Dass die erste Elektrooffensive von Mercedes alles andere als zufriedenstellend verlaufen ist, diese Kröte dürfte man in der Stuttgarter Konzernzentrale wohl zähneknirschend geschluckt haben. Die Gründe sind vielfältig. Schuld ist unter anderem das Design der EQ-Modelle, und hier besonders das der Limousinen. Die Klientel war wenig angetan.
In Deutschland schaffte es Mercedes mit 11.476 Einheiten noch so gerade, ein BEV-Modell unter die Top-Ten der 2024-Neuzulassungen zu platzieren, das Kompakt-SUV EQA. Insgesamt setzten die Schwaben hierzulande im vorigen Jahr 33.991 E-Autos ab – zwar mehr als Audi (21.831 Einheiten), jedoch deutlich weniger als BMW (42.066).
"Die größte Produktoffensive ihrer Geschichte"
Aussicht auf Besserung besteht zweifellos. Laut CEO Ola Källenius startet die Marke mit dem Stern in diesem Jahr "die größte Produktoffensive ihrer Geschichte". Eher eine Nebenrolle spielen dabei sicherlich der SL Roadster 680 von Maybach sowie der PureSpeed von AMG. Letzterer soll ohne Dach und Windschutzscheibe für ultimatives Frischluftvergnügen sorgen. Zum Händler rollen die ersten Exemplare im Frühjahr.
Etwa zeitgleich debütiert dann die wohl wichtigste Neuerscheinung: der CLA (intern C 174 genannt). Die über 4,70 Meter lange Coupé-Limousine markiert das neue Einstiegsmodell in die Welt von Mercedes und gilt in der Branche als eine Art Prüfstein für den Erfolg der Luxus-Strategie von Källenius.
Mercedes CLA Facelift (2023)
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Unter dem CLA steckt die gänzlich neuentwickelte 800-Volt-Plattform MMA (Mercedes Modular Architecture), ausgelegt auf "Electric first". Die Basis hat Heckantrieb. Hinten sitzt grundsätzlich eine von Mercedes entwickelte 200-kW-E-Maschine (272 PS). Die 4Matic-Versionen verfügen vorne über einen zusätzlichen Motor mit 80 kW/109 PS. Der CLA soll aufgrund seiner guten Aerodynamik und eines Zweiganggetriebes lediglich 12 kWh/100 km verbrauchen. Ein Wert, der im Segment neue Maßstäbe setzen könnte und es möglich macht, mit der größten wählbaren Batterie (85 kWh) rund 750 Kilometer Reichweite zu schaffen. Auch die DC-Ladeleistung liegt mit über 300 kW im Topsegment. Versprochen werden 400 "frische" Kilometer in nur 15 Minuten.
Die Markteinführung des CLA ist auf den Sommer terminiert. Zum Herbst soll es noch eine günstigere Variante mit LFP-Batterie und weniger Kapazität (58 kWh) geben. Ebenfalls zum Ende des Jahres, spätestens aber Anfang 2026 will Mercedes der Elektro- eine Verbrennerversion folgen lassen, ausgelegt als 48-Volt-Mildhybrid. Hier kommt ein in China (Kooperation mit Geely) produzierter 1,5-Liter-Vierzylinder (M 252) zum Einsatz. Er gehört zur sogenannten Motorenfamilie FAME (Family of Modular Engines). Im Doppelkupplungsgetriebe (8F-eDCT) steckt ein E-Modul mit 20 kW und 85 Nm. Die Leistungsstufen liegen bei 100, 120 und 140 kW (136 -190 PS). Die Basis hat Frontantrieb, 4Matic ist möglich. Einen Diesel oder Plug-in-Hybrid (PHEV) wird der CLA-Kunde nicht bestellen können.
Abschied von Elektro-Submarke EQ
Bereits im vorigen Jahr begann Mercedes, sich nach und nach von seiner Elektro-Submarke EQ zu verabschieden. Erster Kandidat war die elektrische G-Klasse, die statt EQG nun G 580 mit EQ-Technology heißt. Dieses Anhängsel wird auch der CLA und seine MMA-Ableger CLA Shooting Brake sowie GLA und GLB tragen, die 2026 ihr Debüt haben dürften. GLA und GLB beerben den EQA und EQB.
Mit der gleichen EQ-Nomenklatur schickt Mercedes, ebenfalls 2026, die Stromvarianten der C- und GLC-Klasse an den Start. Sie sind die ersten Vertreter, die auf MB.EA basieren, einer Architektur, die als "electric only" definiert wurde. Vom MMA übernommen werden dürften die 800-Volt-Technik, die Siliziumkarbid-Leistungselektronik (SIC) und auch der Triebstrang der nächsten Generation (eATS2.0).
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Dass sich CLA und C-Klasse mit nahezu gleichen Abmessungen ins Gehege kommen, wird in Stuttgart verneint. Die C-Klasse tritt optisch mehr im klassischen 3-Box-Design auf, ist höher positioniert und bietet mehr Komfort (Vierlenker-Vorder- und Raumlenker-Hinterachse). Die elektrische Reichweite dürfte auf dem Niveau des CLA liegen. Parallel weitergebaut wird die derzeitige C-Klasse W 206. Sie erhält 2026 ein Modellpflege (intern Mopf genannt).
Zeitlich zuvor kommt der C-Klasse mit nahezu identischer Technik der GLC mit EQ Technology. Zeigen dürfte Mercedes das elektrische Mittelklasse-SUV vermutlich im September auf der IAA in München, bauen will man es im amerikanischen Werk in Tuscaloosa/Alabama.
Der heutigen E-Klasse (W 214) steht als BEV-Variante derzeit der EQE (V 295) zur Seite, bei der S-Klasse (Baureihe 223) ist es der EQS (V 297). Erst mit den jeweils nächsten Generationen (ab zirka 2028) schmelzen jeweils beide Varianten zu einem Modell zusammen. Der Verbrennungsmotor wird trotz ausgeprägtem Elektro-Engagement von Mercedes weiterhin Bestand haben – auch über 2030 hinaus. Das Stuttgarter Unternehmen wäre töricht, gerade bei S- und E-Klasse nur auf Strom zu setzen. Allein das Flaggschiff der Marke, die S-Klasse, fährt mit einem Marktanteil von rund 50 Prozent in allen wichtigen Regionen der Welt heute unangefochten auf der Pole Position.
Mercedes-Benz S 680 Guard
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