scheuer hat wiederholt technische, rechtliche und finanzielle Bedenken dagegen deutlich gemacht, auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist skeptisch.
"Problem erledigt sich nich von selbst"
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) untermauerte nach der Klage-Ankündigung aus Brüssel ihre Forderung nach technischen Nachrüstungen, die nun "so schnell wie möglich" auf Kosten der Autobauer gebraucht würden. "Darauf zu hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt - wie manche das offenbar tun -, ist spätestens jetzt keine Option mehr. Blockieren und Aussitzen sollte in dieser Frage niemand mehr."
Auch nach Auffassung des Umweltbundesamts lassen sich Fahrverbote in deutschen Städten nur vermeiden, wenn ältere Diesel-Fahrzeuge im großen Stil nachgerüstet werden. "Sauberer wird es in den Innenstädten nur, wenn die Hersteller die Nachrüstung der Euro 4 und vor allem Euro 5-Fahrzeuge ernsthaft angehen", sagte Behördenchefin Maria Krautzberger der 'Süddeutschen Zeitung'. Die bislang getroffenen Maßnahmen - wie Software-Updates oder die sukzessive Umstellung der Busflotten - reichten noch nicht aus. Die Autobranche lehnt technische Diesel-Nachrüstungen auch mit Verweis auf die Kosten ab. Sie setzt auf Software-Updates, die aber aus Sicht vieler Experten nicht ausreichen.
Mehr Tempo für bessere Luft
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) forderte die Bundesregierung zu mehr Tempo bei den Anstrengungen für bessere Luft auf. So könne die Modernisierung kommunaler Flotten einen wichtigen Beitrag leisten, sagte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling, zugleich VKU-Präsident, der Deutschen Presse-Agentur. "Nach der Ankündigung der Bundesregierung, dass die Förderung auch für Fahrzeuge der kommunalen Flotten erweitert werden soll, fehlt jetzt konkret noch die entsprechende Förderrichtlinie. Umso schneller diese kommt, umso besser. Und weiterhin muss gelten, dass die Hersteller nicht aus der Pflicht genommen werden dürfen."
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte, weil Merkel und Scheuer die Autoindustrie nicht zur Verantwortung ziehen wollten, drohten nun Strafzahlungen in Millionenhöhe. "Diese werden dann aus dem Steuersäckel von der Allgemeinheit gezahlt." Dies sei nicht in Ordnung. Die Hersteller hätten bei Diesel-Pkw betrogen, machten Rekordgewinne und weigerten sich hartnäckig, ihre Autos sauber nachzurüsten. (dpa)