Lange wurde über die Hardwarenachrüstung von älteren Dieselfahrzeugen diskutiert – speziell über die Förderung seitens der Autoindustrie. Nun gibt es entsprechende Systeme, doch keiner nutzt sie. So zumindest das Bild, dass die Autobauer in den letzten Tagen zeichnen. Ende April berichtete beispielsweise die "Süddeutsche Zeitung", dass bei Daimler bis dahin erst 170 Kunden einen entsprechenden Antrag auf den Zuschuss gestellt hätten. An diesem Montag wiederum sagte ein Volkswagen-Sprecher, man habe noch von keinem einzigen Fall Kenntnis, in dem nachgerüstet wurde (asp berichtete).
Darauf reagiert nun die Kfz-Innung Region Stuttgart. Obermeister Torsten Treiber erklärt hinsichtlich der 170 vorliegende Zuschussanträge für nachgerüstete Diesel von Daimler: "Da kommt allein in der Region Stuttgart nochmal das Vielfache nach." Eine Blitzumfrage unter den Innungsbetrieben habe ergeben, dass durch die Kfz-Betriebe in der Region in diesem Jahr bis zum Wochenende mindestens 279 Nachrüstsysteme verbaut worden seien. Davon 276 für Mercedes und zwei für Volvos. "Weitere 390 Nachrüstaufträge liegen vor, davon 372 für Mercedes", so Treiber.
Eintragungen in den Zulassungsstellen verzögern sich wegen Corona
Dass Daimler nichts davon wisse, sei leicht zu erklären, sagt Innungsgeschäftsführer Christian Reher: "Voraussetzung für einen Zuschussantrag ist ein Scan der Zulassungsbescheinigung Teil I und II, nachdem die Nachrüstung eingetragen ist." Diese Eintragungen seien aber wegen der durch Corona eingeschränkten Tätigkeit auf den Zulassungsstellen zurückgestellt worden, deswegen sagten die vorliegenden Anträge nichts über das tatsächliche Nachrüstgeschehen. Reher weiter: "Die Welle der Zuschussanträge kommt erst noch." Er ist sich auch sicher, dass danach noch eine zweite Welle komme, "weil keiner die 3.000 Euro von VW oder Daimler verschenken wird, der seinen Euro-5-Diesel noch ein Weilchen fahren will".
Bei den Zulassungsstellen verhält es sich unterschiedlich. "Wir haben feststellen müssen, dass beim Landratsamt Esslingen Eintragungen zeitweise nicht möglich waren. Dennoch rüsten wir nach. Wir haben in diesem Jahr bereits 35 eingebaut und haben zwölf verbindliche Bestellungen", erläutert Frank Schnierle, Geschäftsführer des Mercedes-Autohauses Jesinger in Esslingen und stellvertretender Obermeister der Kfz-Innung Region Stuttgart. 650 ausgelieferte Nachrüstsätze hat dpa vom Nachrüsthersteller Dr. Pley gemeldet bekommen. Insgesamt seien 3.500 produziert worden. Das Autohaus Kloz in Fellbach hat sogar "150 Systeme bereits verbaut, 300 Systeme sind vorbestellt und die Nachfrage steigt im Moment weiter an", zieht Geschäftsführer Dieter Schlatterer ein Zwischenfazit.
"Die ersten 1.000 Systeme dürften damit schon Stand jetzt demnächst in der Region Stuttgart verbaut sein", sagt Christian Reher von der Kfz-Innung Region Stuttgart. "In den Kfz-Betrieben in allen Kreisen liegen neben Aufträgen auch noch Anfragen vor, die noch nicht zu Aufträgen geführt haben."
Was bei VW beispielsweise auch daran liege, "dass bisher gar keine Nachrüstsätze lieferbar waren", erläutert Obermeister Torsten Treiber. Das ändere sich jetzt: Bei Twintec/Baumot laufe das Geschäft auch an: "Zehn Nachrüstsätze sind bestellt, aber die Lieferzeit liegt bei acht bis zehn Wochen", sagt Roger Schäufele vom Möhringer Autohaus Lutz, der Stuttgarter Kreisvorsitzende der Kraftfahrzeuginnung. Für den VW Sharan/Seat Alhambra oder Audi Q5 quattro 2,0 TDI bietet der Hersteller Oberland-Mangold ab sofort ein SCR-Nachrüstsystem an, bei dem die 3.000 Euro Zuschuss, die VW versprochen hat, den Kosten für das System entsprechen. Torsten Treiber: "Wenn es den Nachrüstsatz zum Nulltarif gibt, ist das für alle, die rechnen können, ein starkes Argument."
Mit Nachrüstung geht man in Stuttgart auf Nummer sicher
Innungsgeschäftsführer Christian Reher nennt noch ein weiteres Argument: "Wer nicht nachrüstet, verschenkt nicht nur Geld. Er riskiert auch Fahrverbote." Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer Deutschen Umwelthilfe (DUH), habe angekündigt, dass er in diesem Jahr noch ein flächendeckendes Verkehrsverbot für Euro-5-Diesel-Pkw in Stuttgart durchsetzen wolle. "Das heißt, er will alle Euro-5er aus der Stadt haben, so wie es bei den Euro-4-Dieseln lief", so Reher.
Die jüngste Fortschreibung des Luftreinhalteplans, in der bereits ein Fahrverbot in einer kleinen Umweltzone (alle Innenstadtbezirke, Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen) ab 1. Juli enthalten ist, ist aus Sicht der DUH rechtswidrig und dem Plan der Landesregierung, dieses Fahrverbot zumindest aufzuschieben, will Resch laut eigener Pressemitteilung einen juristischen Riegel vorschieben. "Da die Landesregierung sich weigert, das per höchstrichterlichem Urteil angeordnete Euro-5-Dieselfahrverbot auf das gesamte Stadtgebiet auszudehnen und alle Zwangsvollstreckungsentscheidungen der Gerichte ignoriert, muss sich nun erneut der Verwaltungsgerichtshof Mannheim mit der Durchsetzung der sauberen Luft in Stuttgart beschäftigen", heißt es seitens der DUH. Dabei will Resch auch vor softwarenachgerüsteten Dieselfahrzeugen keinen Halt machen. Land und Stadt "müssen die gerichtlich verfügten, notwendigen weiteren Maßnahmen ergreifen: Rücknahme der rechtswidrigen Ausnahme für Fahrzeuge mit Software-Update und strikt kontrolliertes Dieselfahrverbot für alle Euro 5/V Fahrzeuge ohne wirksame Hardwarenachrüstung."
So resümiert Torsten Treiber, Obermeister der Kfz-Innung Region Stuttgart: "Nur wer eine Hardwarenachrüstung hat, kann sicher sein, dass er auch am Ende der gerichtlichen Auseinandersetzung noch fährt, denn bis jetzt waren die Verwaltungsrichter meistens auf der Seite der DUH." Da die Nachrüstung kein finanzielles Risiko sei, sei es besser, sie lieber heute als morgen in Auftrag zu geben, vor allem, wenn man in Stuttgart wohne. (ah)