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Ein Jahr "Fit for 55": EU-Klimapolitik nimmt Gestalt an

13.07.2022 15:39 Uhr | Lesezeit: 5 min
Langsam werden Details des Pakets "Fit for 55" sichtbar.
© Foto: Jürgen Fälchle/stock.adobe.com

Vor einem Jahr hat die EU-Kommission ein ehrgeiziges Klimapaket präsentiert. Die Umsetzung solcher Vorhaben dauert in der EU bekanntlich lange. Angesichts des Ukraine-Kriegs wurde teils nachgeschärft - doch vieles ist noch nicht geklärt.

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Die Sommer werden heißer, Strom und Gas angesichts des Ukraine-Kriegs derzeit immer teurer. Am Donnerstag vor genau einem Jahr hat die Europäische Kommission unter Ursula von der Leyen ihr umfassendes Klimapaket "Fit for 55" vorgelegt, mit dem der EU-Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent sinken soll. Bis 2050 soll die EU klimaneutral werden. Die Maßnahmen sind auch wegen des Konflikts mit Gaslieferant Russland dringender denn je.

Langsam werden Details des Pakets klarer, doch der Weg ist noch lang. Die EU-Länder und das Europaparlament müssen eine Position zu jedem Vorhaben finden und dann noch gemeinsam verhandeln, bevor das Paket Gesetz werden kann. Ob die Verhandlungen bis Ende des Jahres abgeschlossen werden können, ist offen.

Verkehr: Eines der vor allem in Deutschland sehr emotional diskutierten Vorhaben ist das Aus von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren. Das EU-Parlament folgt dem Vorschlag der EU-Kommission in wichtigen Punkten weitgehend und will den Verkauf von neuen Verbrennern ab 2035 verbieten. Auch die EU-Staaten wollen, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden sollen. In der Bundesregierung hofft die FDP noch darauf, dass ein Weg gefunden wird, um auch nach 2035 noch neue mit klimafreundlichem Sprit betriebene Verbrenner zu verkaufen. Ob das gelingt, ist noch offen. Das Ringen zwischen Parlament und EU-Staaten um die Details des Vorhabens kann voraussichtlich nach der Sommerpause beginnen.

Damit die stetig steigende Zahl von E-Autos fahren kann, sollen auf den großen Hauptverkehrsstraßen in der EU alle 60 Kilometer Ladestellen eingerichtet werden. Das EU-Parlament hat zu diesem Vorhaben aber noch keine Meinung, die finalen Verhandlungen könnten noch auf sich warten lassen.

Energie: Die EU-Kommission will mehr Erneuerbare und mehr einsparen. Die EU-Staaten stimmen den ursprünglichen Vorschlägen zu, dass erneuerbare Energien spätestens 2030 einen Anteil von 40 Prozent am Energiemix haben sollen, bislang war das Ziel 32 Prozent. Endverbraucher sollen bis dahin im Vergleich zu 2020 um Neun Prozent weniger Energie verbrauchen. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs legte die Kommission jedoch noch ehrgeizigere Ziele vor, von 45 Prozent für Erneuerbare und 13 Prozent für die Energie-Effizienz. Ob das durchkommt, ist offen - das Parlament muss sich noch festlegen.

Reform des Emissionshandels: Um Treibhausgase zu verringern, wurde 2005 das sogenannte Emissionshandelssystem (ETS) eingerichtet. Bestimmte Unternehmen müssen dafür zahlen, wenn sie klimaschädliche Gase wie Kohlendioxid (CO2) ausstoßen. Das ist ein starker Anreiz, Emissionen zu vermeiden. Nun soll die Zahl der Verschmutzungsrechte schneller verringert werden und kostenlose Zertifikate für Firmen sollen bis 2035 auslaufen. Das System soll zudem auf das Heizen von Gebäuden und den Verkehr ausgeweitet werden.

Das ist allerdings umstritten, Kritiker fürchten höhere Energiekosten für Verbraucher. Daher will das Parlament, dass das ETS zunächst nur für kommerzielle Gebäude und Transport gelten soll, während die Länder es für alle einführen wollen. In Deutschland gilt der Emissionshandel bereits für alle Gebäude und Verkehr. Strittig ist auch, bis wann Firmen noch kostenlose Verschmutzungsrechte bekommen. Erste Verhandlungen zwischen den Parlamentariern und den Staaten haben begonnen, dürften aber kompliziert werden.

Klima-Sozialfonds: Höhere Kosten für Verbraucher durch die Energiewende - etwa steigende Heizpreise - soll ein Klimasozialfonds abfangen. Damit sollen Haushalte entlastet und Investitionen, zum Beispiel in effizientere Gebäude, finanziert werden. Der Fonds soll sich etwa durch Einnahmen aus dem Emissionshandel speisen. Auch hier gibt es aber noch Uneinigkeit: Die EU-Kommission will einen Fonds von bis zu 144,4 Milliarden bis 2032. Das EU-Parlament spricht sich für rund die Hälfte aus. Die EU-Länder sind für einen noch kleineren Topf: Um die 59 Milliarden Euro. Besonders Deutschland hatte für die Verkleinerung plädiert.

CO2-Zoll: Klimaschädlich produzierte Waren aus Drittstaaten sollen in der EU keine Wettbewerbsvorteile haben. Weil heimische Firmen im ETS für ihre Verschmutzung zahlen müssen, soll für ausländische Produkte eine Art CO2-Zoll eingeführt werden, der sich danach richtet, wie viele Treibhausgase bei der Produktion entstehen. Erfasst werden sollen etwa Strom, Stahl oder Aluminium aus Nicht-EU-Ländern. Haben Produzenten zu Hause bereits für den Ausstoß gezahlt, gilt der Zoll nicht. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass dieses System ab 2023 schrittweise eingeführt und ab 2026 gezahlt werden soll.

Wie und wann das System konkret kommen soll, ist noch umstritten. Besonders Deutschland will zunächst einen Klima-Club mit Partnern wie den USA organisieren, um mögliche Handelskonflikte zu vermeiden. Die Verhandlungen der EU-Institutionen haben begonnen, es ist jedoch unsicher, ob sie bis Ende des Jahres einen Kompromiss finden können.

Natürliche CO2-Speicher: Weil es nahezu unmöglich wäre, in der EU bis 2050 keinerlei Treibhausgase auszustoßen, muss ein gewisser Teil in der Natur gespeichert werden. In Böden, Wäldern oder beispielsweise Mooren soll CO2 in Form von Kohlenstoff aus der Atmosphäre geholt und eingeschlossen werden. Bei dem Ziel, in diesem Bereich mindestens 310 Tonnen CO2-Äquivalent - grob ein Zehntel der EU-Treibhausgasemission - bis 2030 zu binden, sind sich die Institutionen einig. In den Verhandlungen könnte es aber bei Detailfragen, etwa wie strikt Land- und Forstwirtschaft reguliert werden sollen, zu Streit kommen.

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