Michael Bültmann ist seit gut einem Jahr Geschäftsführer der ABB E-mobility in Deutschland. Wie blickt der Manager auf den deutschen Strommarkt?
asp: Was hat Sie in der neuen Verantwortung bei ABB E-mobility im ersten Jahr am meisten geprägt?
M. Bültmann: Viele Dinge wiederholen sich. Bevor ich in die Energiewirtschaft gewechselt bin, habe ich in der Telekommunikation und dann im Automotive-Bereich gearbeitet. In den drei recht unterschiedlichen Wirtschaftszweigen haben sich die Innovationen doch recht gleich entwickelt. Nach der ersten großen Euphorie tritt eine Phase der Unsicherheit ein, bevor im nächsten Schritt ein Verständnis eintritt. Das habe ich so auch in der neuen Position festgestellt.
asp: Unsicherheit ist sicher der treffendste Begriff für die aktuelle Zustandsbeschreibung der Elektromobilität.
M. Bültmann: Deshalb wünsche ich mir, dass wir in Europa und in Deutschland politisch ein paar Parameter klarziehen, um aus der Verunsicherung herauszukommen. Es braucht klare Aussagen und keine Schnellschüsse, wo Dinge mal an- und dann plötzlich wieder ausgestellt werden. Es braucht eine Roadmap für die E-Mobilität, an der auch wir als Ladeinfrastrukturanbieter unsere Investitionen ausrichten können. Das betrifft nicht nur uns, sondern in hohem Maße auch die OEM sowie die Gewerbe- und Privatkunden.
asp: Was gibt Ihnen hier Hoffnung?
M. Bültmann: Wenn man nach Brüssel auf die neuen EU-Kommissare blickt, dann sehe ich für den Bereich des nachhaltigen Transports und damit der E-Mobilität eine große Stringenz. Keiner will Wasserstoff oder E-Fuels verbieten, aber die batterieelektrische Mobilität ist momentan in der Gesamtschau die effektivste Art des CO2-neutralen Fortkommens. Eine Diskussion über die Abkehr vom Verbrenner-Aus hilft hier nicht wirklich weiter.
- Ausgabe 01/2025 Seite 036 (786.5 KB, PDF)
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asp: Das Ende der E-Auto-Förderung sorgte für viel Unsicherheit. Welches Förder-Szenario würden Sie sich wünschen?
M. Bültmann: Es gäbe vermutlich keinen Markt für E-Mobilität, wenn nicht politische Weichen gestellt worden wären. Auf der anderen Seite hat unsere Industrie nie laut nach Subventionen gerufen, denn ich glaube schon, dass sich der Markt unter vernünftigen Bedingungen selbst entwickeln und es Business Cases für jeden Teilnehmer geben kann. Das Schlimmste, was man machen kann, ist, eine Förderung ins Schaufenster zu legen und diese nach einigen Monaten überraschend wieder herauszunehmen. Das funktioniert nicht. Wenn es neue Förder-Szenarien geben soll, dann bitte für zwei, drei Jahre.
asp: Die Strompreise respektive die Netzentgelte in Deutschland betreffen nun jene, die schon umgestellt haben. Wie kann man diese Unsicherheit lösen?
M. Bültmann: Strom ist in vielen Szenarien mittlerweile teurer als der fossile Brennstoff. Zwar ist die EEG-Umlage beim Strompreis weggefallen, aber die Netzentgelte stehen dem nun entgegen. Gerade die Gewerbekunden betrachten die E-Mobilität aus TCO-Gesichtspunkten heraus, und unter diesen muss der Stromer günstiger sein als der Verbrenner, da reicht auch nicht die Mautbesserstellung. Sonst stockt der Markt, wie wir es eben jetzt sehen.
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asp: Wo kann man hier ansetzen, dass der Strompreis wieder attraktiv wird?
