Die Bundesregierung strebt bis diesen Freitag eine interne Verständigung über neue Maßnahmen gegen Diesel-Fahrverbote an. Dann ist ein Treffen bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geplant, wie die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus Regierungskreisen erfuhr. Teilnehmen sollen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Zur Vorbereitung ist an diesem Mittwoch ein Treffen von Staatssekretären vorgesehen. Merkel hatte bereits angekündigt, dass sich am Montag kommender Woche, 1. Oktober, auch der Koalitionsausschuss von Union und SPD mit dem Thema befassen soll.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat währenddessen ihren Kurs bekräftigt. Technische Nachrüstungen auf Kosten der Herstellerseien der beste und gerechteste Ausweg aus der Dieselkrise, sagte Schulze der Deutschen Presse-Agentur. "Wer Fahrverbote vermeiden will, darf sich nicht nur auf Busse, Kommunalfahrzeuge oder Transporterbeschränken. Ohne technische Nachrüstungen von Diesel-Pkw lässt sich das Problem nicht lösen." Zugleich sagte Schulze, sie sei froh, dass nun "endlich Bewegung" in die Sache komme.
Scheuer besteht nicht auf Selbstbeteiligung
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will nicht auf einer Selbstbeteiligung der Autobesitzer bestehen. Er habe am Sonntag lediglich ein Modell vorgelegt, sagte Scheuer am Dienstag nach Beratungen mit dem bayerischen Kabinett in München. Er habe aber keine Probleme damit, eine Selbstbeteiligung von 600 Euro wegzunehmen. Deshalb diskutiere er jetzt mit den Herstellern ein Hardware-Nachrüstungsmodell "auf Basis von null Selbstbeteiligung". Scheuer bekräftigte aber eine Reihe von rechtlichen, technischen und finanziellen Bedenken gegen dieses Vorgehen. "Meine Priorität ist die Flottenerneuerung und die Tausch-Option", betonte der Minister.
Bundesregierung und Autoindustrie arbeiten derzeit an einem neuen Paket für bessere Luft in Städten, in denen Schadstoff-Grenzwerte überschritten werden. Dieselabgase gelten als Hauptverursacher. Weitere Fahrverbote für Dieselautos sollen vermieden werden. Umstritten in der Koalition sind vor allem Diesel-Nachrüstungen für Pkw - und die Frage, wer diese bezahlt.
Hersteller rechnen Umtauschprämien durch
Die Konzernchefs haben sich nach Informationen des "Handelsblatts" offen für großzügigere Umtauschprämien gezeigt. "Jeder Hersteller rechnet jetzt Umtauschaktionen durch, die so attraktiv sind, dass die Kunden zugreifen", zitierte das Blatt aus Regierungskreisen.
Umgerüstet werden sollten demnach nur Fahrzeuge, bei denen der nachträgliche Einbau von Stickoxidfiltern technisch sinnvoll sei. Das würde vor allem die Dienstwagenflotten mit den Modellen VW Passat, BMW 3er und Mercedes C-Klasse betreffen, schrieb das "Handelsblatt". Hier sollten die Hersteller bei Umbaukosten von bis zu 3.000 Euro 80 Prozent der Kosten übernehmen, so dass der Kunde höchstens 600 Euro selbst zahlt. Ein Zuschuss des Staates sei nicht vorgesehen.
Kein Steuergeld für Hardware-Nachrüstungen
Der Steuerzahlerbund und der Bundesverband Verbraucherzentrale (vzbv) warnten die große Koalition davor, die Steuerzahler zur Lösung der Dieselkrise finanziell zu belasten. "Steuergeld zur Hardware-Nachrüstung von Dieselfahrzeugen lehne ich ab - das ist Aufgabe der Automobil-Industrie", sagte der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, der "Rheinischen Post" (Dienstag). "Ich appelliere an die Politik: Der Steuerzahler darf hier keine finanzielle Haftung übernehmen."
Ähnlich äußerte sich vzbv-Chef Klaus Müller: "Die Kosten für die Hardware-Nachrüstung müssen die Hersteller tragen", sagte er der Zeitung. Die Autoindustrie müsse endlich die Verantwortung übernehmen. "Die Hardware-Nachrüstung muss kommen - nicht nur für Busse und Nutzfahrzeuge, sondern für die vielen von Fahrverboten bedrohten privaten Diesel-Pkw. Daran führt kein Weg vorbei: für saubere Luft in den Städten und um Mobilitätzu erhalten." Die CDU hatte am Montag den Einsatz von Steuergeld zur Lösung der Dieselkrise und Vermeidung von Fahrverboten nicht ausgeschlossen.
Industrie-Präsident Dieter Kempf hat die Automanager aufgefordert, in der Dieselkrise Verantwortung zu übernehmen. Beim Tag der Deutschen Industrie in Berlin erneuerte der BDI-Chef am Dienstag zugleich seine Skepsis gegenüber technischen Diesel-Nachrüstungen, er sprach von technischen Problemen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) setze auf Software-Updates. (dpa)