Kurzfassung
Viele Kfz-Ersatzteile haben zurzeit sehr lange Lieferzeiten. Werkstätten bekommen den Unmut der Kunden zu spüren. Zudem können lange Lieferzeiten weiter Probleme nach sich ziehen, an die vorher kaum jemand gedacht hat.
"Beinahe drei Monate hatte ich einen Mercedes Vito mit einem Heck-Unfallschaden stehen, der auch die beiden hinteren Türen betrifft", sagt Vassilios Zikos, Geschäftsinhaber der Firma Eurotex-Trade GmbH, ein Lackierfachbetrieb in Garching bei München. "Ich konnte das Fahrzeug lange nicht fertigmachen, weil die Türen erst nach knapp drei Monaten geliefert wurden." Das ist für alle Beteiligten ärgerlich, weil das Fahrzeug unnötig einen Arbeitsplatz blockiert und der Kunde zu Recht ungeduldig wird.
Noch schlimmer traf es den Halter einer V-Klasse. "Dieser wollte sein Fahrzeug an die Leasingfirma zurückgeben, konnte dies aber nicht, weil ein Schaden an der linken Schiebetür, der unmittelbar vor der Leasingrücknahme eintrat, bis jetzt wegen fehlender Blechteile noch nicht behoben werden konnte", berichtet Zikos. So läuft der Leasingvertrag unverrichteter Dinge weiter.
Langer Nutzungsausfall
Beide Unfälle wurden von Wolfgang Droschzak, SBW- und VfK-geprüfter und anerkannter freier Kfz-Sachverständiger aus Garching bei München, bearbeitet. Er erklärt, worauf geachtet werden muss. "Im Bereich der Schadenregulierung (Haftpflichtschaden) bedeuten längere nachweisbare Teilelieferungszeiten längere Standzeiten beziehungsweise Werkstattaufenthalte von Reparaturfahrzeugen", so Droschzak. "Ist die Reparatur nicht unumgänglich beziehungsweise der Teileverzug im Vorfeld absehbar, müssen die Versicherungen den längeren Nutzungsausfall zahlen." Dieser Verzug muss über einen Liefernachweis des Teilelieferanten nachgewiesen werden, in dem festgehalten wird, wann ein Teil voraussichtlich lieferbar ist/war. Bei Lieferung ist daher zusätzlich noch auf dem Lieferschein das Lieferdatum festzuhalten. Diese zusätzlichen Ausfalltage können dann bei der gegnerischen Versicherung geltend gemacht werden. In unserem Fall konnte der Vito-Halter mit dem Fahrzeug tatsächlich nicht mehr verkehrssicher am Verkehr teilnehmen. Die knapp drei Monate Lieferzeit und der daraus folgende Nutzungsausfall konnten so in voller Summe geltend gemacht werden (Alternative: Leihwagen beziehungsweise Werkstattersatzwagen).
Aber Achtung: Bei Fahrzeugen, die noch fahrbereit und verkehrstüchtig sind, und bei Fällen, bei denen längere Lieferzeiten absehbar sind, sodass der Kunde ohne fahrtechnische Probleme weiterfahren kann, kann das Fahrzeug nicht einfach in der Werkstatt abgestellt und der Nutzungsausfall beziehungsweise Leihwagen genutzt werden. "Hier gilt die Schadenminderungspflicht, was bedeutet: Der Kunde muss weiterfahren, bis die Teile lieferbar sind: Dies gilt aber nur, wenn es zumutbar und von der Fahrsicherheit her durchführbar ist", ergänzt hier Droschzak. Ein solcher Fall liegt bei der V-Klasse vor. Hier muss die Versicherung aber die Leasinggebühren übernehmen.