M. Bültmann: Es gibt Ideen, etwa das öffentliche Laden von der Stromsteuer zu befreien. Ob so etwas kommt, wird man sehen, aber es muss etwas passieren. Die Welt und auch die der Energiewirtschaft ist immer komplexer geworden. Die Dinge sollten schnell wieder einfacher werden, sonst werden wir beim Umstieg auf die E-Mobilität nicht vorankommen.
asp: Damit meinen Sie sicherlich auch den Bürokratieabbau?
M. Bültmann: Ganz genau. Die komplexe Regulatorik, die es braucht, um einen Ladepunkt anzuschließen, hat mich überrascht. Gerade beschäftigen wir uns mit der Standsicherheit von Transformatoren und Containern bei starken Winden. Das eigentliche Problem ist aber die Strommenge, die es gerade auf den Betriebshöfen braucht. Dann redet man mit den Stadtwerken und merkt, dass ein Projekt plötzlich Jahre dauern kann. Das ist aber auch bei der Standortgewinnung, etwa beim Ausbau der Schnelllader an den europäischen Autobahnen, ein Riesenthema. Die einzelnen Produkte, wie die ABB-E-mobility-Schnelllader, haben eine sehr hohe Zuverlässigkeit. Diese gilt es für den Stromkunden, aber auch an den sehr unterschiedlichen Standorten, wo er sein Auto, Transporter oder Lkw mit Strom befüllt, herzustellen. Das geht nur partnerschaftlich.
asp: Wie gut funktioniert denn der Datenaustausch mit den Behörden, wenn man mal auf ganz Deutschland blickt?
M. Bültmann: Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich hier noch Luft nach oben sehe. Das Problem liegt in der unterschiedlichen Ausrichtung, was Digitalisierung wirklich bedeutet und wie man dies umsetzt. Heute werden viele Systeme auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene eingeführt, die oft nicht aufeinander abgestimmt sind. Das ist nicht hilfreich und führt zu keiner Beschleunigung. Erreichbarkeit und Formalitäten sind ein weiteres Thema.
asp: Der Weg zur zur Künstlichen Intelligenz ist damit ein weiter ...
M. Bültmann: Was aber gerade im Automotive-Bereich die Zukunft ist, denn die Wertschöpfung steckt in der Software und nicht im Federbein. In der Energiewirtschaft wird es ebenfalls um KI-basierte Dienstleistungen gehen, etwa Cloudlösungen für das Warten und Updaten von Ladesäulen. Aber auch das Veredeln von Daten gehört hier zwingend dazu. Die Zukunft heißt, dass dem Nutzer hochindividualisiert aufgrund seiner Fahr- und Ladegewohnheiten Ladeoptionen angeboten werden bis hin zur Reservierung der Ladesäule. Einiges machen wir heute schon wie Diagnose oder Remote-Wartung, da ist aber noch viel möglich. Wir haben keine Berührungsängste, mit Daten Geld zu verdienen.
asp: Wie blicken Sie auf das Problem von fehlender Ladeinfrastruktur und Kaufzurückhaltung von E-Auto-Kunden? Haben wir tatsächlich eine unzureichend ausgebaute Ladeinfrastruktur in Deutschland?
M. Bültmann: Mein Gefühl ist, dass es tatsächlich mehr Ladeinfrastruktur gibt, als man oft denkt. Und auch die Ausbaugeschwindigkeit der Ladesäulen ist höher als der Anstieg der Zulassungen von E-Kennzeichen. Aber vieles ist hier auch Kopfsache, und den Argumenten pro Benzin oder Diesel kann man mittlerweile schnell Fakten pro E-Auto entgegensetzen. Sie müssen nur gehört werden. Kommunikation und das Ausprobieren sind dabei die wirksamsten Hilfsmittel. Selbst im E-Lkw-Bereich gibt es wenige Kunden, die nach den ersten E-Fahrten zurück zum Diesel wollen. Und das in einem Wirtschaftszweig, der stark TCO-getrieben ist.
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