In ihrem Wettbewerb um Premium-Kunden gleichen sich nicht wenige Produkte der drei deutschen Edel-Hersteller Mercedes, Audi und BMW immer mehr an. So sind sich auch unsere beiden Testkandidaten, zwei Diesel-Kombis der gehobenen Mittelklasse in leichtem Outdoor-Outfit, in vielerlei Hinsicht verblüffend ähnlich: bei den Fahrzeugabmessungen etwa und auch bei den Antrieben. Aber es gibt auch durchaus bedeutende Unterschiede.
Ohne Zweifel ist die E-Klasse das modernere Auto, da noch kein Jahr auf dem Markt. Der All Terrain, also die leicht höher gelegte, beplankte und somit geländetauglichere Version des Bestsellers ist mit dem großen Diesel sogar erst seit einem halben Jahr erhältlich. Der 3,0-Reihensechszylinder leistet 270 kW/367 PS, weitere 17 kW/23 PS werden aus dem 48-Volt-Mildhybrid-System zugeführt. Allrad ist immer dabei.
Das gilt auch für den Audi A6 55 TDI, hier heißt Allrad natürlich quattro und die „Gelände“-Version Allroad. Und auch der Antrieb ist ähnlich, ein Sechszylinder-Diesel – nicht in Reihe sondern V-Anordnung – mit 253 kW/344 PS. Allerdings kam die vierte Generation des A6 Allroad schon 2019 auf den Markt, letztes Jahr gab es eine größere Modellpflege.
Die kräftigen Motoren unterscheiden sich subjektiv kaum, beide sind bärenstark und bringen die über zwei Tonnen schweren Fahrzeuge locker auf Trab. Auch die Fahrleistungen sind vergleichbar, der Audi benötigt 5,2 Sekunden für den Spurt auf 100 km/h, der Mercedes schafft das zwei Zehntel schneller. Vernachlässigbar. Bei der Vmax herrscht mit jeweils 250 km/h Gleichstand.
Unterschiede zwischen dem Reihen-Sechser von Mercedes und dem V6 von Audi werden vor allem beim Verbrauch deutlich. Sowohl beim Norm- wie auch beim Testverbrauch liegt der Schwabe vor dem Bayern, die von uns herausgefahrenen 7,4 bzw. 8,2 Liter gehen angesichts einiger forcierter Testfahren gerade noch in Ordnung. Der Minderdurst des Mercedes dürfte auf die elektrische Unterstützung des Mildhybrid-Systems zurückzuführen sein. Angenehm in Zeiten von Reichweitenangst: Wer den Premium-Kombis nicht allzu stark die Sporen gibt, erreicht Verbrauchswerte um die 6 Liter und somit Reichweiten im Bereich von 1.000 Kilometern.
Auf langen Strecken fühlen sich beide Autos (und ihre Fahrer) aber auch so am wohlsten. Je nach Lust und Laune bieten beide Antriebe genug Power für schnellere Etappen oder einen Überholvorgang. Man kann sie aber auch bei Richtgeschwindigkeit bewegen, spart Sprit und hört den Diesel kaum. Zudem verfügen beide über eine adaptive Luftfederung, was schlechten Strecken viel von ihren Schrecken nimmt.
Fast unnötig zu erwähnen, dass in beiden Cockpits die Sitze allerhöchsten Ansprüchen genügen – die im Mercedes sind sogar noch einen Tick besser. Dagegen sind die beiden Boliden in der Stadt nicht so gut aufgehoben. Bei einer Länge von jeweils 4,95 Meter und Wendekreisen von 12 Meter (Mercedes) bzw. 11,10 Meter wird das Rangieren objektiv schwierig, obwohl es sich subjektiv meist gar nicht so anfühlt.
Man darf sich natürlich fragen, ob die leichte SUVsierung überhaupt nötig ist. Bis auf die um wenige Zentimeter erhöhte Bodenfreiheit und den damit verbundenem, etwas leichteren Einstieg bieten Allroad und All Terrain kaum Vorteile. Denn wer will mit diesen Edel-Kombis tatsächlich den Asphalt verlassen und sich trotz leichter Beplankung auf einem Waldweg eventuell einen Kratzer in den teuren Lack fahren? Eben.
Subjektiv ist der Audi trotz seiner vielen Assistenten und immerhin drei Displays im Armaturenbrett das etwas analogere Auto, das ein unverfälschteres, direkteres Fahrerlebnis zu offerieren scheint. Was manche Piloten durchaus goutieren dürften. Der Mercedes ist dagegen wenig überraschend das komfortablere Fahrzeug, und verfügt zudem mit seinem MBUX-System über die schnellere und verständigere Sprachsteuerung. Doch sind diese Unterschiede zu verschmerzen.
Einen klaren Punktsieg fährt die E-Klasse dagegen bei den Platzverhältnissen ein. Im Fond geht es großzügiger und gemütlicher zu und der Kofferraum fasst mit 615 bis 1.830 Liter deutlich mehr als der A6, bei dem es „nur“ 565 bis 1.680 Liter sind.
Der E 450 D 4Matic All Terrain, so der vollständige Name des Kombis, steht mit einem Basisangebot von exakt 92.487 Euro in der Liste, Audi verlangt mit 77.000 Euro hier deutlich weniger. Zumal beide Kandidaten von ihren Käufern Zusatzinvestitionen im fünfstelligen Bereich verlangen, um die meisten Annehmlichkeiten an Bord zu haben.
Lustig in diesem Zusammenhang, dass der mit Extras gespickte und sicher weit über 110.000 Euro teure Mercedes ausgerechnet kein Head-up-Display an Bord hatte. Aber keine Sorge: Kann man wie (fast) alles natürlich als Extra ankreuzen, was wir unbedingt empfehlen würden. Bei Audi war das HUD dabei – und steht mit schlanken 1.400 Euro in der Liste.
Trotzdem: Knapp 15.500 Euro Preisunterschied sind schon ein Wort. Dafür kann man selbst bei Audi schon eine Menge Extras bestellen. Teuer sind beide Modelle – in Anschaffung und Unterhalt. Leben kann man dafür sowohl mit der E-Klasse wie mit dem A6 natürlich sehr gut. Wobei es die normale Kombi-Version, am besten mit kleinerem Diesel, unserer unmaßgeblichen Meinung nach auch tun würde.