Kunden suchen selbst
Tatsächlich sind gerade, wie ZKF und ZDK bestätigen, Karosserie- und Elektronikteile von den Lieferschwierigkeiten besonders betroffen. Lackierermeister Zikos muss sich daher noch mit einem weiteren Folgeproblem auseinandersetzen: "Nachdem viele unserer Kunden wissen, dass vieles zurzeit nicht sofort lieferbar ist, machen sie sich selbst im Netz auf die Suche nach den benötigten Teilen", berichtet der erfahrene Lackierer. "Dabei haben sie sogar immer wieder mal Erfolg. Doch die Sache hat einen großen Haken, denn bei vielen dieser Karosserieteile handelt es sich um minderwertige Ware." Zikos muss dann, wenn der Kunde auf Einbau besteht, viel Zeit für die Nacharbeit beziehungsweise Anpassung investieren. "Dem Kunden zu erklären, dass ich diese Zeit auch in Rechnung stellen muss, ist zuweilen sehr schwer." Hinzu kommen dann auch noch Fragen hinsichtlich der Gewährleistung. "Hier lassen sich viele Werkstätten Gewährleistungs- beziehungsweise Garantieausschlusserklärungen unterschreiben", so Zikos. Trotzdem hat er Verständnis dafür, dass die Kunden keine Lust haben, monatelang auf ihr Auto zu warten. Zikos spricht sich daher mit den Kunden ab, wie auf die Situation zu reagieren ist. Auf jeden Fall aber sollte immer die Ersatzteilverfügbarkeit vor Auftragsannahme geprüft werden.
"Im Bereich Service- und Verschleißteile ist immer noch alles sofort lieferbar", sagt Bernd Noss, verantwortlicher Außendienstmitarbeiter für Oberbayern bei Konrad Autoteile im Münchener Norden und zuständig für das Werkstattkonzept ASP. "Hier gibt es überhaupt keine Verzögerungen. Teile, die vor allem für den Kundendienst wichtig sind, liefern wir noch am selben Tag." Das bestätigt auch Unternehmenssprecher Torsten Kühne von Alzura. com, dem Onlineportal der Alzura AG (ehemals Saitow AG) aus Kaiserslautern: "Bisher hatten wir keine Lieferschwierigkeiten zu vermelden. Kann ein Anbieter gewisse Produkte nicht mehr zur Verfügung stellen, kann eine spezialisierte B2B-Plattform wie Alzura Tyre24 den Ausfall durch ein internationales Netzwerk von 2.000 Anbietern aus 15 Ländern gut abfedern. Dadurch ist für die Werkstätten jederzeit eine stabile Einkaufsquelle sichergestellt."
Reparatur statt Tausch
Um Zeit und Kosten zu sparen, setzen viele Betriebe auf Reparatur der kaputten Teile. Das bestätigt auch Wolfgang Droschzak: "Vor allem nicht oder nicht mehr lieferbare Elektronik-Komponenten, wie Steuergeräte, aber auch Bremszangen, Lichtmaschinen und Kühler älterer Fahrzeuge, werden wieder vermehrt repariert." Es verwundert Droschzak daher nicht, dass wieder vermehrt Reparatursätze für Komponenten angeboten werden. Dies muss aber ursächlich nicht an der Knappheit einiger Autoersatzteile liegen, sondern könnte bereits ein Vorbote des EU-Legislativvorschlags für ein "Recht auf Reparatur" sein. Hierüber wird die Europäische Kommission bis Ende 2022 einen Vorschlag veröffentlichen.
Das sagt der ZDK
Wir haben Michael Breuer vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. (ZDK) Abteilung Werkstätten und Technik, gefragt, wie Werkstätten bei Lieferschwierigkeiten von Kfz-Ersatzteilen mit Kunden kommunizieren sollen. "Der ZDK empfiehlt Kfz-Werkstätten bereits im Vorfeld von Reparaturterminen auf die Problematik der Lieferschwierigkeiten hinzuweisen und dies im Werkstattauftrag schriftlich festzuhalten“, so Breuer. Im Zweifel sollten Termine in Abstimmung mit dem Kunden frühzeitig verschoben werden, damit lieferbedingte Verzögerungen bei der Instandsetzung nicht zu Reklamationen und Kostenübernahme-Forderungen/Schadenersatz-Forderungen seitens der Kunden (z. B. Mietwagenkosten oder Übernahme von abstrakten Nutzungsausfällen) führen.
Sofern die Gefahr bestehe, dass vereinbarte Termine nicht eingehalten werden können, da Zusagen von Teilelieferanten nicht eingehalten werden, sollten Kunden ebenso frühzeitig kontaktiert werden, um alternative Terminlösungen abzustimmen. Breuer: "Sofern die Kunden einverstanden sind, erscheint es sinnvoll, statt fixe Zeitpunkte Zeitfenster für die vollständige Fahrzeugreparatur im Werkstattauftrag zu vereinbaren."
Mark